Österreich

Neues Hundegesetz: Bund stellt Rot-Grün Haxerl

Heute Redaktion
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Hundefans: Strache (FP), Gattin Philippa
Hundefans: Strache (FP), Gattin Philippa
Bild: Denise Auer

Jetzt wird der Streit zwischen Türkis-Blau und der Stadt tierisch: Die Bundesregierung nahm gestern das neue Tierhaltegesetz von der Tagesordnung des Ministerrats – und ärgert damit Rot-Grün.

Im Herbst beschloss der Wiener Landtag im dritten Anlauf das neue Tierhaltegesetz, es ist seit 1. Jänner in Kraft.

Eckpunkte: 0,5-Promille-Grenze für Listenhunde-Halter, Beißkorb- und Leinen-Pflicht für Listenhunde sowie ein Zuchtverbot für sogenannte "Kampfhunde".

Der Passus, wonach Hunde nach dem ersten Biss-Vorfall automatisch getötet werden sollen, wurde auf Betreiben der FPÖ abgeschwächt, "Heute" berichtete.

Revanche

Doch die FPÖ ist weiter gegen das "Anlassgesetz", hat nun auch die ÖVP an Bord. Türkis-Blau revanchierte sich gestern für die Wiener Blockade bei der Mindestsicherung:

Beim Ministerrat – der alle Landesgesetze pro forma abnicken muss – rutschte das Gesetz von der Tagesordnung. "Dieser Aufschub hat lediglich symbolischen Charakter", so Martin Glier, Sprecher von Heinz Christian Strache.

Der FPÖ-Chef und Vizekanzler richtet aber einen Appell an Wien, "dieses brutale Tötungsgesetz noch einmal zu überarbeiten", da "zahlreiche Regelungen an den Bedürfnissen der Hunde und ihrer Besitzer völlig vorbeigehen."

Nicht weniger als 15 Kritikpunkte hat Strache an dem Gesetz (siehe heute.at). Von Wiens Tierschutzstadträtin Ulli Sima (SPÖ) gab es gestern keinen Kommentar.

Kritikpunkte am neuen Tierhaltegesetz

• Anlassgesetzgebung fraglich, ob bei einer Verschärfung das verantwortungslose Verhaltung Einzelner überhaupt verhindert werden kann. (Z. Vgl. ist es egal, ob 0,0‰ oder 0,8‰ im Straßenverkehr erlaubt ist, wenn einige Ausreißer mit 2‰ rechtswidrig ein KFZ lenken)

• Die im ursprünglichen Entwurf verursachte Tötungsautomatik wurde nur unzureichend entschärft. Der Erstentwurf sah vor, dass ein Hund, der eine schwer Körperverletzung oder den Tod eines Menschen verursacht hat, in jedem Fall und ex lege einzuschläfern ist. Nunmehr wird die ex lege Tötung dann ausgeschlossen, wenn sich der Verletze selber grob fahrlässig in die Situation gebracht hat. An der grundlegenden Problematik ändert sich dadurch nichts. Außerdem ist fraglich, wie der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit in eigenen Angelegenheiten zu prüfen ist.

• Tötungsautomatik „ex lege" widerspricht auch dem Grundrecht auf Eigentum, da keine Grundrechtsprüfung vorgenommen worden ist und ebenfalls kein gelinderes Mittel zur Anwendung kommen kann.

• Fraglich ist, ob der „Verfall" bzw. die Tötungsanordnung des Hundes bescheidmäßig erfolgt, sodass der Halter ein Rechtsmittel einlegen kann Recht auf ein Verfahren vor der zuständigen Behörde

• Der Prüfer kann die die Absolvierung von 10 Trainerstunden als Auflage vorschreibenes ist weder festgehalten, aus welchen Gründen Auflagen vorzuschreiben sind, noch, welchen Behördencharakter dem „tierschutzqualfizierten Hundetrainer" zukommt, da dies Privatpersonen sind. Ebenso ist nicht geregelt, wie die Trainingsstunden inhaltlich ausgestaltet sind. Ein Privater kann keine bindenden Auflagen erteilen, das kann nur die zuständige Behörde mittels Bescheides. Dagegen muss es auch eine Rechtsschutzmöglichkeit geben. Hingewiesen sei auch darauf, dass Hundetrainer ein massives wirtschaftliches Eigeninteresse an möglichst vielen Schulungen haben.

• Ebenso mit Verfassungswidrigkeit belastet ist die Regelung, der zufolge Hunde als verfallen anzusehen sind, wenn der Halter gesetzliche Auflagen nicht erfüllt hat (§ 5a Abs 9). Wenn, dann müsste der Verfall bescheidmäßig erklärt werden mit den entsprechenden Rechtsschutzmöglichkeiten für den Halter.

