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Rind bei lebendigem Leib von Wolf angefressen

Ein Leser-Reporter bekam kürzlich ein Video zugeschickt, das ein angefressenes Rind zeigt. Es wird vermutet, dass ein Wolf dahinter steckt.

Heute Redaktion
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Wer zartbeseelt ist, sollte sich das Video nicht anschauen. Zu sehen ist, wie ein Rind ruhig auf einem Waldweg einer Alp steht, die Ohren wackeln leicht.

Dann schwenkt die Kamera zur Seite der Kuh und dem Zuschauer bietet sich ein grausliger Anblick: Auf der linken Hinterbeinseite fehlt das Fell, Fleischresten sind blutrot freigelegt, der Hüftknochen wackelt.

Dann fährt die Kamera zur Rückseite des Tiers und es bietet sich erneut ein fürchterlicher Anblick: Das halbe Hinterteil ist offen und es klafft ein Loch darin.

Grauvieh aus Trentino

Laut einem Leser-Reporter soll das Video vergangenes Wochenende im Gebiet Murgtal SG entstanden sein. Nun gehe es viral. Laut Recherchen von 20 Minuten werden dem Video allerdings diverse Entstehungsorte zugeordnet.

"Ich habe das Video von diversen Seiten bekommen. Mal heißt es, es stammt aus Murgtal SG, mal aus dem Glarnerland oder aus Schangnau im Emmental", sagt Martin Keller, Präsident von der Vereinigung zum Schutz der Weidetierhaltung und ländlichem Lebensraum der Kantone Glarus, St. Gallen und beider Appenzell (VWL).

Keller weiß: "Das Video stammt nicht aus der Schweiz. Es ist in Moena, Region Trentino-Südtirol entstanden." Ein Experte aus der Region habe ihm das bestätigt. Keller hatte das schon vermutet. "Beim betroffenen Tier handelt es sich um Grauvieh. Das ist typisch für das Südtirol. Bei uns ist diese Rasse eher selten."

Bär oder Wolf

Doch welches Tier hat die Kuh angefressen? "Dafür kommt entweder ein Bär oder ein Wolf in Frage", sagt Keller. Er geht davon aus, dass sich ein Wolf am Rind zu schaffen machte. "Wäre es ein Bär gewesen, würde man vermutlich Kratzspuren sehen." Keller hatte im Engadin schon mal ein Rind gesehen, dass von einem Bär gerissen wurde. Dieses sei von hinten angefallen worden "Das Rind wies am ganzen Körper diverse Kratzspuren auf."

In der Gegend der Alp, wo das Rind angefallen wurde, habe es Wölfe. Speziell sei, dass das Rind im Trentino beim Angriff nicht getötet wurde. Das könnte auch auf einen einzelnen Wolf hinweisen, da ein kräftiger Bär das Rind wohl erlegt hätte.

Wundern würde ihn auch der Zustand des Rindes. "Es wirkt apatisch." Trotz schwerster Verletzungen steht das Tier seelenruhig da. "Vermutlich steht es unter Schock." Anders könne er sich das nicht erklären. Trotzdem, dass Tier habe man wohl einschläfern müssen.

Hiesigem Wolf fehlt Erfahrung in Großviehjagd

Dass der Wolf in der Schweiz Jagd auf Großvieh macht, kommt derzeit eher selten vor. "Solange der Wolf genügend Wild jagen kann, wird er Großvieh in Ruhe lassen", sagt Keller. Zudem sei ein Rind oder eine Kuh viel schwieriger zu erlegen als etwa eine Gämse oder einen Hirschen. Und den Wölfen in der Schweiz fehle schlicht die Erfahrung in der Jagd auf Großvieh.

Würden sich die Wölfe in der Schweiz auf die Jagd auf Großvieh spezialisieren, würde damit eine rote Linie überschritten. "Dann müsste ein solch schadstiftender Wolf sofort erlegt werden können", sagt Keller. (red)