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Polizist nach Nervengift-Attacke aus Koma erwacht

Heute Redaktion
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Der Polizist fiel nach dem Anschlag auf einen russischen Ex-Spion ins Koma. Nun ist er wieder aufgewacht, die anderen Opfer schweben noch in Lebensgefahr.

Nach dem Nervengift-Anschlag in Großbritannien ist eines der Opfer aus dem Koma aufgewacht. Wie der "Mirror" berichtet, handelt es sich bei der Person um den Polizisten, der dem russischen Ex-Spion Sergej Skripal und seiner Tochter zu Hilfe kommen wollte.

"Der Polizist reagiert und kann sprechen", informiert die britische Innenministerin Amber Rudd. Obwohl sie optimistisch sei, ist es für Prognosen noch zu früh. "Es war Nervengas, wir nehmen den Fall sehr ernst." Der Zustand der beiden anderen Opfer sei weiterhin kritisch.

Nach dem Anschlag bangten die Ärzte laut Medienberichten um das Leben der Opfer. Drei Menschen lägen im Koma, berichtete der Sender Sky News in der Nacht zu Donnerstag. Die Londoner "Times" berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, der Zustand des früheren russischen Agenten sei besonders ernst: "Die Befürchtung ist, dass er es nicht schaffen wird", zitierte die Zeitung eine ungenannte Regierungsquelle. Für Skripals Tochter und den Polizisten gebe es mehr Hoffnung.

Seltenes Nervengift kam zum Einsatz

Bei dem Attentat ist ein sehr seltenes Nervengift verwendet worden. Das sagte die britische Innenministerin Amber Rudd am Donnerstag in einem Interview mit dem BBC-Radio. Welches Gift genau zum Einsatz kam, wollte Rudd nicht sagen.

Einem BBC-Bericht zufolge handelt es sich weder um Sarin, das einem Uno-Bericht zufolge zuletzt im Syrienkrieg zum Einsatz kam, noch um VX, mit dem im vergangenen Jahr der Halbbruder des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un getötet wurde. Nervengifte greifen das Nervensystem an und legen die Funktion lebenswichtiger Organe lahm. Die britischen Ermittler versuchen nun herauszufinden, wo der betreffende Stoff hergestellt wurde. Experten zufolge gibt es nur wenige Labore auf der ganzen Welt, die dazu in der Lage sind.

Skripal und seine Tochter wurden der Polizei zufolge gezielt mit dem Nervengift angegriffen. Ermittelt wird wegen versuchten Mordes. Der Fall erinnert an den Giftmord am Kremlkritiker Alexander Litwinenko im Jahr 2006 und hat inzwischen einen diplomatischen Schlagabtausch zwischen Moskau und London ausgelöst.

Mysteriöser Fall, kontroverse Theorien

Die mutmaßliche Vergiftung des russischen Ex-Spions Sergej Skripal in Großbritannien wirft viele Fragen auf - allen voran diese: Wer steckt dahinter? Während einige Experten und Kreml-Kritiker mit dem Finger auf Moskau zeigen, verwerfen andere diese Theorie als geradezu lächerlich.

Der Fall ist ebenso spektakulär wie mysteriös: Der 66-jährige Ex-Doppelagent Skripal, der in Russland zu 13 Jahren Haft verurteilt worden war und 2010 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs nach Großbritannien kam, wurde bewusstlos auf einer Bank vor einem Einkaufszentrum im englischen Salisbury gefunden - neben seiner ebenfalls bewusstlosen 33-jährigen Tochter Julia.

Die britische Polizei geht inzwischen von einem gezielten Mordanschlag mit einem Nervengift aus. "Die Familie anzugreifen und jemanden, der Teil eines Austauschs war, ist ein Novum", sagt der Russland-Experte Bruce Jones vom britischen Magazin "Jane's Defence Weekly". Ein solcher Angriff könnte für Russland verschiedene Vorteile haben, meint er. Es könnte "eine Warnung an jeden sein, der erwägt, ein Verräter zu sein". Skripal ist ein früherer Offizier des russischen Militärgeheimdienstes. Weil er Agenten an den britischen Geheimdienst MI6 verraten hatte, wurde er in Russland inhaftiert.

