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"Mama ist wegen Opernball fassungslos"

Heute ist der Ball der Bälle: "Heute"-Reporterin Amra Duric über zu enge Ballroben, Familienstolz und ihren ersten Opernball.

Heute Redaktion
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Jetzt ist es also soweit. Nach knapp sechs Jahren bei "Heute" darf ich heute auf den Opernball gehen. Ich denke, ich bin jetzt in Österreich voll integriert. Am Heimweg rief ich sofort meine Mutter in Tirol an, um ihr die frohe Botschaft zu verkünden. "Ne mogu vjerovati", freute sie sich. ("Ich kann es nicht glauben", für alle die kein bosnisch sprechen.) 2020 ist wohl ein gutes Jahr für Frauen mit Migrationshintergrund. Alma Zadic ist Justizministerin, ich darf in der Wiener Staatsoper Promis auflauern. Wir sind beide Flüchtlingskinder, beide aus Bosnien – auf dem gleichen Level quasi. Zumindest wenn es nach meiner Familie geht.

Opernball wird zum Kriegsgebiet

Im Freundeskreis hingegen hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Den Ball der Bälle schaut da niemand. Hätte ich angekündigt, dass ich Dominic Thiem oder Roger Federer interviewen darf, hätten sie sich wohl an ihrem Bier verschluckt. Journalistenkollegen hingegen rissen bei meiner Opernball-Nachricht die Augen weit auf und schlugen sich die Hand vor den Mund. "Du Arme, tut mir wirklich leid, dass du dahin musst." Puh, ok. Dass es stressig wird, war mir schon klar, aber ich gehe doch "nur" auf einen Ball. Es ist ja nicht so, als ob ich mitten in einem Kriegsgebiet stehen und live vor Ort berichten würde. "Es ist extrem viel los, du bist ewig unterwegs und alles ist irrsinnig teuer", wetterte eine Kollegin. Die war wohl noch nie auf einer Balkanhochzeit. Gut, ich mein für Cevapcici und ein Wasser würde niemand 30,50 Euro verlangen. Aber dafür ist Richard Lugner da. Da greift man doch gern mal ein wenig tiefer in die Tasche, oder?

Kleider machen Balkan-Leute

"Dresscode: Bodenlanges Abendkleid" – der erste Punkt auf der Opernball-Agenda. Ein richtiges Ballkleid habe ich das erste und letzte Mal vor zehn Jahren gekauft – für meinen Maturaball. Spoiler: es passt nicht mehr. "Du bekommst ein Kleid geliehen", wurde mir in der Redaktion erklärt. Wow! Ein echter Designer leiht MIR eine Robe. So müssen sich Hollywood-Stars fühlen, denke ich mir. Im Atelier des Modemachers Niko Niko landete ich dann ziemlich schnell – und hart – am Boden der Tatsachen. Denn: Die schönen Roben waren einfach zu eng, zwickten oder hatten eine zu lange Schleppe, die mir das Arbeiten am Ball unmöglich machen würde. Wenn sich so Hollywood-Stars fühlen, will ich wirklich keiner sein. Nach gefühlt 100 Kleidern hatte ich endlich ein passendes gefunden. Keine Stunde später saß ich, etwas bodygeshamed und mit einem Salat, wieder in der Redaktion.

Als ein Mail eintrudelte, fragte ich mich kurz, ob meine Anprobe auf Instagram gestreamt wurde: "In 34 Minuten zur Wunschfigur, dank Kryolipolyse", stand in der Nachricht. Einfach das Fett wegfrieren lassen also. Kurz brachte mich das Mail zum Grübeln, den Gedanken verwarf ich aber schnell wieder. Denn sollte diese Fett-Weg-Behandlung wirklich funktionieren, müsste ich ja wieder zum Designer und ein neues Kleid anprobieren. Das würde ich psychisch kein zweites Mal schaffen. Um mein Selbstbewusstsein etwas aufzupolieren schickte ich meiner Mutter Fotos von mir im Ballkleid. Ein bisschen wie eine Prinzessin fühlte ich mich ja schon. Eine, die halt gerne Kuchen isst.

(Video: Die heurige Damenspende)

Wenn die Familie mitfiebert

Keine Sekunde später klingelte schon mein Telefon. "Du siehst umwerfend aus. Darfst du das Kleid behalten?", fragte meine Mutter ganz gespannt. "Nein Mama. Der Designer hat mir das Kleid nur geliehen. Ich muss es dann zurückgeben. Und was soll ich überhaupt mit so einer Robe. Die ziehe ich ja nie mehr an." Mutter sah das Ganze natürlich anders: "Sicher kannst du das nochmal anziehen. Zum Beispiel wenn du auf eine Hochzeit gehst." Na die Braut wird sich freuen, dachte ich mir. "Ich habe schon allen Verwandten das Foto von dir im Kleid geschickt", holte mich Mama wieder ins Gespräch zurück. Dank ihr hatten mich nun sogar die entferntesten Familienmitglieder in Bosnien, Schweden, Deutschland und den USA auf ihrem Handy. Danke Mama.

"Ich kann es noch nicht fassen, dass du tatsächlich dort sein wirst. Alle sind so stolz. Auf den Opernball gehen ja nur reiche Leute", erklärte sie mir, fast den Tränen nahe. "Bitte schick mir am Freitag ganz viele "Heute"-Ausgaben nach Tirol. Die muss ich dann den Verwandten senden", ermahnte sie mich noch. Das Einzige was für meine Familie wohl noch den Opernball-Auftritt übertreffen würde, wäre ein Live-Bericht von "Zvezde Granda" (Balkans größte Castingshow). Nächstes Jahr dann, vielleicht.

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