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Rettung in letzter Sekunde für das Weiße Nashorn?

Heute Redaktion
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Kürzlich starb das letzte männliche Weiße Nashorn und damit eigentlich die Aussicht auf Fortbestand der Art. Doch es gibt einen winzigen Funken Hoffnung.

"Sudan. Das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn 1973–2018": So steht es auf einem Gedenkstein zur Erinnerung an den weltbekannten Dickhäuter, der Anfang des Jahres in Kenia wegen Altersschwäche eingeschläfert werden musste.

Nach der traurigen Nachricht von März keimt jetzt wieder Hoffnung auf für die Tiere mit dem charakteristischen breiten Maul: Forscher wollen die Ausrottung mit Methoden der künstlichen Reproduktion und der Stammzellforschung aufhalten – und damit auch die Vorlage liefern für die Rettung weiterer hochgefährdeter Arten.

Erster Erfolg im Labor

Nur noch zwei Weibchen sind übrig von der einst in Zentral- und Ostafrika verbreiteten Unterart. Die Methode, mit der der Coup einer Wiederbelebung gelingen soll, stellt das Team um den Veterinärmediziner Thomas Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin im Fachblatt "Nature Communications" vor.

Grund zum Jubeln?

US-Experten warnen in einem Kommentar zur Studie vor zu hohen Erwartungen. Beeindruckende Ergebnisse in einer Petrischale ließen sich nicht ohne weiteres in gesunden Nachwuchs übertragen, schreiben Terri Roth und William Swanson vom Center for Conservation and Research of Endangered Wildlife in Cincinnati. Bei High-Tech-Verfahren wie dem Klonen bleibe bisher "in fast allen Fällen" der Beitrag zum Arterhalt fraglich. Sie seien oft ineffizient, häufig gebe es Fehlgeburten und Todesfälle bald nach der Geburt.

Ein Beispiel verdeutlicht das Problem: Nachdem das letzte Exemplar des Pyrenäensteinbocks, einer Unterart des Iberiensteinbocks, im Jahr 2000 gestorben war, wollten Wissenschaftler mit seinen Zellen neue Exemplare klonen. Tatsächlich kam es auch zur Geburt eines Jungtiers. Doch das starb nur wenige Minuten, nachdem es zur Welt gekommen war, an einer Missbildung der Lunge. So kam es, dass – zum ersten Mal in der Erdgeschichte – eine Unterart gleich zweimal ausstarb. (Bild: Wikimedia Commons/PD)

Die Forscher haben es geschafft, im Labor Nashorn-Embryonen zu erzeugen und zu kultivieren (siehe Bildstrecke). "Dies sind die weltweit ersten in vitro produzierten Nashorn-Embryos", erklärt Hildebrandt. Werde ein solcher Embryo einer Leihmutter eingesetzt, seien die Chancen "sehr hoch", dass diese trächtig werde.

Verwandte Nashörner als Rettungsanker

Allerdings handelt es sich bisher noch nicht um reine Embryos der bedrohten Unterart. Zunächst erprobten die Forscher die aufwendige Entnahme von Eizellen bei engen Verwandten der Nördlichen Breitmaulnashörner (Ceratotherium simum): bei Südlichen Breitmaulnashörnern in europäischen Zoos. Und das rund 20 Mal.

Von dieser Unterart gibt es in freier Wildbahn noch mehr als 20.000 Exemplare. Nördliche Breitmaulnashörner gelten seit 2008 als in der Natur ausgestorben. Wilderei ist ein Hauptgrund.

Schlechte Spermien

Was die Spermien anbelangt, so stand dem Team eingelagertes Material von Nördlichen Breitmaulnashörnern zur Verfügung. Allerdings beschreiben die Forscher die Qualität als schlecht. Deshalb mussten Spermien jeweils direkt in die Eizelle gespritzt werden.

Sudan war das letzte männliche Weiße Nashorn. Der Bulle musste im März 2018 eingeschläfert werden. (Video: Tamedia)

Dabei arbeiten die Forscher mit einem italienischen Unternehmen zusammen, das das Verfahren sonst bei Rindern und Pferden anwendet. Die sogenannte Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) ist auch beim Menschen eine häufig genutzte Methode zur künstlichen Befruchtung.

Wettlauf gegen die Zeit

Mit den bisherigen Erfahrungen wollen sich die Forscher nun daran machen, den letzten beiden weiblichen Nördlichen Breitmaulnashörnern Eizellen zu entnehmen – einem IZW-Sprecher zufolge noch im August oder September.

Die Tiere sind die Tochter und die Enkelin des Bullen Sudan und leben in einem Reservat in Kenia. Beide sind unfruchtbar. Deshalb werden Leihmütter benötigt – auch hierfür eignen sich Südliche Breitmaulnashörner.

Zu einer solchen Nashorn-Schwangerschaft könnte es dem Vernehmen nach Anfang 2019 kommen. Noch feilen die Forscher an der Technik zum Embryo-Transfer. Und sie werben um Geld von Privatleuten. Zwar laufe ein Förderantrag, heißt es von Seiten des IZW. Das Vorhaben sei aber ein Wettlauf gegen die Zeit.

"Bahnbrechende Forschung"

Doch selbst die Geburt eines gesunden Nashornbabys würde noch nicht die Rettung für das Nördliche Breitmaulnashorn bedeuten: Da es nur zwei Weibchen und Spermien weniger Bullen gibt, wäre die genetische Vielfalt für den Aufbau einer sich selbst erhaltenden Population nicht groß genug.

Deshalb arbeiten die Wissenschaftler parallel an Stammzelltechnik, um aus erhaltenen Nashorn-Körperzellen Spermien und Eizellen zu züchten.

Beim IZW gibt man sich hoffnungsvoll: "Diese Forschung ist bahnbrechend", sagt Sprecher Steven Seet. "Wir erleben gerade die Entwicklung einer Methode, die dabei helfen kann, dem negativen Einfluss der Menschen auf die Natur etwas entgegenzusetzen."

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