Während die Polizei erklärte, in alle Richtungen zu ermitteln, hatte der britische Außenminister Boris Johnson eine "angemessene und robuste" Antwort seiner Regierung angekündigt, sollte ein Staat hinter der Attacke stecken. In diesem Zusammenhang nannte er Russland. Moskau erklärte, über keinerlei Informationen über den "tragischen" Vorfall zu verfügen. Das russische Außenministerium prangerte eine "anti-russische Kampagne" an.

Methode des russischen Geheimdienstes

Für Kreml-Gegner ist der Fall klar: "Vergiften ist die Methode der Wahl für den FSB", den russischen Inlandsgeheimdienst, sagt Juri Felschtinski. Felschtinski ist ein Freund von Alexander Litwinenko, dem früheren FSB-Agenten, der 2006 in London mit einer radioaktiven Substanz vergiftet und getötet wurde. Die Spur führte damals nach Moskau.

Der Vorfall in Salisbury sollte im Kontext der Präsidentschaftswahl in Russland am 18. März gesehen werden, in der Staatschef Wladimir Putin praktisch unangefochten zur Wiederwahl antritt, sagt Felschtinski.

"Dies trägt die Handschrift eines Putin-Attentats." Putin warne "jeden im FSB, niemals abtrünnig zu werden, weil man dann gejagt und getötet wird", heißt es in einer in britischen Medien veröffentlichten Erklärung Felschtinskis.

Bill Browder, ehemaliger Investor in Russland und inzwischen Putin-Kritiker, sagt: "Putin macht das als Demonstrationseffekt." Browder führte eine Kampagne im Gedenken an seinen ehemaligen Mitarbeiter Sergej Magnitski, der Betrug durch russische Behördenvertreter öffentlich machte, bevor er 2009 in russischer Haft starb.

Putins Art der Einschüchterung

Putin wolle "jeden in absolute Angst vor ihm" versetzen, sagt Browder. "Er muss nicht jeden töten, er muss nur ein paar Leute töten und klarstellen, dass einem schreckliche Dinge passieren, wenn man Putin in die Quere kommt."

Der britische Außenminister Boris Johnson hatte eine "angemessene und robuste" Antwort seiner Regierung angekündigt, sollte ein Staat hinter der Attacke auf Skripal stecken - und in diesem Zusammenhang Russland genannt. Moskau könnte auf diese Reaktion gesetzt haben.

"Wenn es Kritik oder Sanktionen gegen Russland gibt, kann das vom Kreml zu seinem Vorteil genutzt und manipuliert werden", sagt Jones. Russland könne sich so als "tragisches Opfer" darstellen.

Jones verweist auch darauf, dass sich Großbritannien wegen des Zweifels an der Führungsstärke von Premierministerin Theresa May und wegen der schwierigen Brexit-Verhandlungen in einer "verletzlichen Position" befinde. Browder erinnerhalb daran, dass Großbritannien auf den Litwinenko-Mord nicht hart reagiert habe. "Diese Untätigkeit verleitet Putin, in diesem Land Leute zu töten."

Nowaja Gaseta: In der russischen Tradition

Auch Pawel Felgenhauer, Analyst der Zeitung "Nowaja Gaseta", sieht Moskau hinter der Tat. Niemand anderer habe ein Interesse, sagt Felgenhauer. Derartige Attacken stünden "in der Tradition des FSB".

Andere, wie der ehemalige sowjetische Spion Michail Ljubimow, tun derartige Vermutungen ab. "Wer ist Skripal? Wen interessiert er?" Skripal sei an Großbritannien übergeben worden. "Wenn wir ihn hätten töten wollen, hätten wir ihn hier getötet, aber wir haben ihn freigelassen."

Der russische Militäranalyst Alexander Golz verweist auf Skripals "abenteuerlichen Charakter". Niemand wisse, "in welches Abenteuer er sich in Großbritannien begeben haben könnte".

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    (sep/sda)