Welt

Österreichische Geisel in Algerien befreit

Heute Redaktion
14.09.2021, 03:17

Das Außenministerium bestätigte am Freitag, dass die niederösterreichische Geisel Christoph Z. (36) in Algerien befreit worden ist. Der Akademiker, der für BP arbeitet, ist wohlauf und befand sich Samstagmittag auf dem Weg nach Österreich.

Der 36-jährige Niederösterreicher, der das Geiseldrama auf dem Gasförderfeld in Algerien unbeschadet überstand, ist laut Außenamtssprecher Martin Weiss inzwischen auf der US-Militärbasis Ramstein im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz gelandet. Er befand sich in einer Maschine, die in der Nacht auf Samstag auch andere Personen transportierte, die von dem Überfall auf die Gasanlage betroffen waren.

Der Niederösterreicher, stammt laut "Kurier" aus Zwettl und ist ein Absolvent der Montan-Universität Leoben. Der Mann arbeitet für den britischen Öl-Multi BP. Der Zwettler befinde sich derzeit in Deutschland und werde laut seiner Mutter wahrscheinlich in den nächsten Stunden zu Hause ankommen, sagte Zwettls Vizebürgermeister Johannes Prinz Samstagmittag. Genauere Auskünfte wolle die Familie aus Sicherheitsgründen aber nicht geben, betonte er.

Frohe Botschaft am Freitag

"Wir haben soeben vom algerischen Außenminister die erfreuliche Information erhalten, dass der Österreicher, der sich auf dem befand, in Sicherheit ist. Die Familie wurde von uns umgehend darüber informiert", sagte Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger. Der Krisenstab im Außenministerium war im laufenden Kontakt mit den algerischen Behörden, um gesicherte Informationen zu erhalten.

Österreicher hat schon mit Familie telefoniert

Der Österreicher, der sich in Algerien unter den Opfern der Geiselnahme befand, hat sich bei seiner Familie und auch der österreichischen Botschaft in Algier gemeldet. "Ihm geht es gut", hieß es aus dem Außenministerium am Freitagnachmittag. Der 36-jährige Ölarbeiter aus Niederösterreich habe sich während der Geiselnahme versteckt. Die Familie sei "sehr erleichtert".

Tage nach Beginn des Geiseldramas in der algerischen Wüste haben sich in der Nacht auf Samstag immer noch rund 30 Menschen in der Gewalt islamistischer Terroristen befunden.

"Das war ein Albtraum"

Nach dem Angriff islamistischer Geiselnehmer auf die Gasförderanlage in Algerien haben weitere Überlebenden über ihre Erlebnisse berichtet. "Das war ein Albtraum, eine schreckliche Situation, es gab Tote", sagte der Algerier Belhadj per Telefon der Zeitung "Le Monde". Ein Franzose versteckte sich unter seinem Bett und entkam später. An einigen Geiseln befestigten die Islamisten offenbar Sprengsätze.

Zur Zeit des Angriffs auf die Gasanlage von Tigantourine am Mittwoch sei er mit 60 anderen Mitarbeitern in der Kantine des Wohntrakts gewesen, erzählte der Algerier Belhadj. Zunächst habe sie niemand behelligt. Offenbar griffen die Geiselnehmer zuerst einen Bus mit ausländischen Mitarbeitern an. Doch als am frühen Morgen die algerische Militärintervention begann, seien rund 15 vermummte Angreifer in das Kantinengebäude eingedrungen. "Sie sagten uns: 'Algerische Brüder, habt keine Angst, geht in Frieden, kehrt nach Hause zurück, wir sind alle Brüder, wir sind alle Muslime.'"

Toter US-Bürger

Zu dem Zeitpunkt hätten sie sich auf dem Dach befunden. Einer der beiden US-Mitarbeiter, die bei ihnen waren, sei unbemerkt vom Dach gesprungen, doch den anderen hätten die Islamisten angeschossen. Offenbar sei er verblutet, sagt Belhadj. Mit seinen Kollegen und dem überlebenden US-Bürger, den die Islamisten offenbar nicht erkannt hätten, sei er schließlich mit einem Bus in Sicherheit gebracht worden.

Die Geiselnehmer hatten den Stopp der französischen Militärintervention gegen islamistische Milizen im Norden Malis gefordert. Algerien lehnte jede Verhandlung mit den Angreifern ab und griff sie am Donnerstag mit Luft- und Bodenstreitkräften an. Am Freitag dauerte der Einsatz in dem ausgedehnten Industriekomplex in der Wüste unweit der Grenze zu Libyen offenbar immer noch an.

"Habe mich 40 Stunden im Zimmer versteckt"

"Ich habe mich fast 40 Stunden lang in meinem Zimmer versteckt", sagt der örtliche französische Leiter der Cateringfirma CIS Catering, Alexandre Berceaux, dem Sender "Europe 1". Er habe die ganze Zeit mit einem bisschen Essen und Trinken unter seinem Bett ausgeharrt. Es sei während der Geiselnahme "in Abständen viel geschossen" worden. Nach dem Alarm habe er zunächst nicht gewusst, ob es sich nur um eine Übung handle.

