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Niavarani: "Fang dir nichts mit jungen Frauen an!"

Heute Redaktion
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30 Jahre Ehe liegen hinter "Romeo und Julia" – und der Adler? Der steigt leider nicht mehr. Michael Niavaranis schräge Theater-Komödie feiert am 9.12. Premiere bei ServusTV.

"Ein Trottel kommt selten allein" (Amalthea, ca. 25 Euro), weiß Michael Niavarani in seinem aktuellen Buch – spannend, dass beim Interview im Wiener Metro-Kino gleich drei Stars aus seiner Ehetragödie "Romeo und Julia" (100.000 Besucher im GLOBE Wien) antanzen.

Die Liebenden überleben – aber die Liebe ist tot

In seiner sehr, sehr freien Interpretation des Shakespeare-Stoffes lässt Nia nicht die Liebenden sterben, sondern die Liebe. Er befreit das größte Liebespaar der Welt von seinem Klischee und zeigt, wie es ihnen nach 30 Jahren Ehe geht: Die Kinder sind aus dem Haus, die Geschäfte laufen gut – und plötzlich tauchen eine alte Liebe und eine junge Schauspielerin auf und das Übel ist nicht mehr abzuwenden.

TV-Premiere am 9.12. um 20.15 Uhr

ServusTV zeigt die im März aufgezeichnete Komödie erstmals im Fernsehen. Neben Michael Niavarani (Romeo) wirken mit: Sigrid Hauser (Julia), Otto Jaus (Romeo jun.), Bernhard Murg (Pater Lorenzo, Miss Fuddelfut, Narr, Kardinal), Günther Lainer (Graf Paris), Oliver Rosskopf (Junger Romeo, Capitano Levantino), Susanne Preissl (Junge Julia, Bianca), Hemma Clementi (Fürstin von Verona), Georg Leskovich (Junger Graf Paris, Fürst von Verona), Eva Maria Frank (Beatrice), Pia Strauss (Sophia) und Stefan Altenhofer (Gustavo).

Interview mit Michael Niavarani, Otto Jaus und Bernhard Murg

"Heute": Aus welchen illustren Gestalten setzt sich dieses Triumvirat hier zusammen?

Niavarani: Ich bin der alte Romeo, der seit 30 Jahren mit Julia lebt, weil er seinen Tod nur vorgetäuscht hat, so wie sie auch. Aus dieser großen Liebe entstand Romeo junior, unser geliebter Sohn, gespielt von Otto. Der leidet natürlich unendlich darunter, der Sohn vom romantischsten Liebespaar der Welt zu sein. Er hat's am Schlimmsten erwischt. Die Situation, seit 30 Jahren verheiratet zu sein und sich nicht mehr leiden zu können ist weniger schlimm, als die, immer mit den Eltern verglichen zu werden. Der Narr ist ja der Zeremonienmeister des Stücks, dargestellt von seiner Exzellenz Bernhard Murg. Man kann fast sagen, er ist die Personifizierung des Schicksals, weil er Romeo und Julia zeigt, was passieren würde, wenn sie sich nicht umbrächten und 30 Jahre miteinander lebten. Ein herrlicher Konjunktiv.

"Heute": Der Narr ist also der einzig G'scheite?

Murg: Der hält ihnen den Spiegel vor. Das ist aber erst in den Proben so entstanden. Ich spiele fünf Figuren, die sind alle der Narr. Ich bin letztendlich dafür verantwortlich, dass alles so schiefläuft. Dass jedes Techtelmechtel auffliegt. Am Schluss springen wir zum jungen Romeo vor 30 Jahren zurück und haben quasi eine Katharsis erlebt. Dann wissen sie schon, dass es in 30 Jahren in einer Katastrophe enden wird, entscheiden sich aber trotzdem dafür, zusammenzubleiben.

"Heute": Die zwei sind also doch das größte Liebespaar ever?

Niavarani: Naja, unsere Conclusio ist eigentlich das Gegenteil von dem, was Shakespeare sagt. In einer Zeit, in dem eh jeder mit jedem ins Bett geht und niemand mehr eine Beziehung haben will, weil es eh wieder nix wird, sagen wir: Entscheidet euch für die Liebe, egal, wie scheiße es ausgehen wird.



"Heute": Eine schwere Entscheidung, wenn man vorher weiß, dass irgendwann gar nichts mehr abgehen wird unter der Decke …



Jaus. Ja, so ist das. Der Adler steigt nicht mehr.

Niavarani: Wenn man vom ursprünglichen Stück ausgeht, kann man nicht mehr sagen, wer wen geliebt hat. Sie waren einfach hysterisch ineinander verliebt, haben sich ja erst drei Tage gekannt. Das heißt: Nachdem sie ihren Tod gefakt haben, müssen sie eine Zeitlang so euphorisch glücklich gewesen sein, dass sie ununterbrochen Sex hatten. Also die ersten vier, fünf Monate haben sie es vier Mal am Tag gemacht. Dann kam der Alltag, Romeo wurde ein sehr umtriebiger Geschäftsmann und bekam das erste Burnout. Und damit begann auch die Impotenz. Es gab aber auch damals schon ein blaues Fläschchen, das er braucht. Julia leidet natürlich unendlich darunter, dass der Gatte nichts mehr bringt.

"Heute": Die Moral von der Geschicht: Zuhause jausnen lohnt sich nicht! Ist Ihre Version des Stoffes also eine Anti-Ode auf die Monogamie?



Niavarani: Das ganze Leben ist eine Anti-Ode an die Monogamie.

"Heute": Warum machen Romeo und Julia keine Paartherapie. Bei den Bösels, zum Beispiel?

Niavarani: Dafür ist es zu spät.

