Szene

Viele Beatles-Hits, dichter Rauch und ein Antrag

Mit Paul McCartney gab einer der ganz großen Musiker unserer Zeit ein Konzert in Wien. Und das spielte mehr als nur die besten Beatles-Songs.

Heute Redaktion
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Über Musik lässt sich ja bekanntlich streiten. Nicht jeder Ton ist auch für jedes Ohr bestimmt, und was einem vor Glück den Puls ansteigen lässt, sorgt bei anderen nur für verständnisloses Achselzucken. Doch es gibt ein paar Musiker, die über jeden Zweifel erhaben sind und auf die sich (fast) alle einigen können.

Mit Sir Paul McCartney stand am Mittwochabend einer dieser oben erwähnten für das erste von zwei Konzerten auf der Bühne der Wiener Stadthalle. Kaum ein anderer noch lebender Künstler hat durch sein Schaffen mehr Einfluss auf die Populärmusik ausgeübt wie der mittlerweile 76-jährige Mann aus Liverpool. Mit den Beatles lieferte er in den 1960ern die Hit-Blaupausen für die nachfolgenden Generationen.

In etwas weniger als drei Stunden Spielzeit trat er den Beweis an, dass diese zeitlosen Produkte genialer Kreativität auch fast 60 Jahre später noch zu zünden wissen.

Kurz vor 19:30 Uhr, das eigentlich als Ankickzeit angegeben worden war, standen sich noch hunderte Fans in der frischen Dezembernacht äußerst diszipliniert in Zweierreihen die Füße vor der Stadthalle in den Bauch. Doch es sollte noch bis 20:15 Uhr dauern, ehe Paul McCartney gefolgt von seinen Mitmusikern die Halle betrat. Bevor noch ein erster Ton gespielt wurde, gab es für die lebende Legende Standing Ovations und tosenden Applaus. Mit seinem immer noch spitzbübischen Lächeln und viel Winken erwiderte Paul den herzlichen Empfang.

Fetziger Einstieg ins Set

Bewaffnet mit seinem Höfner 500/1-Bass, der immer noch sein Signature-Instrument ist, legte er, ohne ein Wort gesprochen zu haben, gleich mit "A Hard Day's Night" los. Sofort stürmten zahlreiche Fans von ihren Sitzplätzen (Stehplätze gab es keine) direkt vor die Bühne, wo sie dann auch den Rest des Konzertes weiter feierten.

"Thank you. Grüß euch Wien. Servus Österreich. Österreich. Heute versuche ich ein bisschen österreichisch zu sprechen", waren nach der zweiten Nummer die ersten Worte, die er ans Publikum in der annähernd ausverkauften Stadthalle richtete. Für seine 76 Jahre wirkt er dabei absolut agil, lebensfroh und absolut nicht seinem Alter entsprechend.

Seine ganz passablen Deutschkenntnisse, auch wenn sie von einem Zettel abgelesen werden, zogen sich weiter durch die Show und wirkten nie aufdringlich oder platt sondern immer charmant. Sie kommen immerhin von einem Sir. "Das folgende Lied ist neu. How do you like my German", fragte er vor einem Titel seines aktuellen Albums "Egypt Station", eher verschmitzt als verlegen.

Clapton wollte Hendrix nicht helfen

Von fast allen Plätzen aus der Stadthalle gut sichtbar stand im vorderen Teil der Parkettsitzplätze ein Pärchen aus Japan, dass mit Fluglotsen-Leuchten jeden gespielten Takt auf der Bühne visuell mitlebten. Paul begrüßte sie persönlich von der Bühne herab, sie folgen ihm und seiner Band bereits seit den Auftritten in Fernost.

Vor dem Wings-Song "Let Me Roll It" für den sich McCartney erstmals von seinem Bass trennte und ihn gegen eine handbemalte Gibson Les Paul tauschte, kam es zum ersten und einzigen Kleidertausch auf der Bühne. Der Star zog sich seine Jeansjacke aus. Damit machte man klar - wir konzentrieren uns auf das Wesentliche, die Musik.

Mit dem kurzen Anspielen von Jimi Hendrix' "Foxy Lady" gab es dann so etwas wie das einzige Cover im Set. Die Nummer des Gitarrengottes nutzte McCartney außerdem, um eine Anekdote aus dem Jahr 1967 zu erzählen. Die Geschichte drehte sich um eine Auftritt der Beatles, bei dem sie von Jimi Hendrix begleitete worden waren, und um eine verstimmte Gitarre, die der im Publikum befindliche Eric Clapton partout nicht stimmen wollte. Ja, der Mann auf der Bühne hat in seiner fast 60 Jahre dauernden Karriere mit Sicherheit so einiges erlebt.

Verschnaufpause

Musikalisch ging es danach etwas ruhiger zur Sache. Auch ein Superstar wie Paul McCartney braucht seine Verschnaufpausen. Bei "Let Em In" begleitete er sich selber am Klavier, ebenso wie bei "My Valentine", dass er, wieder auf Deutsch, seiner Frau Nancy widmete, die ihn auf der "Freshen Up"-Tour begleitet. Auf der Video-Wall lief dazu das Musikvido zum Song, in dem die beiden Hollywood-Stars Nathalie Portman und Johnny Depp zu sehen sind.

