Wien

Mann verschickte Nacktfotos von eigener Frau an Schüler

Eine Studie zeigt, dass Cyber-Gewalt in Paarbeziehungen ansteigt. Die Stadt Wien hat daher eine neue Anlaufstelle geschaffen.

Christine Ziechert
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Viele Frauen werden von derzeitigen oder ehemaligen Partnern im Internet bloßgestellt oder bedroht.
Viele Frauen werden von derzeitigen oder ehemaligen Partnern im Internet bloßgestellt oder bedroht.
istock/Symbolfoto

Ein Mann stellt ein Nacktfoto seiner Frau, einer Lehrerin, in die Whatsapp-Gruppe ihrer Schüler, ein anderer hackt den Facebook-Account seiner Gemahlin und montiert ihren Kopf auf ein Nacktfoto und stellt es ins Netz: Mobbing, Stalking und Hass verlagern sich immer mehr ins Internet. Vor allem in den Frauenhäusern wurde in den vergangenen Jahren ein Anstieg bei Cyber-Gewalt in Paar-Beziehungen registriert.  

"Über das Smartphone und auf sozialen Medien haben gewalttätige Männer noch mehr Möglichkeiten, ihre Frauen zu überwachen, zu demütigen und auch zu bedrohen. Dies ist eine neue Gewaltform gegen misshandelte Frauen, die ihre Situation, oft auch nach einer Trennung, nochmal schwieriger macht", erklärt Andrea Brem, Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser im Rahmen eines Pressegesprächs zum Thema "Cybergewalt".

IT-Experten helfen bei Beweissicherung

Die Stadt Wien hat nun reagiert und eine neue Kompetenzstelle eingerichtet. Ab sofort unterstützen IT-Experten der MA 01 (Wien Digital) Betroffene: "Die IT-Sicherheitsspezialisten der Stadt Wien arbeiten ab sofort eng mit dem 24-Stunden Frauennotruf und den Wiener Frauenhäusern zusammen. Wichtig ist: Die Stadt Wien hilft Betroffenen von Cybergewalt schnell und unbürokratisch", so Frauenstadträtin Kathrin Gaál (SPÖ).

Die sechs Experten des "Security Hubs" WienCERT sind ab sofort als Anlaufstelle für den 24-Stunden Frauennotruf und die Wiener Frauenhäuser da. Sie springen dort ein, wo die Beraterinnen an ihre technischen Grenzen stoßen. Dabei geht es vor allem um jene Fälle von Cybergewalt, bei denen es spezialisiertes IT-Wissen braucht. Nach einer Analyse des Falles wird entschieden, ob es eine technische Lösung gibt, ob der Fall an die Polizei weitergeleitet werden soll – oder ob technische Unterstützung von weiteren Spezialisten notwendig ist.

Stalking, Mobbing und Hass - das alles ist Cybergewalt

In sehr komplexen Cybergewalt-Fällen werden externe Unternehmen mit spezialisierten Aufgaben und technischem Support beauftragt ("Digitale Forensik"). Das kann zum Beispiel bei der Beweissicherung sein – wenn der Täter das Handy einer Klientin zerstört hat, auf dem Fotos von Verletzungen gespeichert waren. Hier können die IT-Experten im Idealfall die Fotos wiederherstellen. "Es ist wichtig, die bereits sehr professionelle Beratung durch cybertechnische Beratung zu unterstützen, mit dem Ziel, Frauen vor Cybergewalt zu schützen, die Gewaltausübung zu unterbinden und gegebenenfalls Beweise zu sichern", erklärt Sandra Heissenberger, Chief Information Security Officer in der Abteilung "Organisation und Sicherheit" bei der Stadt Wien.

Cybergewalt tritt in unterschiedlichen Formen auf: Von Mobbing (absichtliches und meist öffentliches Beleidigen, Bedrohen oder Bloßstellen einer Person) über Stalking (Verfolgung einer Person über einen längeren Zeitraum hinweg) bis zu "Hass im Netz" (Abwertung einer bestimmten Person). "Bei 'Hass im Netz' muss auch das Thema Cybergewalt in Paarbeziehungen stärker in den Vordergrund rücken", betont die Vorsitzende des Vereins Wiener Frauenhäuser, Martina Ludwig-Faymann. Sie fordert eine Schulung von Justiz- und Polizei-Beamten durch Experten zum Thema Cybergewalt.

