Politik

Pleiten, Pech und Giraffen: Wie die SPÖ Wahlen vergeigt

Der neue Vorsitzende heißt Andreas Babler und nicht Hans Peter Doskozil, weil bei der Auszählung die Stimmen in einer Excel-Tabelle vertauscht wurden.

Heute Redaktion
Hans Peter Doskozil feiert seine Wahl zum SPÖ-Parteichef am Sonderparteitag.
Hans Peter Doskozil feiert seine Wahl zum SPÖ-Parteichef am Sonderparteitag.
Sabine Hertel

Montag um 15.20 Uhr, zwei Tage nach dem SPÖ-Sonderparteitag, kam die Eilnachricht: Michaela Grubesa, die Leiterin der SPÖ-Wahlkommission, beruft eine Pressekonferenz ein. Sie hatte schlechte Nachrichten im Gepäck.

Da war doch was …

… Schon am Samstag sorgten Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenzahl für Verwunderung, denn: Eine Delegiertenstimme fehlte. Zwei Tage war das der SPÖ egal. Da ist doch noch was… Am Montag ging Grubesa nachzählen. Ihre Pressekonferenz begann sie mit der Nachricht, dass sie die fehlende Delegiertenstimme gefunden habe, diese sei ungültig. Und dann der Hammer: Bei der Suche sei ihr aber ein "technischer Fehler" aufgefallen.

Alles anders

Grubesa musste zugeben, dass die Stimmen vertauscht worden waren. In Wirklichkeit habe Andreas Babler als Sieger 317 Stimmen bekommen, Hans Peter Doskozil 280. Und nicht umgekehrt. 602 Stimmen seien abgegeben worden, fünf waren ungültig.

Ein Mitarbeiter habe in der Excel-Wahlliste die Namen Babler und Doskozil vertauscht. Nachgezählt oder kontrolliert habe die Wahlkommission die Stimmen nach dem Parteitag aber nicht. Grubesa glaubt nicht, dass der Parteitag wiederholt werden muss: "Der ganze Prozess ist belegbar."

Auch das neue Ergebnis ist fraglich. Babler (316 auf 317) und Doskozil (279 auf 280) bekamen je eine Stimme dazu, während abgegebene und ungültige Stimmen gleich blieben. Hat die SPÖ neben der verlorenen Stimme also noch eine zweite gefunden?

Pleiten, Pech und Giraffen: Wie die SPÖ Wahlen vergeigt

Die SPÖ-Mitgliederbefragung war eine einzige Pannenserie, die Chronologie des Schreckens:

➤ Am 14. März deponiert Doskozil per Brief an den SPÖ-Vorstand seinen Führungsanspruch, am 15. März ist die Befragung fix. Jeder kann kandidieren, es melden sich eine Parteichefin, ein Landeshauptmann, ein Bürgermeister, eine Giraffe und 70 weitere Kandidaten. Dann verlangt man doch noch Unterstützungserklärungen – aber nur 30.

➤ Am 19. März lehnt Doskozil Harry Kopietz als Leiter der Wahlkommission ab, holt Michaela Grubesa als Vize dazu. Am elften Mai geht Kopietz aus gesundheitlichen Gründen, Grubesa übernimmt.

➤ Für Lacher sorgt am 19. April der Stimmzettel für die Mitgliederbefragung. Neben den Optionen Rendi, Doskozil und Babler gibt es noch "keinen der Genannten".

➤ Von 24. April bis 10. Mai läuft die Befragung. IT-Spezialisten warnen vor Sicherheitslücken.

➤ Mit der Auszählung wird zwei Wochen gewartet. Feiertage …

➤ Kommissionsleiterin Grubesa holt am 22. Mai die plombierten Wahlurnen mit einem Miet-Lkw aus NÖ ab. Ergebnis: Doskozil vor Babler und Rendi.

➤ Babler und Dosko stellen sich am 3. Juni der Kampfabstimmung. Eine Stimme verschwindet, Doskozil gewinnt vermeintlich, niemand zählt nach.

➤ Am 5. Juni gesteht Grubesa den Fehler ein, Fragen bleiben aber offen.

Schon wieder Wahlpanne: Welt lacht über Österreich

Da wurden wohl Erinnerungen an die peinlichen Pannen bei den Bundespräsidentschaftswahlen wach … Die SPÖ-Blamage machte weltweit Schlagzeilen, die "Washington Post" etwa schreibt vom "Excel-Schluckauf", alle wichtigen Medien berichteten groß.

Deutsch: "Dachte, das ist ein Scherz"

Ex-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch wollte die Neuigkeiten erst gar nicht glauben. "Ich habe es zuerst nicht für möglich gehalten, ich dachte, das ist eine Meldung der ,Tagespresse' (Satirezeitung, Anm.). Erst als die Vorsitzende Grubesa ihren Fehler selbst darstellte, kam die schockierende Gewissheit." Nicht wegen des neuen Ergebnisses selbst, sondern wegen der schieren Peinlichkeit der Sache. "Es zeichnet ein katastrophalen Bild für die SPÖ", klagt Deutsch gegenüber "Heute". Ihm wäre das nicht passiert: "Meine Befragung war von einem Notar begleitet."