Generell wurde auf allzuviel optischen oder technischen Schnickschnack verzichtet. Wie oben schon erwähnt konzentrierte man sich auf das Wesentliche.

Die Musik nämlich. Der nächste, intimste Part des Sets wurde mit einer Reise zu den Anfängen der Beatles eingeläutet. Den Quarrymen. Der Song "In Spite Of All The Danger" wurde als erster Song angekündigt, den die Beatles aufgenommen haben.

Dafür und für die folgenden zwei Nummern rückten seine Mitmusiker ganz nahe an ihn heran, um so die kompakte Essenz des Rock'n'Roll noch mehr zu verdeutlichen.

Zivilrecht

Für "Dance Tonight" schnallte sich Paul dann sogar eine Ukulele um. Noch minimalistischer geht es als Saiteninstrumentalist fast nicht, oder? Doch, denn danach gab es für zwei Songs nur den 76-Jährigen und eine Martin-Westerngitarre. Auf einer hydraulischen Hebebühne ganz nahe an den ersten Reihen stimmte er den Protestsong "Black Bird" (den er ebenfalls halb auf deutsch ankündigte und dabei das Wort "Zivilrecht" in den Mund nahm - das hat vor ihm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nie ein englischsprachiger Künstler auf einer Bühne im deutschsprachigen Raum getan) und die Ballade "Here Today", die John Lennon gewidmet wurde, an.

Die steigende Dichte an Beatles-Songs im Set machte dann bewusst, dass man sich langsam aber sicher dem Ende näherte. "Ob-La-Di, Ob-La-Da", ein äußerst polarisierender Song der Fab 4, wurde dann zur ersten ganz großen Mitsing-Feuertaufe für das Publikum. Es wurde laut gegröhlt, fest geklatscht. Eine Polonaise zog glücklicherweise nirgendwo durch die Halle.

Mehr Beatles-Feeling geht nicht

Nach dem großartigen Wings-Titel "Band on the Run" folgte das erste große, grande Finale. Eingeleitet von "Back in the USSR" und einer Anekdote über ein Konzert am Roten Platz gipfelte die Beatlemania schließlich in der Über-Ballade "Let It Be", die im "Rolling Stone"-Ranking der 500 besten Songs aller Zeiten den 20. Platz belegt. Mehr Beatles-Feeling geht nicht mehr. Die Halle hing Paul McCartney an den Lippen, kollektive Gänsehaut regierte.

Bei "Live and Let Die", dem Titellied des gleichnamigen Bond-Filmes, wurde es dann heiß. Man fühlte sich ob der opulent eingesetzten Pyrotechnik an den Gig von Slayer eine Woche zuvor erinnert. Das Quartett aus Kalifornien fackelte die Bühne ebenfalls gnadenlos ab.

Mit einer fast 8 Minuten langen Version von "Hey Jude" samt Mitsing-Part am Ende verabschiedete sich Paul vom Wiener Publikum. "Nanananananaaa" halte es durch die Stadthalle, durch die dank der zuvor abgebrannten Pyroshow noch dichte Rauchschwaden zogen. Ein Fußballspiel hätte man bei solchen Bedingungen für ein paar Minuten unterbrochen. Mindestens.

Heiratsantrag

Nach ein paar Minuten Jubel und "Zugabe"-Rufen kam Macca, eine riesige Österreich-Fahne schwingend, wieder auf die Bühne. Der Song "Birthday" war gerade vorbei, der Rauch hatte sich nach fast zwanzig Minuten immer noch nicht verzogen, da passierte plötzlich etwas ganz Unerwartetes. Neben Paul standen plötzlich zwei junge Leute. Kyle aus Atlanta und Martha aus Kanada. In Wien. Und wie es der Zufall so wollte hielt er auf einmal mit Paul McCartney als Zeugen um ihre die Hand an. Sie sagte natürlich "Ja". Süß, aber es wirkte irgendwie...gestaged?

Bei all den Showelementen wie Rauch und einem Heiratsantrag, die das zuvor eher spartanisch gehaltene Special-Effects-Level gegen Ende in andere Sphären erhoben, wurde natürlich nicht auf die Musik vergessen. Ein paar Nummern hatte Paul McCartney noch zu spielen, darunter mit "Helter Skelter" den wohl härtesten Song des Abends, ehe es passenderweise mit "The End" zu Ende ging.

Riesenrespekt vor einem Künstler, der mit 76 Jahren ohne irgendwelche Allüren für fast drei Stunden auf der Bühne steht und einfach nur abliefert. Obwohl er schon lange nicht mehr müsste.

Am Donnerstag folgt Teil 2 des Wiener Doubleheaders. Es gibt noch Restkarten. Die sind jeden Cent wert. Versprochen.

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