Präsentierten die neue Kompetenzstelle gegen Cybergewalt (v.l.): Andrea Brem, Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser, Martina Ludwig-Faymann, Vorsitzende des Vereins Wiener Frauenhäuser, Frauenstadträtin Kathrin Gaál (SPÖ), Sandra Heissenberger, Chief Information Security Officer in der Abteilung "Organisation und Sicherheit" bei der Stadt Wien, Martina K. Steiner, stellvertretende Leiterin des 24-Stunden Frauennotrufs der Stadt Wien und Elfriede Fröschl, Soziologin und Studienautorin der Studie "Cybergewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen".
Präsentierten die neue Kompetenzstelle gegen Cybergewalt (v.l.): Andrea Brem, Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser, Martina Ludwig-Faymann, Vorsitzende des Vereins Wiener Frauenhäuser, Frauenstadträtin Kathrin Gaál (SPÖ), Sandra Heissenberger, Chief Information Security Officer in der Abteilung "Organisation und Sicherheit" bei der Stadt Wien, Martina K. Steiner, stellvertretende Leiterin des 24-Stunden Frauennotrufs der Stadt Wien und Elfriede Fröschl, Soziologin und Studienautorin der Studie "Cybergewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen".
PID/Votava
"Frauen werden engmaschig überwacht" - Studienautorin Elfriede Fröschl

Wie perfide die Täter oft vorgehen, zeigt auch die neue Studie "Cybergewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen" von Andrea Brem und der Soziologin Elfriede Fröschl, für die 140 Betroffene in Frauenhäusern sowie 16 Betroffene in Tiefeninterviews befragt wurden. Die Männer hindern Frauen daran, jemanden anzurufen oder E-Mails zu schicken, überwachen das Mobiltelefon oder zwingen Betroffene, ihre Passwörter herzugeben. So entsteht bei den Frauen der Eindruck: Er weiß alles. Er hat die 100-prozentige Kontrolle. "Der zeitlich und räumlich nahezu unbegrenzte Zugang zur Partnerin ermöglicht es gewaltbereiten Männern, die betroffenen Frauen engmaschig zu überwachen und zu verfolgen, da in aufrechter Beziehung meist Zugangsdaten und Telefonnummern für sie verfügbar sind oder sie deren Herausgabe durch Gewaltandrohung oder -ausübung erzwingen", so Studienautorin Elfriede Fröschl.

Laut der Studie sind vor allem jüngere Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren (36 %) und 31 bis 40 Jahren (31 %) von Cybergewalt betroffen. Bei fast der Hälfte der Betroffenen (49 %) dauerte die Beziehung erst bis zu fünf Jahre an. 40 % der Frauen erlebten Einschüchterung, Bedrohung oder Erpressung, 64 % wurden daran gehindert, Kontakte zu pflegen, und bei 50 % der Betroffenen wurden die Handys zur Überwachung verwendet.

Verfahren ziehen sich oft lange hin

Die psychischen, gesundheitlichen und finanziellen Folgen sind vielfältig und reichen von Panikattacken, Schlafstörungen, Suizid-Gedanken, Appetitlosigkeit und Herzrasen bis zum Verlust des Arbeitsplatzes oder Schulden durch Einkäufe, die der Mann getätigt hat. Schwierig wird es vor allem wenn Kinder vorhanden sind. Nach einer Trennung werden diese oft vom Ex-Partner instrumentalisiert, um die Frau zu überwachen. Die Frau kann jedoch den Kontakt zum Mann nicht vollständig abbrechen.

Ein weiteres Problem: Wenn Betroffene die Cybergewalt zur Anzeige bringen möchten, werden sie teilweise nicht ernst genommen, vertröstet oder die Vorwürfe werden nicht als ausreichend empfunden. "Die Verfahren ziehen sich oft lange hin, die Plattformen löschen oft die Postings nicht komplett, und die Beweissicherung ist eine große Last für die Betroffenen", meint Studienautorin Fröschl. Oft fehle es den Frauen auch an Wissen über Auswirkungen und Strafbarkeit der Cybergewalt. 

Betroffene können sich unter den Nummern des Frauennotrufs (01/71719) und bei der Beratungsstelle der Wiener Frauenhäuser (01/5123839) Hilfe holen.