Babler-Unterstützer mit Satz des Tages

Prägnanter (und deftiger) kann man das SPÖ-Wahlchaos nicht zusammenfassen als Nikolaus Kowall: "Ich scheiß mich an", twitterte der Vize-Chef der SPÖ Wien-Alsergrund, der sich zunächst ebenfalls um den SPÖ-Vorsitz beworben hatte und dann zugunsten Bablers zurückzog.

"Glück auf!" und "Super-GAU"

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hielt sich mit Glückwünschen nicht lange zurück. Er sicherte Babler auf Twitter sofort nach Bekanntwerden des Ergebnisses seine "volle Unterstützung" zu, ging auf das Wahldebakel aber nicht ein. Ludwig hatte sich vor der Abstimmung am Parteitag zwar nicht offiziell für Babler ausgesprochen, in den Gremien hatte die delegiertenstarke Wiener Stadtpartei ihm aber den Rücken gestützt. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser zeigte sich in einer ersten Reaktion entsetzt: "Unglaublich, ein Super-GAU. Das sind Fehler, die nie passieren dürfen. Jetzt gilt es nach vorne zu blicken, mehr Tröstendes fällt mir auch nicht ein."

Die SPÖ schlief zwei Nächte über Zahlendreh

Als am Samstag das "Ergebnis" auf der Videowall erschien, begannen einige nachzurechnen – "Heute"-Redakteur Leo Stempfl etwa, der angesichts der Zahlen stutzig wurde. ORF-Star Martin Thür zeigte sich auf Twitter ebenfalls verwundert. Und die SPÖ? Begann erst am Montag nachzuprüfen ...

Bei dieser Addition wurden wohl viele stutzig.
Bei dieser Addition wurden wohl viele stutzig.
leo

Babler geht auf Nummer sicher, lässt nachzählen …

Um 17.35 Uhr trat der neue SPÖ-Chef Andreas Babler vor die Kameras – mit tieftrauriger Miene. Kurz nach 15 Uhr war er über seinen kuriosen Wahlsieg informiert worden. Doch ganz traute er der Sache offenbar nicht: Er werde die Wahlkommission ersuchen, die abgegebenen Stimmen noch einmal zu überprüfen, betonte Babler in einer eilig einberufenen Pressekonferenz. "Es ist ganz wichtig, dass hier jetzt keine Fragezeichen bleiben. Ich erwarte mir ganz klare Transparenz und Klarheit". Das schulde die SPÖ den Parteimitgliedern. Sollte das Ergebnis stimmen, werde er die SPÖ übernehmen.

"Ich möchte mich für das Bild, das Teile unseres Apparats abgegeben haben, zutiefst entschuldigen. Das ist durch nichts zu rechtfertigen und zu relativieren", so Babler zerknirscht. Das Debakel sei ein "Tiefpunkt" für die Partei. Auch Hans-Peter Doskozil tue ihm leid. "Aber ich werde jetzt am Comeback der Sozialdemokratie arbeiten“, machte der Traiskirchner Bürgermeister den Genossen Mut. Er werde der Partei die "Würde" zurückgeben.

Hans Peter Doskozil zieht sich nach Eisenstadt zurück

Um 16.30 Uhr trat Hans Peter Doskozil vor die Presse, es war der bitterste Auftritt seiner politischen Karriere. Knapp eine Stunde davor war sein "Lebenstraum" geplatzt, als er von der Wahlpanne erfuhr. Trotzdem bewahrte der Burgenländer Haltung und gratulierte Andreas Babler. "Nicht nur für die Sozialdemokratie, auch für mich ist das keine angenehme Situation", räumt er ein. Man müsse sich "zusammenreißen und das Wahlergebnis akzeptieren". Man dürfe nicht den Kopf in den Sand stecken, sagte Doskozil.

Er werde allerdings die Sozialdemokratie künftig nur noch aus dem Burgenland unterstützen: "Für mich ist das Kapitel Bundespolitik ein für alle Mal abgeschlossen". Doskozil will den Parteitag nicht wiederholen: "Es muss auch einmal Schluss sein. Das Ergebnis pickt." Jetzt müsse Babler die Partei einen. "Ich werde dazu beitragen, dass die Diskussionen aus der Vergangenheit passé sind und wir gemeinsam eine Wahl schlagen können", versprach er. Spott und Häme müsse sich die SPÖ gefallen lassen: "Aber es wird auch wieder schönere Zeiten geben."

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    <strong>Hans Peter Doskozil</strong> feierte am 3. Juni seine Wahl zum SPÖ-Parteichef am Sonderparteitag. Zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt: Die Ergebnisse wurden vertauscht.
    Hans Peter Doskozil feierte am 3. Juni seine Wahl zum SPÖ-Parteichef am Sonderparteitag. Zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt: Die Ergebnisse wurden vertauscht.
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