Ruzowitzky: "Spannend, Grenzen zu sprengen."

Oscar-Gewinner Stefan Ruzowitzky bleibt als Filmemacher unberechenbar: Nach einem Ausflug ins Familiengenre (Hexe Lili) und seinem düsteren US-Debüt (Cold Blood) meldet sich der Erfolgsregisseur dieser Tage mit einem Dokumentarfilm zurück. In Das radikal Böse durchleuchtet der Niederösterreicher ein weniger bekanntes Kapitel nationalsozialistischer Kriegsverbrechen - beiläufige Massentötungen der Nazis im Osten. Im Interview spricht er offen über sein neues Werk.

Oscar-Gewinner bleibt als Filmemacher unberechenbar: Nach einem Ausflug ins Familiengenre ("Hexe Lili") und seinem düsteren US-Debüt ("Cold Blood") meldet sich der Erfolgsregisseur dieser Tage mit einem Dokumentarfilm zurück. In "Das radikal Böse" durchleuchtet der Niederösterreicher ein weniger bekanntes Kapitel nationalsozialistischer Kriegsverbrechen - beiläufige Massentötungen der Nazis im Osten. Im Interview spricht er offen über sein neues Werk.

Herr Ruzowitzky, als Dokumentarfilmer kennt man Sie bisher noch nicht. Andererseits ist "Das radikal Böse" gar nicht leicht einzuordnen. Wie würden Sie das Genre definieren, in dem sich Ihr neuer Film bewegt?

Stefan Ruzowitzky: Ich habe ja mit Reportagen beim Fernsehen angefangen, insofern war es eine schöne Rückkehr zu etwas, was ich gut kannte. Es ist ein Dokumentarfilm, der ein bisschen die Grenzen sprengt. Das ist auch zurzeit das Spannende an diesem Genre, dass es Dokumentarfilme gibt, die in allen Beziehungen Grenzen sprengen. Wenn es zu einem Erkenntnisgewinn führt, dann darf man fast alles.

Ihr neuer Film setzt sich wieder mit dem Nationalsozialismus auseinander. Hat er in seiner Genese etwas mit den "Fälschern" zu tun?

Ruzowitzky: In der Genese schon. Ich bin bei der Recherche für die "Fälscher" auf diesen Ansatz gestoßen, dass man die Verbrechen des Nationalsozialismus auch psychoanalytisch angehen kann: Wie konnte das passieren? Wie können ganz normale, junge, nette Männer plötzlich zu Massenmördern werden? Mit der Motivation seiner Figuren schlägt man sich als Geschichtenerzähler oder als Filmemacher auch immer herum.

Sie haben sich von Anfang an entschieden, die grauenhaften Taten selbst nicht zu zeigen?

Ruzowitzky: Ja. Das hätte ich nicht nachstellen wollen. Wir sind auch sehr sparsam umgegangen mit originalen Fotos und Filmaufnahmen - im Vertrauen auf das alte Filmprinzip, dass es immer am stärksten ist, wenn etwas im Kopf des Betrachters entsteht.

Der französische Holocaustforscher Patrick Desbois sagt im Film: "Der Holocaust war nicht unmenschlich, sondern menschlich" - weil das Grauenhafteste eben auch Teil des Menschen ist. Was macht man aber mit der Erkenntnis: Das hat's immer schon gegeben, und das wird es immer geben?

Ruzowitzky: Obwohl dieser Hang zum Konformismus, diese Autoritätsgläubigkeit in unseren Genen steckt, gibt es doch auch immer wieder Einzelne, die sagen: Nein, ich mache da nicht mit. In diesem Film sind die historischen Verbrechen mehr ein Anlassfall, bei dem man über allgemein Menschliches nachdenkt, aber auch über unsere politischen Strukturen und Systeme. Man muss bei gewissen politischen Entwicklungen aufpassen und erkennen, dass solche Tendenzen sehr gefährlich werden können. Was ich gelernt habe bei diesem Dokumentarfilm ist, dass es nur eine sehr kleine Gruppe von ideologisch Fanatisierten braucht, um die breite Masse dazu zu bringen, fürchterliche Dinge zu tun.

Glauben Sie, dass die Menschen in Österreich künftig gegen so etwas immunisiert genug sind?

Ruzowitzky: Ich fürchte, sie sind es nicht. Es ist das prinzipielle Vertrauen in die Qualität der Regierenden verloren gegangen und eine Hysteriekultur entstanden, die auch jederzeit in eine falsche Richtung umschlagen kann.

Sie wechseln jetzt aber nicht ins Dokumentarfach?

Ruzowitzky: Nein. Ich fand diesen Ausflug ins Dokumentarische sehr interessant. Aber das filmische Geschichtenerzählen und die Arbeit mit Schauspielern finde ich immer noch am Spannendsten und Tollsten. Meine Liebe gehört dem Spielfilm.

"Das radikal Böse" startet am 17. Jänner in den Österreichischen Kinos.

Comment Jetzt kommentieren Arrow-Right
Nav-Account red Time| Akt:

ThemaWeiterlesen