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Opa sah Leiche nicht: "Hab nicht auf Boden geschaut"

Heute Redaktion
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Sensationsprozess um ein Familiendrama in Ried (OÖ): Musikgymnasiast Lukas S. gestand, seine Oma Renate (68) getötet zu haben - und sagt zum Start des Prozesses vor Gericht, sein Opa Leopold habe ihn dazu angestiftet. Leopold hingegen bestreitet diesen Vorwurf vehement. Das Gericht prüft nun beide Aussagen. Weitere Zeugen werden in den nächsten Tagen geladen werden. Das Urteil wird für den 6. September erwartet.

Sensationsprozess um ein : Musikgymnasiast Lukas S. gestand, seine Oma Renate (68) getötet zu haben – und sagt zum Start des Prozesses vor Gericht, sein Opa Leopold habe ihn dazu angestiftet. Leopold hingegen bestreitet diesen Vorwurf vehement. Das Gericht prüft nun beide Aussagen, zudem werden weitere Zeugen in den nächsten Tagen verhört. Das Urteil wird für den 6. September erwartet.

Der Geschworenenprozess gegen den 72-jährigen Oberösterreicher und seinen 19-jähriger Enkel hat am Montag im Landesgericht Ried im Innkreis unter großem Interesse begonnen. Dutzende Kiebitze und Medienvertreter drängten in den Verhandlungssaal. Insgesamt 51 Zeugen und zwei Sachverständigen sollen befragt werden. Der Raum war bis auf den letzten Platz besetzt, als ihn die beiden Beschuldigten kurz vor 8.30 Uhr betraten. Mit gesenktem Blick ließen sie minutenlanges Blitzlichtgewitter über sich ergehen.

"Die Oma muss weg"

Mit den Worten "Die Oma muss weg" habe ihn sein Opa mehrmals zum Mord an der 68-Jährigen angestiftet, hatte der geständige Bursch in den Einvernahmen erklärt. Der Teenager - er war zum Tatzeitpunkt am 26. Oktober des Vorjahres 18 Jahre alt - soll sie in Taufkirchen (Bezirk Schärding) mit Axt-Schlägen und Messerstichen getötet haben. Anschließend habe er laut Polizei und Staatsanwaltschaft falsche Spuren gelegt und so einen Einbruch und damit einen Raubmord vorgetäuscht.

Um ein Alibi zu haben, soll der 72-Jährige die Bluttat für einen Abend angeordnet haben, an dem er eine Maturafeier besuchte. Der Mann bestritt bis zuletzt die Anstiftung. Der Enkel, der wie der ältere Angeklagte bisher unbescholten ist, gilt strafrechtlich als "junger Erwachsener". Damit besteht für ihn im Fall einer Verurteilung ein gemilderter Strafrahmen von fünf bis 20 Jahren Haft. Dem Mitbeschuldigten drohen zehn bis 20 Jahre oder sogar lebenslange Haft, wenn er des Beitrags zum Mord schuldig gesprochen wird.

"Das war nicht mehr mein Opa"

Lukas S. sagte vor Gericht aus, dass er aus Angst davor, seinen Großvater zu enttäuschen, die Bluttat begangen habe. "Es war mir nicht möglich, Nein zu sagen. Ich hab befürchtet, dass er mir was antut." Das Verhältnis der Großeltern beschrieb er als angespannt mit zahlreichen Streitigkeiten, seines zur Oma als gut. "Ich hab sie eigentlich immer gern gehabt." Als der Opa das erste Mal gesagt habe, dass die Großmutter weg müsse, sei ihm das noch "befremdlich" vorgekommen. Bei einem weiteren Gespräch sei er "auf einmal ein anderer Mensch" gewesen, habe sich wie ein Kasten mit stechendem Blick vor ihm aufgebaut, habe gedroht, ihm das Leben zur Hölle zu machen. "Das war nicht mehr mein Opa."

Enkel mit Tränen vor Gericht

In der Befragung verstrickte sich der 19-Jährige mehrmals in Widersprüche, an mehrere Details - vor allem zeitliche Abläufe - konnte bzw. wollte er sich nicht mehr erinnern. Als die Rede auf das Gewaltverbrechen kam, stockte ihm wiederholt unter Tränen die ohnehin schon leise Stimme. Er wollte, "dass es sicher vorbei ist", antwortete er auf die Frage der Richterin, warum er mehrmals auf das Opfer eingeschlagen und eingestochen habe. Nach der Tat habe er in Angst gelebt, aufzufliegen, sein Großvater hingegen habe befreit und lockerer als sonst gewirkt und viel gelacht. Rückblickend betrachtet hätte er sich jemandem anvertrauen sollen, sagte der junge Angeklagte. "Es tut mir irrsinnig leid, ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen."

Opa sah Leiche am Boden nicht

Der ebenfalls angeklagte Großvater lieferte vor Gericht eine völlig andere Version als der 19-Jährige. Seine Schilderungen wichen ebenfalls immer wieder von jenen in früheren Einvernahmen ab, und auch er verstrickte sich mehrmals in Widersprüche. "Ich war wie vor den Kopf gestoßen", kommentierte der 72-Jährige das Gewaltverbrechen. Er bekannte sich nicht schuldig und wollte von einer Anstiftung nichts wissen. Über seinen Enkel sagte er: "Ich habe mich in ihm einfach getäuscht."

