Politik

ORF-"Sauerei", GIS-Ende – die pikanten Geheim-Chats 

Im Chat-Skandal gibt es neue Enthüllungen rund um den ORF. Die pikanten Nachrichten zeigen, wie der Sender umgebaut werden sollte.

Rene Findenig
Neue Chats enthüllen einen Masterplan, wie der ORF hätte umgebaut werden sollen.
Neue Chats enthüllen einen Masterplan, wie der ORF hätte umgebaut werden sollen.
Johanna Schlosser / picturedesk.com

Die publik gewordenen Chats von ORF-TV-News-Chefredakteur Matthias Schrom mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sind nur die Spitze des Eisbergs. Schrom selbst ließ sich bereits beurlauben und trat schließlich zurück, doch das Nachrichtenmagazin "profil" enthüllt nun weitere, ganz neue Chat-Nachrichten, in denen ein großer Umbau des ORF geplant wurde. Die Nachrichten sollen laut dem Bericht einem "166-seitigen Auswertungsbericht" der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) entstammen und vor allem die Sender-Umbaupläne der ehemaligen Regierungspartei FPÖ belegen.

Begonnen habe der Chat-Plan demnach spätestens 2018, als der damalige FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky dafür eine eigene WhatsApp-Gruppe eingerichtet und darin den damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, den FPÖ-Medienbeauftragten Hans-Jörg Jenewein und den späteren ORF-Stiftungsratsvorsitzenden Nobert Steger sowie Johann Gudenus und weitere Beteiligte eingeladen hatte. In einer der ersten Nachrichten noch vor der ORF-Chat-Gruppe bedankte sich ein Unternehmer für seinen ORF-Aufsichtsratsposten bei Strache. Dieser wolle "ein neues Zeitalter".

Danach ging es offenbar in der ORF-Chatgruppe los, Vilimsky verlangte im April 2018, dass alle Maßnahmen mit Bezug auf den ORF in der Gruppe zu posten oder mit ihm persönlich zu besprechen seien. Direkt danach wurde offenbar bereits am Posten von ORF-General Alexander Wrabetz gesägt. FPÖ-Grande Norbert Hofer sei der "festen Überzeugung" gewesen, dass "Wrabetz nicht der richtige Mann an der Spitze des ORF ist". "Wrabetz darf nicht verlängert werden", kam von Vilimsky. Kurze Zeit später beklagte Strache, dass der Koalitionspartner ÖVP "von Wrabetz alle Redakteurswünsche" erfüllt bekomme.

"Dazu muss wer rausgeschmissen werden!!!!"

Ende April 2018 dann eine Erfolgsmeldung von Vilimsky: Man komme langsam mit der ÖVP bei einer ORF-Reform überein, deren Baustein auch eine "Überführung der Gebührenfinanzierung in das Bundesbudget", also eine Abschaffung der GIS-Pflicht, beinhalten würde. Umsetzungszeitpunkt sei aber frühestens 2020 hieß es. Im Oktober ging es dann wieder um den ORF-Chefsessel. Als Kandidat wurde zwischen Strache und Gudenus der ORF-Stiftungsrat Franz Maurer als "treuer Vollprofi" genannt. Für den damalige FPÖ-Politiker Peter Sidlo wurde dagegen ein Posten bei den Casinos Austria angeregt.

Im November meldete sich dann Steger als neuer ORF-Stiftungsrats-Vorsitzender und zeigte sich überrascht, dass der ehemalige ORF-Finanzdirektor Richard Grasl in die "Kurier"-Chefredaktion wechselt. Mit Strache diskutierte Steger schließlich über einen neuen "ORF-Generalsekretär" zu Ganden der FPÖ und einen neuen ORF-Generaldirektor für die ÖVP. "Details mündlich", hieß es. Strache zeigte sich erfreut: "Das wäre top! Bitte dorthin verhandeln." Vollkommen auf Angriff hing man dann im Jänner 2019, auch in Hinsicht auf die GIS-Gebühr, aber auch die ORF-Mitarbeiter.

Strache und Vilimsky regten erst eine Entlastung um 320 Euro im Jahr "für die Abschaffung der GIS Gebühren" an, das von den "ORF-Verhandlern" ausgedealt werden müsse. Steger gab allerdings zu bedenken: "Ohne Personelles wird trotzdem kein einziger FP-Beitrag objektiver oder freundlicher werden! Dazu muss wer rausgeschmissen werden!!!!" Strache ging das offenbar nicht weit genug, er forderte ein neues ORF-Gesetz, "wo totale Personalrochaden, Neubesetzungen möglich werden". Steger enttäuschte ihn: "Blümel blockiert! Ein weiteres Jahr Rotfunk!" Blümel arrangiere sich da mit "den Roten". 

