Ukraine

Putin stellt jetzt konkrete Forderungen für Kriegsende

Der russische Präsident Wladimir Putin soll erstmals konkrete Forderungen für ein Ende des Krieges aufgestellt haben. Gibt die Ukraine nach?

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    Putin bei einem Besuch in Istanbul im Jahr 2007: In seiner Entourage befinden sich mehrere "Musketiere".
    Putin bei einem Besuch in Istanbul im Jahr 2007: In seiner Entourage befinden sich mehrere "Musketiere".
    REUTERS

    Bereits mehrere Male haben sich russische und ukrainische Vertreter getroffen, um über mögliche Kompromisse zu diskutieren, die ein Ende des Ukraine-Krieges einläuten könnten. Wie ein türkischer Vertreter "BBC" berichtet, hat der russische Präsident Wladimir Putin bei aktuellen Friedensverhandlungen in der Türkei nun erstmals konkrete Forderungen aufgestellt: So fordert Putin die Neutralität der Ukraine sowie die Garantie, dass die Ukraine nicht der Nato beitreten wird. Zudem soll das Land militärisch abgerüstet werden, um "für Russland keine Gefahr mehr" darzustellen, die russische Sprache und die Russen im Land müssten geschützt werden und es soll eine "Denazifizierung" stattfinden.

    Wie Selenski und seine Berater mehrmals gegenüber den Medien und auf Social Media sagten, gestalteten sich die Gespräche schwierig. "Es ist ein schwieriger und zäher Verhandlungsprozess. Es gibt grundlegende Widersprüche – aber auch durchaus Raum für Kompromisse", schreibt etwa Mykhailo Podolyak, ein Berater von Selenski und Mitglied der ukrainischen Delegation, auf Twitter. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski hat Russland in der Nacht auf Samstag nachdrücklich zu ernsthaften und ehrlichen Gesprächen über eine Friedenslösung aufgerufen. Sein Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk betonte die sogenannten roten Linien für die Verhandlungen mit der russischen Seite – Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine sowie ihre staatliche Unabhängigkeit.

    Wird die Ukraine den Forderungen Russlands bald nachgeben? Zwei Sicherheitsexperten ordnen die Lage ein.

    Putin versuche, möglichst viel für Russland herauszuholen

    "Putin pokert mit Maximalforderungen", sagt Tobias Vestner, Programmleiter Sicherheit und Recht am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP). "Die Ukraine wird niemals allen russischen Forderungen zustimmen. Putin weiß das und versucht deswegen, mit hohen Forderungen und Druck möglichst viel für die russische Seite rauszuholen." So komme etwa ein Abrüsten für die Ukraine niemals in Frage: "Die Invasion Russlands hat das unmöglich gemacht – außer die Ukraine kapituliert vollständig. Auch stellt sich die Frage, inwiefern die von Putin geforderte Neutralität der Ukraine umsetzbar wäre. Wahrscheinlich verlangt Putin statt einer neutralen eine pro-russische ukrainische Politik."

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      Wladimir Putin im Jahr 2000 im Gespräch mit einem kleinen Mädchen. Er selbst soll inoffiziell fünf Töchter haben.
      Wladimir Putin im Jahr 2000 im Gespräch mit einem kleinen Mädchen. Er selbst soll inoffiziell fünf Töchter haben.
      REUTERS

      Russland sei sich in den vergangenen Tagen seiner geschwächten Position bewusst geworden, sagt Vestner: "Sie haben erkannt, dass der Krieg für sie schlechter läuft als antizipiert. In den Verhandlungen wird Putin diese Schwäche aber nicht zugeben und auf seinem Standpunkt beharren." Und was passiert, wenn die Ukraine keinen Forderungen nachkommt? "Dann wird Putin nicht zögern, die Ukraine weiterhin mit militärischer Gewalt in Schutt und Asche zu legen, wie er es derzeit schon macht. Er lässt das Land regelrecht ausbluten", so Vestner.

      Ohne Kompromiss droht "komplette Eskalation"

      Würde kein Kompromiss gefunden, bestehe die Gefahr einer kompletten Eskalation: "Putin kann keine Niederlage hinnehmen, er wird sehr wahrscheinlich nicht aufgeben und sich nicht ohne weiteres geschlagen geben." Fühle er sich in die Ecke gedrängt, könne es sein, dass er bis zum Äußersten geht: "Dann liegt sogar ein Atomschlag gegen die Ukraine im Bereich des Möglichen." Ob es so weit kommen wird, sei schwierig zu sagen, sagt Vestner: "Um die russische Armee steht es nicht gut. Aktuell sind sie zwar noch am größeren Hebel – durch die Waffenlieferungen des Westens und die starke Defensive der Ukraine können sich die Machtverhältnisse aber auch schnell ändern."

      Es gehe nun darum, sich so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand zu einigen: "Um Putin entgegenzukommen, ist es möglich, dass die Ukraine ihre Absicht zum Beitritt zur Nato fallen lassen wird. Es kann sein, dass die Ukraine weiteren Forderungen, wie etwa die Zusicherung des Schutzes der in der Ukraine lebenden Russen, zustimmen wird."

      EU-Beitritt der Ukraine als Option

      Selenski müsse sich fragen, wie weit er dem Frieden zuliebe bereit ist, Kompromisse zu schlucken, die in der ukrainischen Bevölkerung unter Umständen nicht gut ankommen, sagt auch Matthias Dembinski, Nato- und Sicherheitsexperte am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Aber nicht nur Russland, auch die Ukraine bringe Forderungen auf den Verhandlungstisch: "Wenn sie den Ansprüchen Putins nachkommen, wollen sie Sicherheitsgarantien von Russland, dass das Militär nicht erneut in die Ukraine einfällt." Das sei auch das Hauptproblem der Verhandlungen: "Wie können Staaten Kompromisse eingehen, die keinerlei Grund haben, sich zu vertrauen? Putin hat schon mehrmals gezeigt, dass er fähig ist, Vereinbarungen zu brechen."

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        Damit Putin eine atomare Waffe zünden könnte, braucht er eine zweite Person, die auch im Besitz eines schwarzen Koffers ist. (Archivbild 1999)
        Damit Putin eine atomare Waffe zünden könnte, braucht er eine zweite Person, die auch im Besitz eines schwarzen Koffers ist. (Archivbild 1999)
        Reuters / 20min

        Man müsse Dritte in die Verträge einbeziehen, so Dembinski: "Mögliche Sicherheitsgarantien könnten von dritten Staaten gegeben werden. Auch ein Beitritt der Ukraine zur EU kann dem Land ein Gefühl von Sicherheit geben." Während der Kreml sich vor wenigen Wochen noch gegen einen ukrainischen EU-Beitritt gewehrt habe, sähe es in den neuesten Verhandlungen anders aus: "Russland nannte als mögliche Vorbilder Schweden und Österreich – diese sind ebenfalls beide in der EU."

        Putin selbst habe mittlerweile erkannt, dass ein Kompromiss mit der Ukraine ein Ausweg sei, einigermaßen unbeschadet aus der Krise zu kommen, sagt Dembinski: "Die westlichen Sanktionen sowie die ukrainische Defensive treffen Putin härter, als er es für möglich hielt. Während es in den ersten Verhandlungen Russland nicht wirklich um eine zielführende Lösung ging, scheint Putin in den aktuellen Verhandlungen in der Türkei ein stärkeres Interesse zu haben."

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