Wirtschaft

Pendler jubeln, Urlauber fluchen über Franken-Kurs

Heute Redaktion
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Bild: KEYSTONE

Die Schweizer Notenbank (SNB) hat ihren radikalen Kurswechsel im Kampf gegen einen zu starken Franken verteidigt. Er sei sich zwar bewusst gewesen, dass die überraschende Abkehr vom Mindestkurs zum Euro die Schweizer Wirtschaft vor Probleme stelle und die Finanzmärkte einige Zeit bräuchten, um sich von dem Schock zu erholen, sagte SNB-Chef Thomas Jordan der "Neuen Züricher Zeitung" am Freitag.

Die Schweizer Notenbank (SNB) hat ihren radikalen Kurswechsel im Kampf gegen einen zu starken Franken verteidigt. Er sei sich zwar bewusst gewesen, dass die überraschende Abkehr vom Mindestkurs zum Euro die Schweizer Wirtschaft vor Probleme stelle und die Finanzmärkte einige Zeit bräuchten, um sich von dem Schock zu erholen, sagte SNB-Chef Thomas Jordan der "Neuen Züricher Zeitung" am Freitag.

Der Schritt sei aber angesichts des anhaltend fallenden Euro nötig gewesen, um langfristig die Kontrolle über die Geldpolitik zu behalten. Denn die internationale Entwicklung sei auseinandergedriftet. Immer mehr Geld aufzuwenden, um den Mindestkurs von 1,20 Franken zu halten wäre nicht nachhaltig gewesen und hätte die Glaubwürdigkeit der Notenbank aufs Spiel gesetzt, sagte Jordan.

Da sei es besser, Kritik auf sich zu nehmen. Zumal es von Anfang an klar gewesen sei, dass der Mindestkurs lediglich eine zeitweilige Ausnahme gewesen sei. Die heftigen Marktreaktionen bezeichnete Jordan als überzogen.
USA nicht informiert, aber zuversichtlich

Die Notenbank hatte am Donnerstag den seit etwa drei Jahren geltenden Mindestkurs abgeschafft und die Märkte schockiert. Die Schweizer Börse verlor am Donnerstag knapp neun und am Freitag nochmals sechs Prozent. Der Euro fiel am Freitag zeitweise auf ein Elf-Jahres-Tief von 1,1459 Dollar. Börsianer kritisierten, dass sich die SNB noch kürzlich zum Mindestkurs bekannt habe.

Der führende US-Notenbanker James Bullard hat sich ebenfalls verwundert geäußert. Seines Wissens nach habe die Schweizer Notenbank die amerikanische Zentralbank (Fed) nicht vorher über den unerwarteten Schritt informiert, sagte der Präsident der Fed von St. Louis am Freitag. Die Franken-Aufwertung werde aber keine direkten Folgen für die US-Wirtschaft haben. "Die Schweizer Volkswirtschaft ist einfach viel zu klein, um Einfluss zu haben", ergänzte Bullard.
Die größten Verlierer der Franken-Krise

Laut einem Zeitungsbericht hat die Deutsche Bank massive Verluste wegen dem Franken eingefahren. Etwa 150 Millionen Dollar (130 Mio. Euro) Einbußen stünden Deutschlands größtem Geldhaus bevor, berichtete das "Wall Street Journal" in der Nacht auf Samstag.

Dem US-Bankenriesen Citigroup würden Verluste in gleicher Größenordnung entstehen. Auch die britische Großbank Barclays und einige Hedgefonds sollen kräftig Geld verloren haben. Als größtes Opfer der SNB-Entscheidung gilt bisher ein US-Onlinebroker für Kleinanleger, FXCM. Die Firma wurde mit einem Notkredit über 300 Millionen Dollar gerettet, nachdem die Aktie um mehr als 70 Prozent gefallen war.

