Wien

Neustifter Friedhof: "Kräne und Lärm störten Begräbnis"

Der Neustifter Friedhof in Währing hat über 14.830 Gräber. Doch seit hier Wohnungen gebaut werden, sei es mit der letzten Ruhe vorbei klagen Anrainer.

Louis Kraft
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    2010 wurde der Neustifter Friedhof zu Wiens 1. Umweltfriedhof, nur vier Jahre später entdeckte die Stadt das Potential für den Wohnbau. Der Bau der 70 geförderten Wohnungen, die nun kurz vor der Übergabe stehen, sorgen für Ärger bei den Anrainern.
    2010 wurde der Neustifter Friedhof zu Wiens 1. Umweltfriedhof, nur vier Jahre später entdeckte die Stadt das Potential für den Wohnbau. Der Bau der 70 geförderten Wohnungen, die nun kurz vor der Übergabe stehen, sorgen für Ärger bei den Anrainern.
    privat

    Auf der Webseite der Friedhöfe Wien wird der Friedhof mit seinem freien Ausblick auf die Weinberge des Kahlenberges als wohl einer der "landschaftlich schönsten Begräbnisstätten Wiens" bezeichnet. Dazu kommt, dass der Friedhof durch die idyllische Lage am Fuße des Wienerwaldes auch großes Potenzial als Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten hat.

    Wiens 1. Umweltfriedhof wurde 2014 für den Wohnbau "entdeckt"

    Das erkannte auch die Stadt: Im August 2010 wurde der Neustifter Friedhofs als Wiens "1. Umweltfriedhof Wiens" durch die damalige Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) eröffnet. In Kooperation mit dem "Netzwerk Natur" der Wiener Umweltschutzabteilung MA22 wurden auf dem Friedhof Rückzugsareale für gefährdete Arten, wie etwa Feuersalamander oder Nachtschmetterlinge geschaffen.

    Doch die Idylle hielt nicht lange: 2014 wurden Pläne der Stadt bekannt, die Fläche der Friedhofsgärtnerei auf der Pötzleinsdorfer Höhe beim Tor 3 des Friedhofs für den Wohnbau zu nutzen. Im Jahr darauf gerieten sich die damalige Rot-Grüne Stadtregierung und die Opposition über die Änderung der Flächenwidmung in die Haare.

    Auch Anrainer protestierten und forderten einen Bebauungsstopp für den Friedhof. Insgesamt sammelte die Bürgerinitiative "Rettet den Neustifter Friedhof!" rund 7.000 Unterschriften. Mit dabei war damals auch Wolfgang Schwanke (81). Er hat ein persönliches Interesse an der Wahrung der Totenruhe: Seine Tanten und Onkel sowie mehrere Freunde und sein früherer Chef sind auf dem Neustifter Friedhof begraben.

    "Grabstelle von drei Seiten von Baukränen umstellt"

    Als vor kurzem ein weiterer Freund verstarb, erlebte Herr Schwanke die Auswirkungen der Baustelle auf das Friedhofsleben hautnah: "Die Grabstelle wurde in unmittelbarer Nähe an drei Seiten von Baukränen umstellt. Der Lärm von der Baustelle störte die Verabschiedung. Das ist pietätlos und eine Schweinerei", ärgert sich der Pensionist.

    Geholfen haben die Proteste nicht: Nach rund zwei Jahren Bauzeit steht das Projekt "Wald, wir kommen" des Bauträgers der EBG mit 70 geförderten Mietwohnungen kurz vor der Fertigstellung, die künftigen Mieter sollen bald einziehen. Dass es dann wieder ruhiger wird, glaubt Herr Schwanke nicht: "Wenn die neuen Mieter einziehen, erwarte ich schon, dass es dann zu mehr Lärm kommt", erklärt er gegenüber "Heute". 

    Er fordert nun Maßnahmen, um die Totenruhe und die Würde des Friedhofs zu gewährleisten. Möglich wären etwa höhere Zäune. 

    Naturwacht-Chef kritisiert "Planierung" von Biotop

    Massive Kritik an der Bebauung des Friedhofs übt auch der bekannte Magier und Obmann der Wiener Naturwacht Tony Rey. Er sieht durch den Wohnbau viele Tiere in Gefahr. "So wurde etwa das Biotop, in dem etwa Lurche einen Lebensraum finden sollten, einfach zugeschüttet. Nur das Schild steht noch", ärgert sich Rey. Dafür führt seit 2019 führt auf dem Friedhof ein rund ein Kilometer langer Tiererlebnispfad an 12 Stationen mit unterschiedlichen Themen und Schwerpunkten wie Nisthilfen, Reptilienhabitat oder Kräutergarten vorbei.

    Auch Rey sieht die Ruhe des Neustifter Friedhofs vorbei: "Der Wohnbau ist auf drei Seiten bis zu rund fünf Meter an die bestehenden Gräber heran gebaut worden. Die Totenruhe wird hier gröblichst gegen alle guten Sitten verletzt. Wo bleibt hier die viel gerühmte Wiener Kultur?", fragt sich der Naturschützer. 

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