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Russe bleibt Boss, Boxen endgültig vor Olympia-Aus

Der Box-Weltverband verzichtet auf Neuwahlen und hält an seinem umstrittenen Präsidenten fest. Das gefährdet die olympische Zukunft der Sportart.

Sebastian Klein
Umar Kremlew
Umar Kremlew
Alexander Zemlianichenko / AP / picturedesk.com

In der Boxwelt rumort es – und wie. Nicht nur pöbelt Tyson Fury gegen Anthony Joshua und lässt das "Battle of Britain" mit wüsten Beleidigungen platzen. Auch beim Weltverband IBA brodelt es heftig. So bleibt der Russe Umar Kremlew für vier weitere Jahre Präsident. Zuletzt stimmten fast 75 Prozent der Delegierten auf dem außerordentlichen Kongress im armenischen Eriwan gegen Neuwahlen, wodurch Kremlew im Amt bleibt.

Daraufhin äußerte sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) "extrem besorgt". Gegenüber "Inside the Games" teilte das IOC mit: "Ein Problem ist, dass es keine Wahl gab, sondern nur eine Abstimmung darüber, nicht zu wählen." Besonders pikant: Einen Herausforderer hätte es eigentlich gegeben, den Niederländer Boris van der Vorst. Durch die Nicht-Wahl hatte er aber von Anfang an keine Chance.

Boxverband weist Vorwürfe zurück

Gegenüber "20 Minuten" will der Box-Boss nichts von diesen Vorwürfen wissen. Der 39-Jährige sagt: "Wir hatten eine transparente und demokratische Abstimmung. Wahre Demokratie basiert auf unterschiedlichen Meinungen, es setzt sich aber die Mehrheit durch." Dass 36 Nationalverbände eine gegenteilige Meinung gehabt hätten, sei das perfekte Zeugnis für die Demokratie, die innerhalb der IBA herrsche.

Die Kritik des IOC versteht Kremlew überhaupt nicht. Man habe ihm nicht mitgeteilt, weshalb das Internationale Olympische Komitee besorgt sei. Er fordert, dass man den demokratischen Entscheid anerkennen solle. "Es mangelt an Informationen darüber, wie die Dinge innerhalb der IBA laufen", so der Präsident weiter. Die Nicht-Wahl begründet der Russe damit, dass es Sache des IBA-Leitungsgremiums sei, ob es Neuwahlen gebe oder nicht. "Es wurde der Wille zum Ausdruck gebracht, denselben Präsidenten zu haben."

Also alles gut? Nein. Es ist nicht zu vermuten, dass sich das IOC durch Kremlews Worte besänftigen lässt. So ist da nicht nur die Nicht-Wahl, sondern auch der Umstand, dass der Präsident als enger Vertrauter seines Vorgängers Gafur Rachimow (Usbekistan) gilt, der sein Amt wegen Korruptionsvorwürfen abgeben musste.

Bleibt Boxen olympisch?

Und so dürften beim IOC die Zweifel an der Erneuerung des Verbandes nicht geringer geworden sein. Eine Aufnahme des Boxens ins Programm der Sommerspiele von Los Angeles 2028 ist fraglicher denn je. Für die Spiele in Paris 2024 hat das IOC der IBA die Ausrichtung des Boxturniers bereits entzogen. Darauf angesprochen meint ein IBA-Sprecher zu "20 Minuten": "Wir glauben, dass unsere enorme Arbeit bewertet und gewürdigt wird, um das Boxen wieder willkommen zu heißen."

Es wird also mit Sicherheit noch weiter in der Boxwelt rumoren. So wie in der Vergangenheit auch schon. So hieß die IBA früher Aiba. Im Kampf um die olympische Zukunft setzte der Box-Weltverband nach zahlreichen Skandalen aber auf einen neuen Namen, ein neues Logo und interne Reformen – bisher erfolglos.

Zumal im Vorfeld der Abstimmung die vorläufige Suspendierung der Ukraine für Unruhe gesorgt hatte. Diese erfolgte gemäß des IBA wegen der Einmischung des Staates in die Arbeit des nationalen Verbandes. Die Ukrainer reagierten auf diesen Entscheid stinksauer. In einem Brief schrieb Verbandspräsident Kyrylo Schewtschenko: "Wir sind überzeugt davon, dass die Suspendierung lediglich ein Versuch ist, die ukrainische Box-Gemeinschaft zum Schweigen zu bringen."

"Situation ist inakzeptabel"

Auch diese Vorwürfe weist die IBA gegenüber 20 Minuten vehement zurück und spricht davon, dass man den ukrainischen Verband gewarnt habe. Gemäß eines Sprechers hätten die Ukrainer einen gewählten Verbandspräsidenten unrechtmässig durch einen neuen ersetzt – eben Schewtschenko. "Die Situation ist inakzeptabel."

Von der Suspendierung sind aber nicht die ukrainischen Boxer betroffen. Das betont der Verband. Auf die Frage von 20 Minuten, ob der Krieg zwischen Russland und der Ukraine eine Rolle für die Suspendierung spielte, da Kremlew Russe sei, meint die IBA: "Wir handeln gemäß unserer Verfassung."

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