Welt

Ripoll – eine Klosterstadt wird zum Terror-Nest

Heute Redaktion
Teilen

Das Städtchen Ripoll steht unter Schock. Die Einwohner können sich nicht erklären, wie sich mitten unter ihnen junge Marokkaner radikalisieren konnten.

Das katalonische Städtchen Ripoll an der Grenze zu Frankreich ist eigentlich für sein Kloster bekannt. Seit Freitag steht aber eine Moschee des Ortes im Fokus – denn seit den Anschlägen von Barcelona und Cambrils ist klar: Hier formierte sich eine Terrorzelle aus jungen Marokkanern, die offenbar unter dem Einfluss eines Imams stand.

Das Städtchen steht unter Schock. "Wir sind nur 11.000 Einwohner und haben nur neun Prozent Einwanderer", sagt der Bürgermeister Jordi Munell zum "Guardian". "Wir kennen uns praktisch alle."

Fahndung nach Haupttäter

Am Samstag versammelten sich auf dem Marktplatz mehr als 40 Angehörige der mutmaßlichen Attentäter und distanzierten sich öffentlich von den Attentaten. Die Mutter von Younes Abouyaaqoub (22), dem getöteten Hauptverdächtigen des Anschlags von Barcelona, forderte vor dessen Erschießung ihren Sohn spanischen Medien zufolge zur Aufgabe auf. Die Familienmitglieder versammelten sich vor dem Rathaus und trugen Plakate mit den Aufschriften "Nicht in unserem Namen".

Terror in Spanien

Seit Mittwoch ist zu zwei zusammenhängenden IS-Terroranschlägen mit insgesamt 15 Toten gekommen.

Am Donnerstagabend raste in Barcelona ein Lieferwagen auf der Flaniermeile Las Ramblas in eine Menschenmenge. 13 Menschen wurden dabei getötet, über 120 verletzt. Der 22-jährige Marokkaner Younes Abouyaaqoub saß am Steuer.

Nach der Attacke verhinderte die Polizei Schlimmeres bei einem zweiten Anschlag in Cambrils. Fünf Angreifer fuhren mit einem Auto in mehrere Zivilisten, bevor sie von der Polizei erschossen wurden. Die Jihadisten verletzten sieben Personen, eine Frau erlag später ihren Verletzungen.

Bereits am Mittwoch gab es eine Explosion in einem Wohnhaus in Alcanar, bei der ein Mensch getötet und sieben weitere verletzt worden sind. Offenbar wollte die Terrorzelle dort mit Gasflaschen eine größere Bombe bauen.

Die Polizei in Spanien nimmt an, dass Abouyaaqoub den weißen Lieferwagen lenkte, der am Donnerstag in Barcelona 13 Menschen tötete. Mit Hochdruck wurde nach dem 22-Jährigen gefahndet, bevor er von der Polizei am Montagnachmittag erschossen wurde. Wie der Flüchtige lebte ein Großteil der inzwischen toten oder festgenommenen übrigen Verdächtigen in Ripoll oder in der Umgebung.

Warum die Männer im Alter zwischen 17 und 28 Jahren sich radikalisiert haben, ist für deren Angehörige ein Rätsel. "Wenn ich etwas über Terroristen im Fernsehen gesehen habe, habe ich immer geglaubt, dass mit denen etwas nicht stimmen kann, dass die verrückt sein müssen", zitiert "Spiegel Online" die Schwester eines der mutmaßlichen Terroristen, die von der Polizei in Cambrils erschossen wurden.

Der verschwundene Imam

Die Gruppe junger Marokkaner habe oft zusammen Fußball gespielt, berichtet Radi (15), ein ehemaliger Freund, dem "Spiegel". Doch im Sommer 2016 seien sie plötzlich immer religiöser geworden und hätten ihre Nachmittage in der Moschee verbracht. Am Tag vor dem Anschlag habe Moussa Oukabir versucht, sein Fahrrad zu verkaufen. Der 17-Jährige mietete einen Tag später den weißen Lieferwagen – mit dem Ausweis seines Bruders Driss.

Verantwortlich für die Radikalisierung der jungen Männer soll der Imam Abdelbaki Es Satty sein. Der Imam war verschwunden und beschäftigte die Ermittler. Es stellte sich heraus, dass er bei der Explosion eines Hauses in Alcanar am Mittwochabend getötet wurde. Der Imam hatte seine Arbeit in der Moschee von Ripoll im Juni plötzlich aufgegeben und wurde seitdem nicht mehr gesehen. In Alcanar bauten die Terroristen an Bomben – eine versehentliche Explosion riss sie und den Imam in den Tod. Am Sonntag wurde bekannt, dass sich 120 Gasflaschen in dem Haus befanden.

Spanischen Medien zufolge war der Anschlag in Barcelona nur der Plan B – und der Imam möglicherweise der Kopf der Terrorzelle. Als sicher gilt, dass die Täter sich seine Predigten anhörten.

Spur in die Schweiz

Seit 2015 predigte Es Satty in der Kleinstadt, erst in einer kleineren, später in einer größeren Moschee der islamischen Annour-Gemeinde. Laut "El País" saß der Imam wegen Ärger mit der Ausländerbehörde schon einmal kurz im Gefängnis. Vor dem Anschlag war er in Marokko und hatte dann drei Monate lang in Machelen bei Brüssel gewohnt.

Zwei der Verdächtigen sollen sich im Dezember 2016 zudem in der Schweiz aufgehalten haben. Das berichtet der "Tagesanzeiger" unter Berufung auf die katalanische Polizei. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) bestätigte gegenüber "20 Minuten", "dass mindestens ein Täter der Anschläge in Spanien sich Ende 2016 in Zürich aufgehalten hat". Es ließe sich aber noch nicht sagen, ob und was für eine Verbindung die Täter zur Schweiz gehabt hätten. (mlr/sda/afp)