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Rotter: "Ich bin ein alter Hund mit jungem Herz"

Zwei Tore schoss Rafael Rotter in Linz. Jetzt ist er zurück in Wien für die 14. Saison mit den Vienna Capitals. "Heute" sagt er: "Es geht mir besser."

Martin Huber
Rafael Rotter im Nieselregen an der Alten Donau: "Die Knochen kannst du nicht trainieren."
Rafael Rotter im Nieselregen an der Alten Donau: "Die Knochen kannst du nicht trainieren."
Helmut Graf

"Heute": Rafael, du bist zurück in Wien, zurück bei den spusu Vienna Capitals. Was hat dir im letzten Jahr in Linz am meisten gefehlt?

"Mein Umfeld – die Familie, meine Freunde. Auch wenn Wien von Linz aus nur eine Stunde mit dem Zug entfernt liegt, fehlte mir die Routine, die Wien für mich hatte. Mittagessen gehen mit meinen Kumpels oder Abendessen mit meinen Eltern. Ich schätze die Spieler von Linz und die Freunde, die ich dort kennengelernt habe. Aber es ist einfach was anderes, wenn du deine Freunde schon zehn, 15 Jahre kennst. Die fehlen einfach. Ich fühle mich wohler, wenn sie in meiner Nähe sind. Ich brauche das einfach. Ich bin als Person so. Jetzt geht es mir besser."

Apropos besser: Du hast nach 13 Saisonen bei den Caps in Linz nur zwei Tore in einer Saison geschossen. War der Wechsel im Nachhinein ein Fehler?

"Auf keinen Fall, obwohl es sportlich sicher nicht nach Wunsch gelaufen ist. Ich habe eine andere Seite gesehen. Ich war ewig lange in Wien. Ich glaube nicht, dass viele Leute damit gerechnet haben, dass ich noch einmal weggehen werde. Es ist passiert. Und es war eine neue Erfahrung. Ich hab neue Leute kennengelernt, habe in einer Organisation gespielt, die sich sehr, sehr bemüht hat. Letztes Jahr ist durch die Umstrukturierung noch einiges falsch gelaufen. Alle haben aber einen richtigen Drive gehabt. Aber es ist wie in anderen Jobs, du machst drei, vier falsche Entscheidungen, die große Auswirkungen haben – bei uns auf den Kader und die Spielweise. Das ist schade, weil wir eigentlich einen guten Kader hatten. Aber wir haben das Ganze nicht aufs Eis umgesetzt. Und darum geht es in unserem Job – ums Gewinnen. Wir waren früh abgeschlagen, dann ist es umso schwerer. Die Liga wird jedes Jahr besser. Nichtsdestotrotz war es ein lehrreiches Jahr. Ich bin glücklich, dass ich wieder zurück bin in Wien. Ich glaube aber, dass es heuer auch für Linz besser laufen wird."

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    Rotter: "Kaisermühlen ist ein kleines Dorf. Ich liebe es."
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    Helmut Graf
    "Es fehlte die Geborgenheit, die ich in Wien an manchen Orten gespürt habe"

    Wir haben dich gebeten, das Interview mit dir an deinem Lieblingsort in Wien zu führen: Du hast die Alte Donau ausgewählt. Warum?

    "Kaisermühlen ist wie ein kleines Dorf in Wien. Ich bin hier vor einem Jahr hergezogen, ich liebe es. Jeder kennt sich, die Leute sind alle sympathisch. Im Sommer ist es, als würde man im Urlaub wohnen. Ich kann mit meinen Burschen schwimmen und Sport machen draußen. Ich bin ein Sonnenverrückter, da hilft es, wenn ich an der Donau wohne. Es gibt geile Beisln, wo man super essen kann. Ich habe es leider letztes Jahr nicht ausnützen können, weil ich nach Linz gegangen bin. Aber jetzt fühle ich mich hier richtig wohl. Das ist jetzt meine Heimat. Und ich bin gleich in der Halle, mit dem Auto fahre ich drei Minuten hin."

    Du betonst, dass dir dein Umfeld wichtig ist: Hattest du in der Zeit in Linz Heimweh?

    "Heimweh? Natürlich, an manchen Tagen denkst du dir, jetzt würde ich gerne in das Lokal gehen. Es fehlte einfach die Routine, die Geborgenheit, die ich in Wien an manchen Orten oder in meiner Wohnung gespürt habe. Das auf jeden Fall. Das hat gefehlt. Die Heimat ist die Heimat, das war nicht das Gleiche. So richtig Heimweh hatte ich aber nicht. Jetzt fühle ich mich einfach wieder wohler."

    Die Caps-Fans haben dich im Linzer Dress während des Lockdowns in der Halle hochleben lassen. Was hat das bei dir ausgelöst?

    "Totale Gänsehaut. Es ist einzigartig in Österreich, wenn du vor so einer Kulisse wie in Wien spielst. Durch die Pandemie waren keine Fans in der Halle, aber die Choreografie, die sie aufgebaut haben, das war Wahnsinn. Aber ich bin nichts anderes von den Wiener Fans gewohnt. Das ist auch keine Negativwerbung für andere Fanklubs in Österreich, die alle sehr bemüht sind. Aber Wien ist einfach Wien. Da wird mir jeder Recht geben. Wenn in Wien die Halle voll ist, ist es einzigartig zu spielen. Da geht es ums Prestige. Das wird jede andere Mannschaft auch sagen, die in Wien spielt. Man kommt zu dieser Riesenhalle, die wirklich für die Zuschauer total gemütlich ist, für Klein und Groß, wo sich jeder wohl fühlt. Es hat sehr angenehme Temperaturen im Dezember in der Halle. Die Stimmung ist einzigartig. Und wenn wir dann noch gut spielen und abliefern, dann ist das unschlagbar. Ich bin den Fans dankbar in Wien. Sie sind immer hinter mir gestanden, haben mir den Wechsel nicht übel genommen. Ich denke, sie freuen sich, dass ich zurück bin. Aber ich weiß auch, dass man es nicht jedem Fan recht machen kann."

