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Radioaktive Wolke kam aus russischer Atomfabrik

Im Herbst 2017 zog eine radioaktive Wolke über Europa. Bisher gab es nur Vermutungen zu ihrem Ursprung. Nun haben sich diese erhärtet.

Heute Redaktion
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Die radioaktive Wolke kam wahrscheinlich aus Russland.
Die radioaktive Wolke kam wahrscheinlich aus Russland.
Bild: iStock

Zwei Jahre ist es her, dass die Welt über den Ursprung einer radioaktiven Ruthenium-106-Wolke rätselte, die über Europa zog. Zwar fiel der Verdacht von Experten bald auf Russland und auch der russische Wetterdienst äußerste sich entsprechend, aber endgültig geklärt werden konnte das Rätsel nicht.

Daran konnte auch Simon Proud von der University of Oxford nichts ändern, der damals Satellitenbilder von der kerntechnischen Anlage Majak verglich. Dort hatte sich 1957 ein ereignet, der nach heutigem Wissensstand schwerwiegender als der von Tschernobyl war. Und genau dort vermuteten manche Fachleute – auch Proud – die Quelle des rätselhaften Rutheniums-106. Sie sollten recht behalten.

Es deute vieles darauf hin, dass es in der Atomfabrik, in der heute Radionuklide hergestellt und Kernbrennstoffe wiederaufbereitet werden, 2017 erneut einen Unfall gegeben hat, so ein 69-köpfiges Forscherteam im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences". Die Wissenschaftler hatten für die Studie über 1300 Messwerte von 179 Messstationen in ganz Europa ausgewertet.

Das Ergebnis: Aufgrund der Verteilung der Ruthenium-106-Werte, die in Ostrumänien schon früh besonders hoch waren, ist es so gut wie erwiesen, dass der Ursprung der Radioaktivität tatsächlich in Majak liegt. "Die Detektion der Ruthenium-Wolke im rumänischen Zimnicea am 30. September 2017 deutet auf eine Freisetzung in Majak zwischen dem 25. September um 18 Uhr abends und dem 26. September mittags hin", so Studienleiter Georg Steinhauser von der Universität Hannover und seine Kollegen. Bodenproben aus der Region stützen diesen Schluss.

Auch punkto Unfallursache haben die Forscher einen Verdacht. Wie schon Anfang 2018 im Fachjournal "Science" von anderen Wissenschaftlern angetönt, dürfte es Probleme bei der Wiederaufbereitung von abgebrannten Brennelementen gegeben haben. Darauf lasse das Verhältnis von Ruthenium-106 und Ruthenium-103 schließen, das von den Messstationen aufgezeichnet wurde, so das Urteil der aktuellen Studie.

"Wir wissen aus den Daten, dass der letztlich ‹verunfallte› Brennstoff nur eineinhalb bis zwei Jahre zuvor noch im Reaktor im Einsatz war", erklärte Steinhauser gegenüber Derstandard.at. Das sei besonders. Normalerweise warte man mindestens drei Jahre, bevor man sich an die Wiederaufbereitung heranwage, da jüngerer Brennstoff noch stärker radioaktiv ist und Probleme in der Wiederaufbereitung bescheren kann.

Doch warum arbeiteten die Majak-Mitarbeiter überhaupt mit so außergewöhnlich jungem Material? Auch darauf haben die Forscher eine Antwort. Sie gehen davon aus, dass dies mit einer Bestellung der Laboratori Nazionali del Gran Sasso in Italien zusammenhänge. Dort sollten Tests zur Physik von Neutrinos stattfinden, wofür es laut Experten eine stark radioaktive Quelle braucht: Cer-144, das ebenfalls aus abgebrannten Brennelementen hergestellt wird und das nachweislich vom italienischen Labor in Majak bestellt wurde.

Und die freigesetzte Menge Ruthenium-106 lässt sich laut den Berechnungen der Forscher sehr gut mit der bestellten Menge Cer-144 korrelieren.

Und jetzt? Zwar können die aktuellen Analysen den Zusammenhang zwischen der Ruthenium-Freisetzung und der Cer-144-Produktion in Majak nicht eindeutig belegen. Aber: "Auch wenn es zurzeit kein offizielles Statement dazu gibt, haben wir eine recht gute Idee, was passiert sein könnte", so Steinhauser.

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