• Äußerst problematisch ist auch die zwingend vorgesehene Prüfungswiederholung für Listenhunde nach 2 Jahren, weil bei anderen rechtlichen Berechtigungen wie dem Führerschein ist eine solche nur aus begründetem Anlass vorgesehen. Hundehalter werden dadurch schikaniert.

• Fraglich, inwieweit die Ermächtigung an den Magistrat, zukünftig die Liste der hundeführscheinpflichtigen Rassen zu erstellen, ausreichend determiniert ist, da darüber überhaupt nichts im Gesetz steht. Dadurch wird diese wichtige Entscheidung von der politischen Ebene der Stadtregierung auf die unter dem Weisungsrecht der Stadträtin stehende Beamtenebene verlagert. Es handelt sich um eine formalgesetzliche Delegation, die dem Art 18 B-VG widerspricht.

• Fraglich, inwieweit das Verbot zur Züchtung hundeführscheinpflichtiger Rassen, das zu einem Aussterben einer Gattung führen kann, mit dem Bundesverfassungsgesetz für Nachhaltigkeit, Tier- und Umweltschutz in Einklang steht.

• Problematisch, dass ein Landesgesetz die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizei) als Exekutivorgan bestimmt dafür muss erst die Einwilligung der Bundesregierung eingeholt werden. Der Stadt Wien stehen genügend eigene Aufsichtsorgane zur Verfügung. Politisch bedenklich erscheint es, dass das Vorhaben vor Einholung einer Einwilligung bereits mit dem Wiener Polizeipräsidenten im Rahmen einer PK präsentiert wurde.

• Absolut widersprüchlich sind die Regelungen betreffend Alkoholisierung von Hundehaltern mit Listenhunden. Radfahrer oder e-Scooter Lenker dürfen mit 0,8 Promille unterwegs sein, Hundehalter nur mit 0,5. Fahrradfahren ist aber weitaus gefahrengeneigter als Gassi-Gehen. Darüber hinaus benötigen Radfahrer oder Roller-Lenker keinerlei Sachkundenachweis für ihre Tätigkeit, während alle Hundehalter in Hinkunft einen gesetzlich nicht näher determinierten Sachkundenachweis benötigen. Dahinter steckt politisch gesprochen reine Klientelpolitik: die grün-affinen Radfahrer dürfen machen, was sie wollen. Den Hundehaltern wird das Leben auf alle erdenkliche Weise erschwert.

• Die generelle Maulkorbpflicht – vorerst nur für Listenhunde – ist aus tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten überaus problematisch. Sie verursacht Tierleid und ist außerdem in dieser Generalität absolut überschießend. Es gibt auch im Wiener Stadtgebiet genügend Freiräume, um Hunde ohne Gefahr für Menschen – dort hat ja bisher bereits eine Maulpflicht bestanden – auch ohne Maulkorb laufen zu lassen.

• Das generelle Erfordernis eines Sachkundenachweises für die Anmeldung irgendeines Hundes erscheint ebenfalls unverhältnismäßig. Es verursacht hohen bürokratischen Aufwand, Kosten für die Betroffenen und stellt gerade für ältere Menschen, die sich einen kleinen Hund anschaffen wollen, eine große Hürde dar. Geltung ab 1.7.2019.

• Die restriktiven Regelungen für Listenhunde gelten vom Gesetz her automatisch für jeden Hund, der einen Menschen oder einen Artgenossen einmal (!) gebissen hat, wobei gar nicht näher definiert wird, wann ein Biss im konkreten Fall vorliegt. Reicht etwa ein Zwicken in der Hundezone? Was passiert, wenn sich ein Mensch in eine Rangelei zwischen Hunden einmischt und gezwickt wird? Gänzlich nach Willkür riecht die Regelung, dass ein Hund schon dann als bissig gilt, wenn er einen aggressiven Eindruck hinterlässt. Für bekanntermaßen hundephoben Zuwanderergruppen ist wahrscheinlich jeder Hund aggressiv. Wenn die zuständige Behörde auch diesen Eindruck hat oder sich diesen Eindruck vermitteln lässt, gelten die Regelungen für Listenhunde uneingeschränkt.

• § 33a VStG: Fraglich, ob der Landesgesetzgeber bei der „Querschnittsmaterie" Tierschutz „Beraten statt Strafen" ausschließen kann. Das scheint verfassungsrechtlich problematisch, da dadurch die Bundeskompetenz „Verwaltungsstrafverfahren" ausgehebelt wird (§ 13 Abs 5). Ebenso eigenartig sind die vorgesehenen Mindeststrafen für Verwaltungsübertretungen gemäß § 13 Abs 4 (neu). In anderen Bereichen (Bettelei, Verunreinigung öffentlichen Grundes etc) ist Wien viel großzügiger.