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Russen wehren sich mit Molotows gegen Einberufung

Viele Russen verstecken sich oder fliehen ins Ausland, um der Rekrutierung zu entgehen. An einigen Orten wurden auch Aushebungsbüros in Brand gesetzt.

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Ein Videoclip zeigt, wie ein Unbekannter ein Einberufungsbüro in der Region Irkutsk in Brand setzt.
Ein Videoclip zeigt, wie ein Unbekannter ein Einberufungsbüro in der Region Irkutsk in Brand setzt.
Screenshot Twitter/ Igor Sushko

"Wie man sich zuhause den Arm bricht" war in Russland einer der meistgewählten Suchbegriffe auf Google, nachdem Präsident Wladimir Putin die Teilmobilmachung verkündet hatte. Die Suchanfrage war zuvor gar nicht aufgetaucht, schnellte nach der Ansprache Putins am vergangenen Mittwoch aber auf den Wert 38 auf einer 100er-Skala der Häufigkeit von Anfragen. Hintergrund: Putin will rund 300.000 Reservisten einziehen lassen, um nach den Niederlagen der russischen Armee in der Ukraine die dort noch besetzten Gebiete zu halten.

Flucht ins Ausland

Denn viele Russen, denen eine mögliche Einberufung droht, versuchen mit allen Mitteln, der Rekrutierung zu entgehen. Schon jetzt ist die russische Sprache um ein neues Wort reicher geworden: "Mogilisazija" – eine Mischung aus den Begriffen "Mobilisierung" und "Grab". Nach wie vor stauen sich an den Grenzen zu Georgien oder Kasachstan – Länder, für die keine Visa nötig sind – die Autokolonnen, Flüge ins Ausland sind auf Tage ausverkauft oder bei weiten Zielen kaum zu bezahlen. Georgien hat allerdings mittlerweile seine Grenzen für Russen geschlossen.

Gemäß einem Bericht des Nachrichtenportals Meduza will Russland in wenigen Tagen seine Grenzen für Männer im mobilisierungsfähigen Alter schließen. Das Portal beruft sich dabei auf zwei nicht näher genannte Quellen im Kreml. Demnach sollen am Mittwoch, den 28. September, die Grenzen geschlossen werden, um so eine Flucht von wehrpflichtigen Bürgern zu verhindern.

Bisweilen schlagen junge Männer aber auch andere Wege ein, um der Rekrutierung zu entgehen. Im Dorf Endirej in Dagestan etwa blockierten Anwohner eine Straße, um so die von Wladimir Putin angeordnete Teilmobilisierung zu behindern, wie OVD-Info am Sonntag mitteilte.  Auf Videos ist zu sehen, wie Polizisten Gewehre in die Luft richten, dann sind Schüsse zu hören. Laut dagestanischen Medien war der Protest eine Reaktion darauf, dass aus dem Dorf 110 Männer in den Krieg gegen die Ukraine gezwungen wurden.

Mit Molotow-Cocktails gegen Rekrutierung

In der russischen Teilrepublik Dagestan eskalierte am Wochenende in mehreren Orten der Widerstand gegen die Einberufungen. Frauen gingen mit Fäusten auf Polizisten los, weil sie verhindern wollten, dass ihre Männer, Söhne oder Brüder im Krieg in der Ukraine sterben. Viele riefen, dass sie nichts gegen Ukrainer hätten und deshalb nicht schießen würden auf sie. Ein Polizist feuerte mit einer Maschinenpistole in die Luft, um die wütende Menschenmenge zur Ruhe zu bringen. Zeitweise wurde auch eine Fernverkehrsstraße mit Sitzblockaden der Dagestaner gesperrt.

An anderen Orten versuchen die Menschen offenbar, das Problem an der Wurzel zu packen, und fackeln Einberufungs- und Militärinstitutionen ab. Entsprechende Einträge auf Social Media zeigen angeblich ausgebrannte Gebäude die von den Behörden für die Rekrutierung genutzt werden. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Wehrpflichtiger in Urjupinsk im Oblast Wolgograd mit seinem Schiguli die Türe eines Rekrutierungsbüros rammt und danach Molotow-Cocktails gegen das Gebäude wirft.

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    Das eigene Volk übt in Russland nach der Teilmobilisierung nun den Aufstand gegen Wladimir Putin.
    Das eigene Volk übt in Russland nach der Teilmobilisierung nun den Aufstand gegen Wladimir Putin.
    ALEXANDER NEMENOV / AFP / picturedesk.com