Gesundheit

"Patienten haben nach der Intensivstation Dachschaden"

Martin Tramèr ist Chef der Anästhesie im Unispital Genf. Im Interview erzählt er, welche schwerwiegenden Folgen eine Intensivbehandlung haben kann.

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Tükisch: Die Gefährlichkeit der Corona-Krankheit sei im Alltag nicht so offensichtlich, sagt der Anästhesist.
Tükisch: Die Gefährlichkeit der Corona-Krankheit sei im Alltag nicht so offensichtlich, sagt der Anästhesist.
Screenshot/20 MInuten

Grundlegend gebe es zwei Patientengruppen auf der Intensivstation, sagt Martin Tramèr, Chef der Anästhesie im Unispital Genf: "Ältere Patienten bis maximal 80 Jahre. Die sind meist zweimal geimpft, haben den Booster aber noch nicht. Und die jüngere Gruppe. Das können 30-Jährige sein, die schwer erkranken und überhaupt keinen Schutz haben. Sie sind zwar jung und hätten beste Voraussetzungen, wieder heil aus dem Spital zu kommen, aber sie sind einfach schwer krank." Diese Patienten bleiben lange im Pflegebett und werden beatmet. Das hat Folgen.

"Denn man kann nicht vier Wochen unter Vollnarkose beatmet werden und dann meinen, man isst einen Teller Spaghetti und geht wieder nach Hause - so läuft das nicht", betont der Mediziner. "Die haben geschädigte Lungen und müssen in die Rehabilitation. Die haben geschädigte Organe und auf Deutsch gesagt, einen Dachschaden."

Gefährlichkeit der Krankheit im Alltag nicht so offensichtlich.

Angesprochen auf Impfunwillige meint er: "Es ist schon ein kleines Phänomen: Man hat einen so guten Impfstoff, selten war einer so wirksam und sicher. Hunderte Millionen Dosen wurden schon verabreicht. Und dann gibt es immer noch Leute, die sagen, sie wollen das nicht." Dieser Teil der Bevölkerung würde die Krise als zu wenig brutal und einschneidend wahrnehmen, weil die Gefährlichkeit der Krankheit im Alltag nicht so offensichtlich ist. "In der Stadt sieht man ja keine kranken Leute. Es liegt niemand im Straßengraben mit Eiterbeulen im Gesicht oder spuckt Blut."

Der leitende Arzt fragt sich manchmal, ob man diese Krankheit den Menschen nicht besser hätte aufzeigen können und sagen, wie schlimm sie wirklich ist. "Wir können hier im Spital keine Führungen machen wie im Zoo. Wir können den Leuten nicht sagen: 'Kommt mal vorbei, wir zeigen Euch alles. Gehen wir mal auf die Akutstation, dann seht ihr, wie schwer die Patienten atmen und warum sie überhaupt hier sind'. Aber die Leute glauben es nicht. Da kann ein Arzt noch so oft sagen, man soll aufpassen." Eine solche Führung hätte man allen Politikern geben sollen - so seine Meinung.

Alle gleich behandeln

Für Tramèr kommt es unterdies nicht infrage, bei der Behandlung von kranken Patienten zwischen Geimpften oder Ungeimpften zu unterscheiden. "Alle werden gleich behandelt" - dafür setzt er sich ein.

In Österreich dürfte ein Arzt, der auf privater Basis oder als Wahlarzt arbeitet, ungeimpfte Patienten tatsächlich ablehnen. Ärzte mit Kassenvertrag jedoch nicht. "Heute" hat darüber berichtet.