Zur Lage vor Ort sagte Berceaux: "Es gibt tote Terroristen, Ausländer, Einheimische." Demnach gab es einen Verletzten im Lager der Kantine. Drei Briten seien gerettet worden, die sich dort hinter einer Zwischendecke versteckt hätten. Der Firmenchef von CIS Catering, Regis Arnoux, sagte im französischen Fernsehsender BFMTV, Berceaux sei von den algerischen Mitarbeitern während der Geiselnahme versorgt worden. Inzwischen seien alle 150 Angestellten der Firma sicher in der nahen Stadt Assi Messaoud beziehungsweise zurück in der Hauptstadt Algier. "Es gab Mut, es gab Solidarität, doch gab es auch Glück", sagte Arnoux zum Ausgang des Angriffs für seine Angestellten.

Spindelegger kritisiert Behörden

Über die Handhabung der Situation durch die algerischen Behörden zeigte sich Außenminister Michael Spindelegger  nicht erfreuter als politische Vertreter der anderen betroffenen Staaten: "Wir wurden ebenso wenig wie die anderen Partner über die Militäroperation der Algerier informiert", ärgerte sich Spindelegger. Oberste Priorität müsse für alle die Sicherheit und die Gesundheit der Geiseln sein.

Bereits vor der Geiselnahme in der algerischen Wüste warnte das Außenministerium in Wien Österreicher vor Reisen in den nordwestafrikanischen Staat - unter Bezugnahme auf die Militärintervention in Mali "vollständig" vor allem vor Reisen in den Süden des Landes. Aber auch im Rest des riesigen Landes solle "erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag gelegt und Kontakt mit der Botschaft gehalten werden", heißt es auf der Homepage des Außenamtes.

Seite 2: Einsatz dauert an, noch sieben Ausländer in Hand der Terroristen!

Einsatz dauert an

Die algerische Armee war mit Boden- und Luftstreitkräften gegen die Geiselnehmer vorgegangen. Ein etwa 1.300 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Algier aber immer noch teilweise unter Kontrolle. Die Belagerung der Gasförderanlage bei In Amenas dauerte Freitagabend weiter an.

Sieben Ausländer noch festgehalten

Es sickerte durch, dass die Kidnapper noch sieben ausländische Geiseln festhalten. Insgesamt waren es in Algerien 132 ausländische Geisen gewesen. Es handle sich um drei Belgier, zwei US-Bürger, einen Japaner und einen Briten, meldete die Nachrichtenagentur ANI unter Berufung auf das Umfeld des islamistischen Kommando. Die Al-Kaida nahestehende Gruppe "Die mit Blut unterzeichnen" hält die Geiseln demnach in der Anlage fest, von der sie einen Teil beim Angriff der algerischen Armee weggesprengt habe.

Zuvor hatte die algerische Nachrichtenagentur APS unter Berufung auf Sicherheitskreise gemeldet, seit Beginn des Befreiungseinsatzes der Armee am Donnerstag seien zwölf Geiseln getötet worden. Nach Angaben des französischen Außenministers Laurent Fabius war unter den Toten auch ein Franzose. Auch 18 Geiselnehmer seien bislang gestorben.

"Die terroristische Bedrohung besteht noch"

"Wir haben es immer noch mit einer sich ständig ändernden und gefährlichen Lage zu tun", sagte Großbritanniens Premierminister David Cameron. "Die terroristische Bedrohung wurde in einem Teil der Anlage eliminiert, aber sie besteht noch in einem anderen Teil." Die islamistischen Attentäter drohten mit neuen Angriffen auf ausländische Einrichtungen in Algerien, das in hohem Maß vom Energie-Export abhängig ist. Die internationalen Ölkonzerne begannen damit, in großem Stil Personal abzuziehen.

Angesichts der zu befürchtenden Opferzahl geriet die algerische Regierung zunehmend in die Kritik von Staaten wie Großbritannien und Japan. Großbritannien hätte sich gewünscht, vor dem Zugriff konsultiert zu werden, ließ Cameron über einen Sprecher ausrichten. Eine für Freitag geplante und mit Spannung erwartete Rede zur Europa-Politik hatte er zuvor abgesagt. Der französische Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault bezeichnete den Tod von Geiseln als erschütternd. Die japanische Regierung nannte das Vorgehen der algerischen Armee bedauerlich.

USA: "Verhandeln nicht mit Terroristen"

Auch Amerikaner befinden sich noch in der Hand der Geiselnehmer, wie das US-Außenministerium bestätigte. Die US-Regierung wies Forderungen nach einem Gefangenenaustausch jedoch zurück. "Die Vereinigten Staaten verhandeln nicht mit Terroristen", erklärte das Außenministerium in Washington. Ein Einheimischer sagte, ein US-Flugzeug sei nahe der algerischen Gasförderanlage gelandet, um Geiseln in Sicherheit zu bringen. Ob ein Zusammenhang bestand, war nicht klar.

Es gibt neue Nachrichten auf Heute.atZur Startseite