    Capitals-Topscorer Rotter mit "Heute"-Reporter Huber im Interview
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    Helmut Graf
    "Du kannst auch von Menschen  etwas lernen, die dir nicht sympathisch sind"

    Du bist jetzt schon der Topscorer der Caps-Clubgeschichte. Es fehlen dir 18 Treffer auf den Tor-Rekord von Mike Craig. Ist dieser Rekord etwas, das dich reizt?

    "Wenn ich den Torschnitt von Linz beibehalte, dauert das noch ein paar Saisonen. (grinst) Nein, der Rekord war nie mein Ziel. Natürlich hilft es, wenn ich schieße, das sagt mir jeder Coach. (grinst) Aber ich bin ein Typ, der immer die Mannschaft in den Vordergrund gestellt hat. Hin und wieder fällt mir das schwer bei meinen disziplinären Ausschreitungen. Aber im Grunde genommen ist für mich die Mannschaft das Wichtigste. Ich habe die letzten Jahre gelernt, dass wenn du in einer gut funktionierenden Mannschaft spielst, dir das auch individuell hilft. Du kriegst mehr Eiszeit, kannst dich mehr zeigen. Das hat man letztes Jahr auch in Wien gesehen: Die haben sich zusammengerauft, viele Spieler hatten eine unglaubliche Saison, weil alle an einem Strang zogen. Aber natürlich: Im Eishockey wird stark auf die Punkte und Vorlagen geschaut. Davon hängt auch dein Gehalt ab. Ich schaue auf das Team. Ob ich das mit den Toren schaffe, weiß ich nicht. Wichtig ist, dass wir gut spielen."

    Du bist mit 35 Jahren in dieser Saison der zweitälteste Spieler bei den Caps nach Goalie Starkbaum. Welche Rolle hast du heuer im Team?

    "Jetzt bin ich schon wirklich ein alter Hund. Das ist arg, wie schnell das geht. Aber ich bin noch sehr jung geblieben im Herzen. Meine Rolle hat sich die letzten Jahre nicht geändert: Ich bin schon ewig ein sehr positiver Typ. Ich bin für jeden Spaß zu haben. Ich verstehe mich mit den Jungen und Alten. Du musst einen Mix finden. Man muss Profi und Vorbild sein. Das versuche ich jeden Tag, in der Kraftkammer und am Eis. Nur so kommst du weiter. Ich habe nie ausgelernt, im Eishockey und im Leben. Du kannst von jeder Person etwas lernen. Auch von Menschen, die dir nicht sympathisch sind. Man muss immer offen sein. Ich will den Jungen einen Weg zeigen. Der Spaß darf aber nie zu kurz kommen. Wir spielen, weil es uns Spaß macht. Es war früher unser Hobby, jetzt ist es unser Job. Wir dürfen machen, was wir lieben. Aber: Du musst hier Lust am harten Training haben, sonst bist du falsch am Platz."

    "Wenn nicht, dann wird es sehr schnell einige Besoffene geben"

    Wie fit bist du mit 35 Jahren?

    "Ich denke, dass ich ziemlich fit bin. Hie und da wenn ich mit den Jungs in der Kraftkammer oder am Eis bin, kann es sein, dass ich etwas lauter atme. (grinst) Oder öfters runterschlucken muss. (lacht) Aber ich bin 35 Jahre alt, das ist ganz klar. Im Großen und Ganzen bin ich sehr gut beieinander für mein Alter. Aber das eine hat leider beim Eishockey mit dem anderen nicht so viel zu tun. Wenn du einen Schuss blockst oder jemand einen guten Check fährt und du den nicht siehst, kannst du noch so gut sein, dann bist du verletzt und da hilft es dir nicht, dass du auf dem Radl 600 Watt treten kannst, zwei Meter in die Luft springen kannst oder 200 Kilogramm Beinpresse machst – dann bist du verletzt. Ein Knochen bricht, den kannst du nicht trainieren. Wenn du einen Check gegen den Kopf kriegst, kannst du noch so einen kleinen oder großen Kopf haben, dann hast du eine Gehirnerschütterung. Klar ist: Ich bin fit. Und ich hoffe, dass ich diese Saison verletzungsfrei bleibe."

    "Ein Knochen bricht, den kannst du nicht trainieren"

    Das erste offizielle Mannschaftstraining steht diese Woche an. In der Steffl Arena gibt es 3.140 Krügerl Freibier. Welche Botschaft hast du an die Fans?

    "Da braucht man nicht viel sagen zu den Wiener Fans. Die werden zahlreich kommen. Wenn nicht, dann wird es sehr schnell einige Besoffene geben. Das kann auch lustig werden. Ich kenne die Wiener Fans, die brennen auf die kommende Saison. Die Leute können sich freuen auf eine junge, frische Mannschaft."

    Rotter: "Die Fans können sich auf eine junge, frische Mannschaft freuen."
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    Helmut Graf
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