Wien

"Nichts ist so hart, wie ein Schlafplatz auf Straße"

Auch im Winter schlafen Menschen in Wien auf der Straße oder im Wald. Andreas erzählt, wie schnell das passieren kann. Die Caritas bittet um Spenden!

Thomas Peterthalner
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Andreas C. (52) schlief auf der Straße.
Andreas C. (52) schlief auf der Straße.
"HEUTE"/pet

Andreas (52) weiß aus eigener Erfahrung was es heißt, plötzlich ohne Wohnung in der Kälte zu stehen. "Ich bin im März delogiert worden. Ich habe eine Hose eingepackt, eine Unterhose und noch ein paar andere Sachen. Dann habe ich zehn Tage in einem Wald in Perchtoldsdorf übernachtet." Als Andreas es dort nicht mehr aushielt, schlug er sein Lager auf dem Bahnhof Liesing auf. "Man geniert sich, man versucht sich zu verstecken, schaut auf den Boden. Ich habe gefroren. Wenn man denkt, man schläft, war man in Wirklichkeit nur zwei Minuten weg."

Hilfe in der Caritas-Gruft

Helfer ermutigten Andreas, sich an die Betreuungseinrichtung Gruft der Caritas in der Barnabitengasse 12a in Wien-Mariahilf zu wenden. "Sie kauften mir einen Fahrschein. In der Gruft war noch am selben Tag ein Bett frei", erzählt er. "Zwei Stunden Schlaf kamen mir vor wie eine Woche. Ich konnte mich selbst und meine Wäsche waschen. Mir ist es sofort besser gegangen. Aber von alleine wäre ich nicht hin gegangen. Man hat ein sehr großes Schamgefühl, wenn man von heute auf morgen nichts mehr hat."

Drei Monate lang lebte Andreas in der Gruft der Caritas. Dann ging es bergauf. Der Wiener schaffte es in ein AMS-Programm, seit Juni hat er wieder eine kleine Wohnung im 10. Bezirk. "Ich habe beide Seiten des Lebens kennengelernt." 

Winterhilfe in der Pandemie

Die Caritas unterstützt obdachlose Menschen, bittet um Spenden für das Gruft-Winterpaket. Dieses kostet 50 Euro, besteht aus einem Schlafsack, einem warmen Essen und der Möglichkeit, sich in der Gruft aufzuwärmen.

"Nichts ist so hart wie ein Schlafplatz auf der Straße", so Caritas-Wien-Chef Klaus Schwertner. "Für obdachlose Menschen beginnt mit dem Winter die herausforderndste Zeit des Jahres. Pandemie und Lockdowns verschärfen die Situation zusätzlich. Kein Zuhause zu haben, bedeutet einem täglichen körperlichen und psychischen Ausnahmezustand ausgesetzt zu sein. Wir müssen alles versuchen, damit auch heuer kein Mensch auf der Straße erfriert!"

Streetworkerin Sabine Hanauer, Michal Cieslik (Wiener Linien), TV-Star Katharina Straßer, Betroffener Andreas C. und Caritas-Chef Klaus Schwertner bitten um Spenden für das Gruft Winterpaket. 
Streetworkerin Sabine Hanauer, Michal Cieslik (Wiener Linien), TV-Star Katharina Straßer, Betroffener Andreas C. und Caritas-Chef Klaus Schwertner bitten um Spenden für das Gruft Winterpaket. 
Caritas Wien

Schauspielerin Katharina Straßer unterstützt die Aktion, begleitete vergangene Woche einen Einsatz des Caritas Kältebusses. "Jede und jeder von uns kann einen Beitrag leisten – im konkreten Fall etwa mit einer Spende eines Gruft Winterpakets. Wir werden diese Krise nur gemeinsam bewältigen."

Fast 2.000 Notplätze im Winter

Selbst wenn es derzeit genügend Betten in Wiens Notquartieren gebe, sind einige hundert Menschen akut obdachlos und auf der Straße, berichtet Streetworkerin Sabine Hanauer. "Seit Anfang November sind wir wieder täglich auf Wiens Straßen im Einsatz. Wir verteilen warme Kleidung und winterfeste Schlafsäcke." Insgesamt stellt die Caritas in Wien derzeit knapp 1.930 Notquartiers-, Schlaf- und Wohnplätze zur Verfügung.

Wärmestuben sperren auf

Die Zahl der Notquartiersbetten wurde gemeinsam mit dem Fonds Soziales Wien allein in Caritas Häusern um 140 zusätzliche Betten erhöht. "Jetzt im Dezember öffnen auch die 36 pfarrlichen Wärmestuben wieder ihre Türen", so Schwertner. "Im vergangenen Jahr zählten wir hier mehr als 10.600 Besucherinnen und Besucher an 240 Tagen." 

Damit obdachlose Personen nicht in kalten Öffi-Stationen schlafen müssen, tourt der Caritas Kältebus ab sofort zwei bis drei Mal pro Woche zu Öffi-Stationen in ganz Wien. Die 330 Personen vom Wiener Linien Sicherheits- & Serviceteam sind dabei im engen Austausch mit den StreetworkerInnen der Caritas und melden Schlafplätze. Ein entsprechendes Pilotprojekt startete bereits im Winter 2019, 160 Beratungsgespräche wurden in Öffi-Stationen geführt. Rund ein Drittel der Personen konnte in Notquartiere gebracht werden. Nun wird das Projekt ausgeweitet.

Hilfe in den Öffi-Stationen

Ab heuer wird es rund 45 fixe Tage geben, an denen zwei StreetworkerInnen der Caritas mit dem Kältebus ausschließlich bei Stationen der Wiener Linien auf Tour sein werden. "Der Winter ist für wohnungslose Menschen immer eine besonders schwere Zeit. Viele von ihnen suchen deshalb in U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen Unterschlupf. Unsere Stationen sind jedoch nicht der richtige Platz, um kalte Winternächte zu verbringen. Wir freuen uns deshalb sehr, dass wir in Kooperation mit der Caritas warme Schlafplätze vermitteln können", so Michal Cieslik, Abteilungsleiter Sicherheit und Service bei den Wiener Linien.

Kältetelefon

"Das Caritas-Kältetelefon hilft uns dabei, Schlafplätze zu finden, Schlafsäcke zu verteilen oder Menschen in Notquartiere zu bringen. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Menschen die Nummer in ihr Handy einspeichern, umso zuverlässiger können wir helfen", so Schwertner. In medizinischen Notfällen gelte es nach wie vor, die Rettung zu rufen. Das Caritas-Kältetelefon ist im Winter unter 01/480 45 53 sieben Tage pro Woche, rund um die Uhr erreichbar. 

Bitte um Spenden

"Ohne Spenden wäre ein großer Teil unserer Hilfe nicht möglich. Das gilt in der Gruft und es gilt auch für die mobile Notversorgung der Caritas: Den Kältebus, die Suppenbusse oder der Arztpraxis auf Rädern. Wir können diese Arbeit nur leisten, wenn sie von möglichst vielen Menschen mitgetragen wird", so der Caritas-Wien-Chef. "Unsere Bitte lautet daher: Spenden Sie ein Gruft Winterpaket. 50 Euro für einen winterfesten Schlafsack und eine warme Mahlzeit. Die Hilfe wärmt. Die Hilfe kommt an. Und die Hilfe wird dringend benötigt."

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