"Heute": Welcher Romeo kommt besser an. Der alte Haudege oder der Junge Wilde?

Jaus: Ich glaube, der Junge

Nia: Natürlich der Junge. Sprich's aus.

"Heute": Kann er vom Papa noch was lernen?

Jaus: Eh klar.

"Heute": Und was?

Jaus: Wie man's nicht macht. Nein, Scherz. Es gibt einen schönen Dialog, wo der Vater dem Sohne beibringt, wie man schmachtet.

"Heute": Wie bandelte Niavarani eigentlich mit Shakespeare an?

Niavarani: Er hat sich jahrelang nicht bei mir gemeldet. Plötzlich, als ich 45 war, läutete er an der Türe. Hab ihn zuerst nicht gekannt, hab dann aber mit ihm geplaudert und er stellte sich als Genie heraus. Ich hab mich eh entschuldigt, dass ich ihn in meiner Jugend ignoriert habe. Ich hab ihn immer verweigert, weil ich ihn für bochen hielt. Dachte, da bin ich zu blöd dafür…



"Heute": „Romeo und Julia" ist Shakespeares ordinärstes Stück, sagen Sie. Warum?


Niavarani: Weil im Original extrem deftige Worte vorkommen. Wie die Burschen über Sex reden, ist heftig. Die englische Sprache hat viele Wörter, die mehrere Bedeutungen haben. In der Elisabethianischen Zeit gab's die meisten Ausdrücke für das weibliche und männliche Geschlecht überhaupt. Jedes 10. Wort konnte man davon verwenden, um das Geschlechtsteil in diversen Zuständen zu beschreiben. Von klein und mürb bis groß und prall. Von trocken und traurig bis zur Überflutung. Die Burschen um Romeo herum sind ja eine Gang, die waren bewaffnet, es wurde sehr schnell sehr aggressiv. Die hehre Liebe funktioniert ja nur, weil der Kontrapunkt das Aggressive und Ordinäre ist.

"Heute": Otto Schenk hat mir erzählt, „Gesten der Zärtlichkeit und viel reden" halten seine Ehe glücklich. Was tun Sie, um das zarte Pflänzchen der Zuneigung am Wachsen zu halten?



Niavarani: Das wird der Murg wissen, weil der ist seit 29 Jahren in ein und derselben Beziehung.

Murg: Wir haben drei Kinder, die Beziehung ist nicht ständig am Prüfstand. Wir haben ein gemeinsames Ziel…

Niavarani: Die Scheidung!

Murg: Nein, die drei Kinder zu anständigen Menschen heranformen zu lassen. Und: Trotz großen Freiraums die innige Nähe nicht zu verlieren.

„Heute": Und Herr Jaus, wie gießen Sie?

Jaus: Freiraum ist ganz wichtig und Zärtlichkeit auch. Ich behandle meine Freundin so, wie ich behandelt werden will.

Niavarani: Dir ist das unangenehm, diese Frage, gell?…

Jaus: Nein. Ich schau einfach, dass ich glücklich bin. Dann ist meine Partnerin auch glücklich. Im besten Fall und hin und wieder kleine Geschenke.

Niavarani: Bei mir ist das natürlich umgekehrt: Ich schau, dass die Frau glücklich ist, dann bin ich es auch. Ein Mann hat nur dann ein gutes Leben, wenn seine Frau glaubt, dass sie glücklich ist.

"Heute": Was würde der alte Romeo dem alten Niavarani raten?

Niavarani: „Fang die nichts mit jungen Frauen an, das hat mein Leben zerstört".

"Heute": Und umgekehrt?

Nia: Dasselbe!

"Heute": Sie sind oft sehr müde. Wollten Sie sich nicht ein bisschen mehr Ruhe gönnen?

Niavarani: Das alles gehört ja zu meinem Beruf, auch dieses Interview. Wenn einer Kleider verkauft, muss er ja auch die Auslage dekorieren. Wir dekorieren eben auch gerade die Auslage, damit sich die Leute die DVD kaufen. Zu viele Ruhe geht einem dann ja genau so auf die Nerven, wie Trubel.

"Heute": "Otto ist ein Universalgenie" – diese Nia-Zitat ziert Ihre Homepage, Herr Jaus. Schön prominent sogar…

Niavarani: Da war ich betrunken…

"Heute": Was sagen Sie über Herrn Niavarani?

Jaus: Wenn ich nur halb so viel erreiche, wie der Nia, geb ich mir die Kugel. Nein, er ist auch ein Universalgenie.

Niavarani: Ich bin kein Universalgenie. Ich kann nicht singen, ich kann nicht Klavier spielen, ich kann nicht malen und nicht tanzen. Hab mich zu diesem Satz hinreißen lassen, weil der Otto im Grunde nur eines kann: alles sehr gut. Das Medium, mit dem er auf der Bühne arbeitet, ist immer ein anderes. Es gibt wenige Leute, die den Mundl nachmachen können und von Mozart eine Sonate spielen. Das sit eine Kombi, die sehr selten ist. Man braucht sie nicht so oft, vermutlich gar nicht. Aber diese Ausdrucksmöglichkeiten zu haben, ist großartig. Ist ein riesengroßes Spektrum. Das ist was Einzigartiges.

Murg: Und dazu kommt noch, dass er die Gabe hat, direkt ins Publikum zu strahlen. Er kriegt die Leute sofort.

Niavarani: Deshalb mögen wir ihn. Hassen ihn aber auch. Weil er besser ankommt und mehr verdient. Eigentlich ist er ein Orschloch.

Die Doppel-DVD Box "Romeo & Julia – Ohne Tod kein Happy End" ist mit Textbuch und Programmheft ab sofort im Handel und auf HIER erhältlich.