Szene

Regime vs. Schüler in der DDR der Fünfziger

Zwei Schweigeminuten reichen, um eine Handvoll Schüler zu Staatsfeinden zumachen. Sehenswertes Drama.

Heute Redaktion
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In einer Mischung aus Lausbubenstreich und politischem Aktionismus hüllen sich die Schüler einer deutschen Klasse zwei Minuten lang in Schweigen. Als dem Lehrer dämmert, was gespielt wird, stürmt er wutentbrannt zum Direktor. Kaum einen Eintrag im Mitteilungsheft wert, mag mancher Leser an dieser Stelle urteilen. In der DDR des Jahres 1956 aber ein Affront, der schwerwiegende Konsequenzen nach sich zieht...

Eine Klasse gegen das Regime

Theo (Leonard Scheicher) und sein bester Freund Kurt (Tom Gramenz) erfahren in einem Kino in Westberlin vom Aufstand der Ungarn gegen ihre sowjetischen Besatzer. Die Revolution droht im Keim erstickt zu werden. Um sich mit den Magyaren solidarisch zu erklären, schlägt Kurt vor versammelter Klasse zwei Schweigeminuten für die gefallenen Freiheitskämpfer vor. Theo ist begeistert und überzeugt erst seine Freundin Lena (Lena Klenke) und dann den Rest seiner Klassenkameraden, mitzumachen.

Direktor Schwarz (Florian Lukas) will die Angelegenheit unter den Tisch kehren, doch ein übereifriger, ganz besonders fahnentreuer Mitarbeiter aus dem Lehrerkollegium hat bereits von der Sache Wind bekommen. Kreisschulrätin Kessler (Jördis Triebel) rückt an, um die womöglich konterrevolutionären Hintergründe der Aktion zu ermitteln, und schließlich steht sogar der Volksbildungsminister (Burkhart Klaußner) selbst auf der Matte. Liefern die Schüler nicht den Initiator der Schweigeminuten aus, wird die ganze Klasse vom Abitur ausgeschlossen. Die Uni wäre damit vom Tisch, ein Knochenjob im Stahlwerk zumindest für Theo unausweichlich.

Trailer von "Das schweigende Klassenzimmer":

Sehenswertes deutsches Drama

Spannend bereitet Regisseur und Drehbuchautor Lars Kraume in "Das schweigende Klassenzimmer" ein Stück Zeitgeschichte auf. Schnell läuft dem Zuschauer ein kalter Schauer über den Rücken, wenn die Mühlen des Regimes zu mahlen beginnen, und die Schüler mit (verbalen) Gestapo-Methoden in die Enge getrieben werden.

Die Abstimmung zwischen Polit- und Jungen-Erwachsenen-Drama ist perfekt getroffen. Auf der einen Seite lauern die seelenlosen Bürokraten, auf der anderen Seite die herrischen Eltern. Erfolgreich wehrt sich der Film zudem gegen eine naive, starre Positionierung: Medienberichte sind nicht nur im Osten, sondern auch im Westen mit Vorsicht zu genießen; und selbst der unbarmherzige Minister hat (nachvollziehbare) Gründe für sein Handeln.

Die Dreieckskiste zwischen Theo, Kurt und Lena ist ein bisschen zuviel, ebenso wie die etwas peinlichen (weil schon tausendfach kopierten) "Klub der toten Dichter"-Momente des Films. Davon abgesehen ist "Das schweigende Klassenzimmer" ein cleveres, mitreißendes Drama geworden.

"Das schweigende Klassenzimmer" startet am 2. März in den österreichischen Kinos.

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