Österreich

Neue Klimaschutz-Gebiete läuten fossiles Aus ein

Heute Redaktion
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Im Kampf gegen die Klimakrise setzt die Stadt Wien nun auf Klimaschutz-Gebiete in den Bezirken. Bei Neubauten darf hier nur noch klimafreundliche Energie zum Einsatz kommen.

"Hitzewellen, Tropennächte, Extrem-Regengüsse: Die Wienerinnen und Wiener spüren die Folgen der Klimakrise immer deutlicher. In einer wachsenden Stadt wie Wien ist der Neubausektor einer der zentralen Hebel für wirksamen Klimaschutz", so Wiens Vizebürgermeisterin und Klimaschutzstadträtin Birgit Hebein (Grüne). Am Mittwoch stellte sie gemeinsam mit dem Planungssprecher der Grünen Wien, Peter Kraus und dem Leiter der Abteilung Energieplanung der Stadt Wien, Bernd Vogl die Pläne zu neuen Klimaschutz-Gebieten in den Wiener Bezirken vor, die hier entgegenwirken sollen.

Konkret sollen in den neuen Klimaschutzgebieten nur noch Neubauten – dazu zählen neben Wohnungen auch Schulen, Kindergärten, Geschäfte und Büros sowie freifinanzierte und geförderte Projekte – errichtet werden dürfen, die gänzlich auch fossile Energieträger wie Gas oder Öl verzichten und dafür klimafreundliche Systeme, beispielsweise Solar- oder Windkraft verwenden. Betroffen davon sind künftig 8 von 10 Neubauten in Wien. Laut MA20 sollen die Klimaschutz-Gebiete insgesamt rund 49 Quadratkilometer Grundfläche umfassen. Zum Vergleich: Die Gesamtfläche der Stadt Wien beträgt 414 Quadratkilometer davon sind 134 Quadratkilometer Bauland.

Erste Klimaschutz-Gebiete im 2., 3., 7 und 16. Bezirk

Den Anfang machen Grätzl in den Bezirken Leopoldstadt, Landstraße, Neubau und Ottakring. Diese sollen "in etwa flächendeckend mit den Neubaugebieten" sein, heißt es. Konkretes soll es Mitte September geben, wenn die ersten Verordnungen in Begutachten gehen.

Danach soll in vier Phasen auf alle anderen Bezirke ausgerollt werden. Bis Mitte 2020 sollen dann im gesamten Wiener Stadtgebiet zahlreiche Klimaschutz-Gebiete bestehen.

Bauträger sollen Wahlfreiheit haben

In diesen neu errichteten Gebäuden muss Heizung, Kühlung und Warmwasseraufbereitung künftig entweder über erneuerbare Energie wie Erdwärme, Solarenergie, Biomasse oder über Fernwärme erfolgen. Langfristig sollen so fossile Energien in diesen Gebieten Geschichte sein.

Um die Bauträger, die die neuen Gebäude an Bord zu holen, achte die Stadt bei der Verordnung der Klimaschutz-Gebiete auch auf die Wirtschaftlichkeit. Daher können sich die Bauträger unter mehreren wirtschaftlichen und klimafreundlichen Alternativen entscheiden.

"Wir sehen uns die Gebiete zunächst vor allem unter dem Aspekt der Energiequellen, die zur Verfügung stehen, an. Wenn es hier die Möglichkeit auf Fernwärme, Photovoltaik oder anderes gibt, wird im jeweiligen Bezirk ein Klimaschutz-Gebiet erlassen", erklärt Vogl. Der Vorteil der Klimaschutz-Gebiete ist für den Energieplaner auch, dass im Gegensatz zu klassischen Klimaanlagen die Umgebung nicht erhitzt werde. "Bei Klimaanlagen haben es manche kühl, aber alle in der Umgebung, die keine haben, haben es noch heißer. Das ist klimafreundlichen Heiz- und Kühlsystemen nicht der Fall", so Vogl.

Nachdem die MA20 die Zonen festgelegt hat, werden diese mit den Bezirken abgestimmt. "Dann werden die Klimaschutz-Gebiete, ähnlich der Wiener Flächenwidmung, im Gemeinderat beschlossen", ergänzt Kraus.

Klimafreundliche Neubauten sparen bis 2030 rund 112.000 Tonnen Co2-Emissionen

Durch die Maßnahme soll der CO2-Verbrauch der Neubauten um bis zu 80 % gesenkt werden. Die Einsparung entspricht bis 2030 bis zu 112.000 Tonnen CO2. Umgerechnet wären das über 1.000 PKW-Fahrten zum Mond und retour oder über 1,5 Millionen PKW-Fahrten von Wien zum Brenner.

Klimaschutz mit wichtigem sozialen Aspekt

Mit den Klimaschutz-Gebiete, die wir nun in Wien erstmals schaffen, machen wir klimafreundliche Systeme von der Nische zum Standard – ein Meilenstein für die Klimazukunft", betonte Hebein.

Für die frühere Sozialsprecherin Hebein besonders wichtig ist auch, dass die klimafreundlichen Systeme kein Luxus für einige sind, sondern allen zur Verfügung steht. "Schon jetzt leiden Kinder, ältere Menschen und Menschen mit geringem Einkommen besonders unter der Hitze. Das heißt, Klimaschutz hat auch einen sozialen Aspekt, etwa dann, wenn ältere Menschen vereinsamen, weil sie bei der Hitze nicht mehr aus der Wohnung gehen", so Hebein.

Vorzeigebeispiel in der Mühlengrundgasse

Dass klimafreundliche Heiz- und Kühlsysteme schon heute möglich sind, zeigt ein neu errichteter, geförderter Wohnbau des Bauträgers "Neues Leben" in der Mühlgrundgasse in der Donaustadt. Dort werden die Wohnungen mit Erdwarme beheizt und gekuhlt, die Warmepumpe wird mit überschüssigem Windstrom betrieben, und das alles zu leistbaren Kosten, wurde betont.

"Die 5.700 Erdsonden reichen 150 Meter in die Tiefe und ziehen die Erdwärme aus dem Boden. Über eine Wärmepumpe und Rohren in den Betonwänden und Decken der Wohnungen werden die Gebäude im Winter umweltfreundlich gewärmt und im Sommer gekühlt", erklärt Siegfried Igler, Leitung Technik Neubau bei "Neues Leben".

Das System habe nicht nur umweltfreundliche Vorteile, sondern mache sich auch im Geldbörsl der Bewohner spürbar. "Für eine 75 Quadratmeter große Wohnung mit drei Bewohnern zahlt man im Jahr für die Fernwärme zwischen 700 und 800 Euro. Mit unserem System sind es nur zwischen 200 und 250 Euro im Jahr, und da ist dann sogar die Kühlung dabei", so Igler. (lok)