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Paulinas Stiefbruder (20) bekommt Mindeststrafe

Heute Redaktion
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Bild: ABCpix

Im Prozess um den Mordfall der 14-jährigen Paulina aus Bad Ischl ist ihr 20-jähriger Stiefbruder am Dienstagabend im Landesgericht Wels zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.

Er bekannte sich schuldig, am 5. Juli 2011 Beitragstäter zum Mord seines Vaters an dem Mädchen gewesen zu sein. Die Geschworenen bejahten die Schuldfrage einstimmig. Die Zusatzfrage, ob entschuldigender Notstand vorliege, verneinten sie. Der Angeklagte nahm den Spruch gefasst auf. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Auf die Strafe wird dem Beschuldigten die seit 5. Juli 2011 verbüßte U-Haft angerechnet. Er erbat nach Rücksprache mit seinem Anwalt Bedenkzeit. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab. Für das Gericht überwogen die Milderungsgründe, weshalb die Strafe am unteren Rahmen von fünf bis 20 Jahren angesiedelt war. Auch die auffallend gute Zukunftsprognose des Gerichtspsychiaters habe dazu beigetragen, so die vorsitzende Richterin. Zusätzlich bekamen die anwesenden Privatbeteiligten, Paulinas Mutter und Angehörige, insgesamt über 17.000 Euro zugesprochen.

Tatsachengeständnis abgelegt

Beide Männer hatten nach der Tat bei der Polizei ein Tatsachengeständnis abgelegt. Der 48-jährige Hauptverdächtige nahm sich im Oktober in einer Gefängniszelle das Leben. Er war mit Paulinas Mutter verheiratet, diese hatte sich aber im Jänner 2011 von dem Mann, der auch gewalttätig sein konnte, getrennt und war mit ihren Kindern ausgezogen. Das traf ihn schwer und er wollte sich rächen.

Laut Anklageschrift passten die beiden Männer Paulina am 5. Juli 2011 in Bad Ischl auf dem Schulweg ab, der Stiefvater zog ihr eine Taschenlampe über den Kopf und zerrte sie ins Auto, das sein Sohn dann zu einem von beiden ausgehobenen Erdloch in St. Wolfgang lenkte. Zu diesem Zeitpunkt lebte das Mädchen noch. Der Vater befahl seinem Sohn, ihm einen Strick zu reichen, so der Ankläger. Das Würgen führte zu Paulinas Tod.

Allein Schläge schon tödlich

Die Obduktion ergab, dass sie ein massives stumpfes Schädel-Hirn-Trauma und eine Strangulierung erlitten hatte. Laut Gutachten hätten jedoch allein die Schläge schon tödlich sein können. Der Angeklagte habe bis zuletzt gehofft, dass der Vater von dem Plan ablasse. "Ich hätte ihm das nicht zugetraut", wiederholte der 20-Jährige, der während des Prozesses Gefühle zeigte, mehrmals.

Der junge Mann leide an keiner psychischen Erkrankung, werde aber in einer forensischen Abteilung betreut, erörterte Gerichtspsychiater Reinhard Haller. Die Voraussetzung für eine Einweisung in eine Anstalt läge nicht vor, so der Psychiater. Der 20-Jährige sei nicht unfrei im Willen gewesen, aber eingeengt in seinem Steuerungsverhalten. Er habe wohl starke Angst vor dem Vater gehabt, aber keine krankhaften Zustände, die den Willen völlig aufheben.

Unglaublich kränkbar

Der Vater sei ein schwerer Narziss und psychopathischer Mensch, dazu unglaublich kränkbar gewesen. Überforderung treffe wohl den Zustand des Angeklagten vor und bei der Tat. "So schwere Störungen, dass er nicht die Polizei rufen oder weglaufen hätte können, hatte er nicht", erklärte der Psychiater. Der Staatsanwalt hatte einen Schuldspruch und die Verneinung eines entschuldigenden Notstandes gefordert. Es sei ein heimtückischer Mord gewesen, da dem Opfer vorgegaukelt wurde, man bringe es in die Schule oder zum Frühstücken.

"Der Beschuldigte war sowohl in der Lage zu entscheiden, was darf ich tun und was nicht und es wäre ihm möglich gewesen anders zu handeln", so der Staatsanwalt. Als Milderungsgründe führte er die bisherige Unbescholtenheit, das Geständnis sowie die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit durch den Einfluss des Vaters an. Erschwerend seien die Mitwirkung bei einer hinterhältigen Tat und ihr hoher Planungsgrad.

Viele Milderungsgründe

Der Verteidiger rechnete alle Erschwerungsgründe dem Haupttäter zu und sah viele Milderungsgründe für seinen Mandanten, der dem "Ungeheuer" von Vater hilflos ausgeliefert gewesen sei. Als er probierte, den 48-Jährigen von der Tat abzuhalten, habe der ihn mit einem Messer an der Kehle bedroht. Er wisse, dass das nichts mehr ändern könne, aber "die Sache tut mir von ganzem Herzen leid und ich möchte mich bei der Familie entschuldigen", schloss der Angeklagte.

