Besorgte Anrainer riefen Freitag (12.7.) in der beschaulichen Heustadelgasse (Wien-Donaustadt) Polizei und das Wildtierservice der MA 49. Grund der Alarmierung: Ein junges Reh würde in einem Gebüsch liegen. Das Wildtierservice rief den für diesen Bereich zuständigen Jäger Konrad P. (Name geändert). Dieser sollte sich das arme Wildtier einmal genauer ansehen, die Geschichte nahm ihren Lauf.
In Folge hätten sich noch mehrere Anrufer gemeldet, die das Reh gesehen hätten. Es herrschte Verwirrung. Schlussendlich wurde das Kitz gegen 14 Uhr in einer Tiefgaragenabfahrt in der Benjowskigasse, keine 300 Meter vom Standort der Erstalarmierung, gesichtet. Anrainer und Kinder beobachteten das am Boden kauernde Tier, das apathisch wirkte. Dem Kitz wurde eine Schüssel mit Wasser hingestellt.
Jäger Konrad P. fand sich plötzlich auch ein. Laut Anrainern hätte der Mann das Reh begutachtet, wäre daraufhin mit gezücktem Messer auf das Tier zugegangen. Er habe die Absicht gehabt, es zu töten. Bei den Augenzeugen herrschte Entsetzen. "Wollen Sie nicht wenigstens warten, bis die Kinder weg sind?", hätte Anrainerin Tamara P. (Name geändert) gesagt. Der Waidmann hätte tatsächlich kurz abgewartet, sich dann dem Reh genähert und ihm die Kehle durchgeschnitten.
Danach hätte der Jäger das Reh auf seinen Transporter geladen und wäre gefahren. Eine Blutlache, fassungslose Kinder mit großen Augen und geschockte Anrainer blieben zurück.
Das Wildtierservice Wien betont, dass aus seiner Sicht "im Stadtgebiet das Töten eines Tieres immer die letzte Maßnahme ist." Zuvor sei jedenfalls eine Einschätzung des allgemeinen Gesundheitszustandes durchzuführen und alles zu versuchen, um dem Wildtier entsprechend zu helfen.
Ein Kuriosum: der Jäger wäre in der Benjowskigasse gar nicht zuständig gewesen. Denn zwischen dieser und der Heustadelgasse liegt die Jagdgebiets-Grenze von Gemeinde- zu Stadtgebiet. In ersterem ist das Wiener Wildtierservice zuständig, in letzterem der Landesjagdverband, dem Konrad P. unterstellt ist – und von dessen Vorgehen sich das Wildtierservice "ausdrücklich distanziert." P. hätte sein Handeln selbst zu verantworten – "und außerdem selbstverständlich die Blutlache zu beseitigen", wie es ausdrücklich hieß.
Seitens der Jägerschaft hieß es übrigens, dass "der Fall noch untersucht wird." Dem Jäger droht eine Strafe. Angeblich soll P. in einem Erstgespräch "Reue" gezeigt haben. Und: Alle Jäger in Wien sollen nun über entsprechende Vorgangsweisen in ähnlichen Fällen intensiver informiert werden.