"VP will keine Reform... nur VP-Linie im ORF stärken"

Wenige Tage später brachte Strache seine Forderung direkt beim damaligen ÖVP-Minister Gernot Blümel und dem ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz ein: "Bezüglich ORF-Reform bestehen wir auf Umsetzung." Im Februar 2019 ging es Strache noch immer nicht schnell genug. Er schrieb an Vilimsky: "VP will keine Reform... nur VP-Linie im ORF stärken." Kurze Zeit später rief Strache eine neue Suche nach einem ORF-Boss aus: "Brauchen Vorschläge für loyalen Top-Direktor!" Er selbst nannte die Namen "Maurer, Braun". Gudenus zeigte sich mit beiden Vorschlägen zufrieden: "Finde beide gut."

Kurz darauf meldete sich laut "profil" ORF-Stiftungsrat Gerhard Anderl bei Strache, um ihn vor "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak (der wegen der Chat-Affäre seine Funktion ruhend stellen musste) als möglichen ORF-Generaldirektor zu warnen. "Er ist nicht unser Freund", so Anderl, er schätze ihn "wesentlich feindseliger als Wrabetz" ein. Mitte Februar kam es dann zum bereits bekannten Chat-Skandal zwischen Strache und Schrom (der mittlerweile zurücktrat), in dem sich Strache über ein ORF-Interview mit Kritik an der FPÖ beschwerte. Schrom antwortete bekanntlich, dass die Verantwortlichen wissen sollten, dass sie "nicht unterm Radar" seien und im ORF die, "die glauben, die SPÖ retten zu müssen", weniger würden.

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    2015 lernte Thomas Schmid den Investor <strong>Ronny Pecik</strong> (im Bild mit seiner Frau Waltraud) kennen. Im beruflichen Kontext entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen dem ÖVP-Generalsekretär und dem Telekom-Aufsichtsrat.
    2015 lernte Thomas Schmid den Investor Ronny Pecik (im Bild mit seiner Frau Waltraud) kennen. Im beruflichen Kontext entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen dem ÖVP-Generalsekretär und dem Telekom-Aufsichtsrat.
    Gilbert Novy / KURIER / picturedesk.com

    Von einem Austausch von Teilen des Managements träumte zeitgleich ORF-Stiftungsrat Franz Maurer in einer Nachricht an Strache: "Ich bin bereit, bei allem mitzumachen, aber wir brauchen die Schwarzen dazu." Strache gab das direkt an Blümel weiter und beklagte eine Verzögerung: "Wir müssen jetzt auf eine ORF-Reform bestehen bis Juni... Die Berichterstattung ist ein Irrsinn!" Für einen neuen Eklat sorgte wenig später die Ausstrahlung von David Schalkos Serie "M - Eine Stadt sucht einen Mörder", in der Politiker dem damaligen Innenminister Herbert Kickl und dem Kurz glichen. 

    "Insgesamt aber eine unglaubliche Sauerei!!!"

    Durch diese ORF-"Attacken auf Bundeskanzler, Vizekanzler und die Regierung" sah Steger "die Türe" zu Verhandlungen zu einer ORF-Reform weit aufgehen und forderte, Hofer als Koordinator in die Verhandlungen zu schicken. Aber: "Bitte Hofer bei konkreten Personalfragen bremsen", so Steger. Man wolle zudem noch nichts öffentlich kommunizieren, "bevor VP öffentlich empört ist! Insgesamt aber eine unglaubliche Sauerei!!!". Im März meldete Hofer schließlich Fortschritte bei den Verhandlungen, Strache wollte der FPÖ dabei laut Chats den ORF-Vorstand für Digital und Radio und die Bereiche Personal und Finanzen sichern, Steger wiederum den Betriebsräten das Stimmrecht bei Personalentscheidungen entziehen.

    Im April schließlich fiel "Presse"-Chefredakteur Nowak offenbar endgültig in Ungnade nach einem Kommentar zu einem möglichen Kollaps der türkis-blauen Koalition. "Das ist der neue Generaldirektor des ORF!", wetterte Steger und wünschte allen "viel Glück", die ihn möglichst schnell als neuen ORF-Chef haben wollten. Ende April sollte schließlich das GIS-Ende beschlossen werden. Strache schrieb: "Kurz will noch etwas zusätzlich für die Industrie als Entlastung ... da stimmen wir nur zu, wenn uns die GIS-Abschaffung Ende 2021 schriftlich (sideletter) zugesichert wird..."

    Zwei Monate später sprengte allerdings das Ibiza-Video die FPÖ aus der Regierung und Strache von seinem Posten und Nowak sagte sich von den ORF-Chef-Plänen "los": "Unter den gegebenen Rahmenbedingungen hätte ich das nicht gemacht." Für Strache habe Nowak als ORF-Generaldirektor dagegen "sehr fix" geklungen. Seitenhieb von Nowak auf die ÖVP: "Seit wann glaubst du der ÖVP zu 100 Prozent?" Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.