Lesen Sie weiter: So lief der Prozess ab Paulinas Mutter und Familie haben sich dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen, der leibliche Vater des Mordopfers trat davon zurück. Die Angehörigen verlangen 5.000 Euro Teilschmerzensgeld und die Bestattungskosten. Es gehe ihnen nicht ums Geld, sagte ihr Anwalt. Ein Urteil wird am Mittwoch erwartet.

Konstantin K. erschien im hellen Trachtenanzug im Gerichtssaal.Sein Mandant gestehe die Schuld voll ein, sagte Farid Rifaat zu Beginn des Prozesses. Doch "von selbst wäre er nie auf die Idee gekommen". Er habe seinem Vater zunächst widersprochen, als der ihm die Idee unterbreitete, Rache zu nehmen, weil Paulinas Mutter ihn verlassen hatte. Der Vater habe ihn nach und nach überredet. Aus heutiger Sicht würde der 20-Jährige, der zwei Wochen vor der Tat maturierte, auch anders handeln, doch er sei seinem Vater hörig gewesen.

"Ich hätte ihm das nicht zugetraut", wiederholte der 20-Jährige mehrmals.

"Ich glaubte, meinem Vater haut´s den Vogel raus"

Der Angeklagte gab sich reumütig: "Es tut mir leid, was passiert ist". Und: "Ich stimme der Anklage voll zu. Als mir mein Papa gesagt hat, was er vor hat, hab ich geglaubt, ihm hauts den Vogel raus." Er (der Vater) sei ein dominanter Typ gewesen. "Ein Nein hat er nicht akzeptiert, da gab's immer glei a Detschn." Und: "Mein Vater war mein Ein und Alles, mein Allmächtiger", so der 20-Jährige.

Mutter verließ Gerichtssaal

Auch die Mutter des Mordopfers kam zum Prozess. Die Verhandlung ging ihr aber sichtlich nahe, sie verließ wenig später den Saal wieder.

Das Motiv war Rache: Paulinas Mutter hatte Klaus K. verlassen. Der Tod der Tochter sollte ihr das Herz brechen. Klaus K. hat sich in U-Haft erhängt. So steht sein Sohn jetzt allein vor Gericht. Laut Gutachten war er "krankhaft abhängig vom tatdominanten Vater". Ob die Unreife des Maturanten seine Schuld mindert, werden die Geschworenen beurteilen.

Mutter einvernommen

Am Nachmittag wurde die leibliche Mutter des Angeklagten einvernommen. Sie beschrieb ihren Ex-Mann, den Vater des Beschuldigten, als gewalttätig, außerdem sei er während ihrer Ehe fremdgegangen. Er habe sie einmal angezeigt und gedroht, sie mit Säure zu überschütten. Er soll immer zugeschlagen haben, wenn ihm jemand widersprach oder seinen Anweisungen zuwiderhandelte, so die Zeugin.

Ihr Sohn sei von seinem Vater manipuliert worden. Sie habe dem 20-Jährigen geschrieben, als er im Gefängnis saß und ihn besucht. "Er ist mein Kind, ich habe ihn immer geliebt. Er wird immer mein Sohn bleiben", sagte sie und brach in Tränen aus, wie auch der Angeklagte. Keine Abartigkeit höheren Grades, keine Wiederholungsgefahr, keine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt und keine Zurechnungsunfähigkeit sah Gerichtspsychiater Reinhard Haller in seiner Zukunftsprognose für den Angeklagten.

Gericht berät

Am Nachmittag zog sich das Gericht zur Beratung über die Fragen für die Geschworenen zurück. Nach dieser Pause sollten die Schlussplädoyers folgen. Ein Urteil am späteren Abend war möglich.

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Der 48-Jährige hatte Paulinas Mutter über eine Internetplattform kennengelernt. Sie zog mit ihren vier Kindern von Deutschland nach Bad Ischl, so der Staatsanwalt in seiner Eröffnung. Obwohl die Beziehung nicht stimmig war und es Übergriffe gegeben hat, heirateten die beiden im Mai 2010. Im Jänner 2011 zog die Frau mit ihren Kindern jedoch wieder aus. Das habe den Mann stark gekränkt und in ihm reifte der Wunsch nach Rache.
Als der 48-Jährige seinem Sohn von seiner Tötungsabsicht erzählte, widersprach der Bursche vorerst und bat seinen Vater, er solle sich bei seinen Problemen helfen lassen. Da soll ihm der 48-Jährige ein Messer an den Hals gesetzt haben, sagte der Ankläger.
In der Nacht auf den 4. Juli hoben die beiden Männer das Erdloch in St. Wolfgang aus, das Paulinas Grab werden sollte. In der Früh passten sie das Mädchen an der Bushaltestelle ab, andere Kinder störten aber dabei, den Plan des Vaters durchzuführen. Am Tag darauf setzte der Mann seinen Plan in die Tat um.



Der 48-Jährige versetzte der Schülerin einen Schlag mit einer Taschenlampe und zerrte sie in den Wagen, mit dem sein Sohn nahe der Bushaltestelle wartete. Er befahl ihm, zu dem Erdloch zu fahren, führte der Staatsanwalt aus. Er gab den Geschworenen zu bedenken, dass zwischen der ersten Ankündigung des Vaters und der Tat etliche Tage lagen, in denen der Angeklagte Zeit gehabt hätte zu handeln.