Ukraine

Putin könnte noch Jahre Krieg führen – Experte alarmier

Während einige Beobachter das Ende der Herrschaft von Wladimir Putin voraussagen, zeichnet ein Kreml-Insider ein Schreckensszenario. 

Nikolaus Pichler
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Der russische Präsident Wladimir Putin: Um sein Schicksal drehen sich aktuelle viele Fragen. 
Der russische Präsident Wladimir Putin: Um sein Schicksal drehen sich aktuelle viele Fragen. 
MIKHAIL METZEL / AFP / picturedesk.com

Wladislaw Inosemzew hat in den höchsten Zirkeln der Macht gearbeitet. Als Wirtschaftsberater des ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, weiß der russische Ökonom wie Machtapparat im Kreml tickt. Im Gespräch mit dem Kurier warnt Inosemzew nun davor, auf ein vorzeitiges Ende des Krieges zu setzen. Aktuell rechnen viele Experten mit einem Ende der Herrschaft durch Putin und einem möglichen Ende des Krieges.

Doch der Ökonom betont: "Putins Drang, den Krieg fortzuführen, ist sehr groß, und finanziell könnte er ihn noch Jahre führen. Das russische Budget ist trotz Sanktionen gut aufgestellt, die Wirtschaft dank der Zentralbank gut auf die Situation eingestellt." Nachsatz: "Auch der Krieg selbst kommt Russland nicht teuer: Jeder Monat kostet etwa zehn Milliarden Dollar, die 120 Milliarden Dollar, um diesen Krieg noch ein Jahr fortzusetzen, wären trotz Wirtschaftsflaute kein Problem. Zur Veranschaulichung: Die russischen Exporteinnahmen lagen 2021 bei 1,2 Milliarden Dollar – pro Tag."

Der ehemaligen Präsidentenberater räumt jedoch ein, dass die russische Rüstungsindustrie tatsächlich "sehr schlecht" aufgestellt sei. 

Das Fazit des Experten: Putin könne den Krieg noch lange fortführen, werde ihn aber verlieren. "Das gilt natürlich nur, wenn es zu keinem Nuklearschlag kommt – aber für mich stand und steht außer Zweifel, dass die Ukraine gewinnen wird. Selbst wenn Russland Kiew eingenommen hätte, hätten einige 100.000 russische Soldaten ein 44-Millionen-Land, das ihnen gegenüber so feindlich eingestellt ist, nicht halten können."

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    Ukraines Präsident Wolodimir Selenski auf Front-Besuch in der ostukrainischen Großstadt Charkiw am 29. Mai 2022.
    Ukraines Präsident Wolodimir Selenski auf Front-Besuch in der ostukrainischen Großstadt Charkiw am 29. Mai 2022.
    Ukrainian Presidential Press Service/Handout via REUTERS

    Ein Ende von außen zu beschleunigen, sei jedoch nur schwer möglich, betont er. Auch der Einfluss der russischen Oligarchie stoße an seine Grenzen bei Putin. "Im Gegenteil: Die Sanktionen gegen Abramowitsch, Fridman oder Deripaska machen ihn regelrecht glücklich. Er hat schon 2013 mit einer Kampagne alle Oligarchen aufgerufen, Geld aus dem Westen abzuziehen und in Russland zu investieren. Das forcierte er bis Kriegsbeginn. Jetzt müssen sich die, die ihm bisher nicht gehorchten, fügen, das freut ihn."

    Kommt Umsturz?

    "Dass die Eliten ihn von selbst stürzen, ist unvorstellbar. Damit sie revoltieren, muss der Westen Anreize setzen – etwa über ein internationales Tribunal, das Putin, (Verteidigungsminister) Schoigu, (Generalstabschef) Gerasimow und andere hochrangige Militärs wegen Kriegsverbrechen anklagt, aber den großen Teil der Elite ausspart", sagt der ehemalige Top-Kreml-Berater. "Selbst wenn Putin militärisch besiegt wird, bleibt er vermutlich Präsident."

    Wladislaw Inosemzew konterkariert mit seiner Einschätzung damit die Prognose von Kreml-Experte und Aufdecker-Journalist Christo Grosew. Dieser glaubt nämlich an ein baldiges Ende der Ära Putin. Der Umsturz werde von der Elite des Landes kommen, ist sich der in Wien lebende Bulgare sicher.

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      Ein ukrainischer Kämpfer mit einem Spezialgewehr gegen leicht gepanzerte Fahrzeuge in der Kleinstadt Marinka in der Oblast Donezk am 28. Mai 2022.
      Ein ukrainischer Kämpfer mit einem Spezialgewehr gegen leicht gepanzerte Fahrzeuge in der Kleinstadt Marinka in der Oblast Donezk am 28. Mai 2022.
      REUTERS/Anna Kudriavtseva