Österreich

Prozess nach tödlichem Fenstersturz von Leon (4)

Am 26. April stürzte Leon vom 7. Stock in den Tod. Heute, Donnerstag, mussten sich sein Vater und seine Stiefmutter vor Gericht verantworten.

Heute Redaktion
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Leon B. war nicht wie jedes andere Kind. Der kleine, viereinhalbjährige Bub war aufgrund von Komplikationen bei seiner Geburt entwicklungsverzögert, zu 50 % geistig behindert und hyperaktiv. Am 26. April stürzte er aus einem sperrangelweit geöffneten Fenster im 7. Stock einer Wohnhaus-Anlage in der Ziegelhofstraße (Donaustadt) in den Tod.

Heute, Donnerstag, mussten sich sein Vater, Marcus B. (28), und seine Stiefmutter, Doris T. (27) – Leon lebte bei ihnen, weil die leibliche Mutter seit seiner Geburt an Depressionen leidet – wegen grober Vernachlässigung mit Todesfolge vor einem Schöffensenat verantworten. Marcus B. bekannte sich nicht schuldig, seine ehemalige Lebensgefährtin, Doris T., schuldig.

Stiefmutter brach vor Gericht in Tränen aus

Mit erstickter Stimme erzählt die Angeklagte, die mit Marcus B. eine Tochter (13 Monate) hat, von Leons Todestag. Um 10.30 Uhr stand ein Besuch zweier Mitarbeiterinnen des Jugendamtes an, der über zwei Stunden dauerte. "Danach war Leon sehr überdreht. Ich habe auf dem Sofa telefoniert, und er hat mit einem Regenschirm vor meinem Gesicht herumgefuchtelt", erzählt die 27-Jährige, die noch einen neunjährigen Sohn hat, der in einer betreuten WG lebt. Marcus B. war inzwischen mit dem Wickeln und dem Anziehen der gemeinsamen Tochter beschäftigt.

Die Stiefmutter schickte den Vierjährigen in sein Zimmer, damit sich dieser wieder beruhigen konnte – dort stand das Fenster – der Griff wurde zur Sicherheit der Kinder abmontiert – allerdings zum Lüften sperrangelweit offen. "Ich hab' das Fenster an diesem Tag nicht aufgemacht. Ich wusste nicht, dass es offen ist und hab' in dem Moment auch einfach nicht daran gedacht", erinnert sich die mit 20.000 Euro verschuldete Angeklagte, die vor Richterin Nicole Baczak immer wieder in Tränen ausbrach.

Leon stürzte 21 Meter in die Tiefe

Leon ging brav in sein Zimmer, rollte sich dort einen Drehsessel zum Fenster und warf zuerst Spielzeug hinunter. Anschließend dürfte der Bub das Gleichgewicht verloren haben und stürzte mindestens 21 Meter in die Tiefe. Zwei Passanten fanden das noch lebende Kind, das innerlich verblutete, weil laut dem Sachverständigen, Gerichtsmediziner Christian Reiter, die Hauptschlagader zu drei Viertel eingerissen war. Als zwei vorbei kommende Passanten den Buben fanden, lebte er noch: "Seine Augen waren geöffnet, er atmete noch", erzählte Zeuge Wolfgang T. Obwohl eine nahe gelegene Ärztin versuchte, den Kleinen zu reanimieren, verstarb Leon noch an der Unfallstelle.

Noch immer sichtlich mitgenommen vom Tod seines Sohnes, aber dennoch mit Erinnerungslücken, gab sich Marcus B. vor Gericht: "Ich weiß nicht mehr, ob ich das Fenster aufgemacht haben", meinte er. Auch daran, ob er mitbekommen habe, dass Leon in sein Zimmer geschickt wurde, kann sich der 28-Jährige nicht mehr erinnern.

Leibliche Mutter fordert Schmerzensgeld

Ebenfalls bei der Verhandlung anwesend war die leibliche Mutter von Leon, Sabrina N. Sie warf den Angeklagten "Mord" vor und fordert von beiden je 25.000 Euro Trauerschmerzensgeld sowie die Abgeltung der Begräbnis- und Steinmetz-Kosten.

Der Prozess wurde auf den 12. Dezember vertagt, das Gericht will noch die beiden Jugendamt-Mitarbeiterinnen befragen. Auch ein Polizist, der den Vater des Kindes einvernommen hatte, wird geladen.