Der britische Wettbewerber Alpari UK meldete sogar Insolvenz an. Die Entscheidung der Schweizer Notenbanker habe zu extremen Schwankungen und zum Austrocknen jeglicher Liquidität geführt, teilte Alpari auf seiner Internetseite mit: "Das hat zur Folge gehabt, dass die Mehrheit der Kunden Verluste erlitt, die ihr Einlagenkapital überstiegen. Wo der Kunde diesen Verlust nicht abdecken kann, wird er an uns weitergereicht." Die Briten sind auch in Deutschland aktiv.

Seite 2: Wieso Urlaub in der Schweiz jetzt massiv teurer ist!

Schlagartig ist der Franken ein Fünftel teurer geworden. Jahrelang kostete die Schweizer Währung zwischen 80 und 83 Cent. Auf einmal muss für einen Franken fast ein Euro bezahlt werden. Im Gegenzug ist der Euro für Schweizer rasant billiger geworden. Wem nützt das - und wem schadet es?

GEWINNER:

- PENDLER: Deutsche, Franzosen, Österreicher und Italiener, die in die Schweiz zur Arbeit pendeln haben über Nacht quasi eine üppige Gehaltserhöhung bekommen - sofern sie in Schweizer Franken bezahlt werden. Insgesamt gibt es nach Angaben der Schweizer Statistiker fast 290 000 Grenzgänger, davon knapp 59 000 aus Deutschland.

- KONSUMENTEN: Verbraucher profitieren - allerdings nur, wenn sie aus der Schweiz kommen und zum Beispiel im deutschen Grenzgebiet einkaufen. Für sie werden die Shoppingtouren und Restaurantbesuche in Konstanz und Co auf einen Schlag erheblich günstiger.

- HÄNDLER: Deutsche Einzelhändler in der Nähe der Grenze freuen sich deswegen schon auf ihre Kunden aus der Schweiz. Die machen bei ihnen ohnehin schon ein Drittel der Kundschaft aus - Tendenz steigend.

- AUSLÄNDISCHE UNTERNEHMEN: Wer seine Waren in der Schweiz anbietet, kann auf einmal fast 20 Prozent billiger verkaufen. Das dürfte für viele Firmen ein Thema sein, denn die Schweiz ist ein wichtiger Absatzmarkt für die Nachbarländer wie Deutschland und Österreich.

VERLIERER:

- KONSUMENTEN: Schokolade, Käse, Uhren - Schweizer Produkte sind beliebt, könnten aber künftig weniger erschwinglich werden. Zumindest dann, wenn die deutschen Händler steigende Einkaufspreise an ihre Kunden weiterreichen können. Swatch-Chef Nick Hayek sprach denn auch von einem "Tsunami", den die Notenbank mit der Freigabe des Frankenkurses zum Euro ausgelöst habe.

- SCHWEIZ-URLAUBER: Die Schweiz gilt ohnehin als teures Urlaubsland. Für Touristen dürfte die Reise in die Schweiz nun noch teurer werden. Nur ein Beispiel: Für Skipass in Zermatt für sieben Tage müssen deutsche Urlauber jetzt ungefähr 380 Euro eintauschen. Vor der Freigabe des Franken waren es rund 322 Euro.

- EXPORTEURE: Für die kleine Schweiz ist der Weltmarkt lebenswichtig. Exportgüter werden nun auf einen Schlag erheblich teurer, und zwar nicht nur in der Eurozone. Auch zu anderen wichtigen Währungen, wie Dollar, Yen oder Pfund wurde der Franken um rund ein Fünftel teurer.

- SCHWEIZER WIRTSCHAFT: Damit droht der ganzen Schweizer Wirtschaft ein Einbruch. Die Großbank UBS hat bereits ihre Wachstumsprognose für 2015 von 1,8 auf 0,5 Prozent zurückgenommen.

- KREDITNEHMER: Hunderttausende Kreditnehmer vor allem in Österreich und Osteuropa hatten Kredite in Schweizer Franken aufgenommen. Die schienen wegen niedriger Zinsen attraktiv. Nun wird die Rückzahlung für viele ein Problem, weil die Kreditraten auf einmal sehr viel teurer werden.