Er sei nach Hause gekommen, habe an einen Einbruch geglaubt, erinnerte sich der Beschuldigte an die Nacht zum 27. Oktober. Warum ihm seine Frau, die mit offenem Schädel reglos im Wohnzimmer lag, nicht gleich aufgefallen und er zuerst in andere Räume gegangen ist? "Ich habe nicht auf den Boden geschaut", rechtfertigte sich der Pensionist gegenüber der Richterin. "Ich war momentan kopflos." Dass er zuerst bei der Polizei und erst dann bei der Rettung angerufen hat, erklärte der Angeklagte mit seiner "Verwirrtheit". Dass er in beiden Fällen erst am Schluss von seiner verletzten Frau und zuvor von seinem Alibi bzw. einem angeblichen Einbruch berichtete, sei "Zufall" gewesen. "Ich war vollkommen desperat."

"Wollten nochmal von vorne beginnen"

An eine Trennung, wie von seinem Umfeld kolportiert, habe er zuletzt nicht gedacht. Der 72-Jährige räumte ein, dass es in den 1980er-Jahren eine schwere Ehekrise - u.a. wegen einer unehelichen Tochter und wiederholten Seitensprüngen - gegeben habe, man sei kurz vor der Scheidung gestanden. Die Beziehung in den zehn Jahren bis zum Tod der Frau bezeichnete er als harmonisch. "Wir wollten noch einmal von vorne beginnen", sagte der Mann unter Tränen.

Dass er seinen Enkel mit Drohungen zu der Bluttat angestiftet haben soll, stellte er in Abrede. Er hätte ihm auch nie sein Leben zur Hölle machen wollen. "Ich finde keine Erklärung dafür, weil ich ihn als Person überhaupt nicht so eingeschätzt habe", sagte der Opa. Sein Enkel sei nie durch Brutalität aufgefallen, als Musiker - der 72-Jährige war künstlerischer Förderer des 19-Jährigen - brauche man Einfühlungsvermögen.

Der Opa: Frauenheld & Vorbild

Der Bursche, ein begabter Musikgymnasiast, war wie der Opa als Ex- Hauptschuldirektor im Heimatort Taufkirchen hoch angesehen. Die Schwachstellen beider Männer führten zum mörderischen Familiendrama: Denn hinter der spießbürgerlichen Fassade war Dorfkaiser Leopold ein sexsüchtiger Frauenheld, der seine Frau Renate ständig betrog. Nach dem Gottesdienst schluckte er Viagra und fuhr zu Freundinnen.

In Nachtbars und bei Geliebten gab er den Big Spender, bis sein Haus mit 110.000 Euro an Krediten belastet war. Lukas’ Oma soll diese Demütigungen lange ertragen haben – um den Schein der heilen Familie (drei Kinder) zu wahren. Als aber dann über uneheliche Kinder spekuliert wurde, dürfte es der 68-Jährigen gereicht haben: Sie fing an, ihren Mann öffentlich bloßzustellen. Das soll ihr Todesurteil gewesen sein. Blutspuren überführten den Enkel. "Ich habe meine Oma umgebracht, weil Opa es so wollte." Gutachterin Heidi Kastner attestiert beiden Angeklagten "narzisstische Persönlichkeitsstörungen", traut dem Enkel aber nicht zu, aus eigenem Antrieb gemordet zu haben.

Seite 2: So lief die grausige Tat ab!

Staatsanwalt schildert grausigen Tathergang

Der Staatsanwalt stellte in seinem Anklagevortrag ebenfalls den Großvater als Anstifter und den Enkel als Ausführenden des Mordes dar. Der Verteidiger des geständigen 19-Jährigen nannte in der Anklagebeantwortung als Motiv für die Tat das Abhängigkeitsverhältnis zu seinem 72-jährigen Opa. Dessen Anwälte erklärten weiter, ihr Mandant habe mit dem Mord nichts zu tun.

Der Staatsanwalt schilderte als Tathergang: Der junge Mann fuhr mit dem Moped zum Haus seiner Großeltern. Er verfügte über einen Schlüssel. Damit konnte er sich in den Keller schleichen. Dort nahm er eine Axt und ging damit in das Wohnzimmer. Der Angeklagte gab in den polizeilichen Vernehmungen folgenden Dialog wieder: die 69-jährige saß vor dem Fernseher und fragte "Was ist?" Er: "Das kann ich dir nicht sagen." Sie: "Der Opa leicht?" Dann schlug er mit der stumpfen Seite der Axt zu.

Die Frau rettete sich laut Anklage in das Badezimmer und versorgte dort ihre Kopfwunde. Als sie zurückkehrte habe der Enkel wild mit der Hacke auf sie eingeschlagen und ihr dabei den Kopf zertrümmert. Trotzdem habe er noch mit einem Messer fünfmal in die Brust gestochen. Danach habe er die gläserne Verandatür von außen eingeschlagen, sei mit dem Moped davongefahren, habe die Tatwaffe im Pram-Fluss versenkt und fast seine gesamte Kleidung in einen Container geworfen.

W. Höllrigl/Red.