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Ryan Gosling als stuntfahrender Bankräuber

Heute Redaktion
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Bild: Constantin Film

Schweigen ist Gold: Ryan Gosling erhebt dieses Sprichwort in "The Place Beyond the Pines" einmal mehr zur hohen Kunst - und macht das Epos gemeinsam mit Eva Medndes und Bradley Cooper zu einem der intensivsten Kinoerlebnisse des Jahres.

Schweigen ist Gold: zu einem der intensivsten Kinoerlebnisse des Jahres.



Es gibt in Hollywood im Moment wohl niemanden, der so schön schweigen kann wie Ryan Gosling. Unsicherheit, Trauer, Schmerz - der 32-jährige Kanadier braucht dafür keine Worte. Mit einem Blick, mit einer kurzen Bewegung kann Gosling mehr erzählen als andere in einem ganzen Film. Und je weniger er redet, desto spannungsvoller laden sich seine Szenen auf.



Schon in seinem von Kritikern gefeierten Thriller "Drive" (2011) vergehen immer wieder quälend lange Sequenzen bis sich der Schauspieler auf der Leinwand zu Sätzen wie "Willst du einen Zahnstocher?" oder "Ich habe keine Räder an meinem Wagen" durchringt. Auch Derek Cianfrance, der Regisseur und Drehbuchautor von Goslings neuem Film "The Place Beyond the Pines" weiß nach seiner Zusammenarbeit mit Gosling in "Blue Valentine", dass sein Hauptdarsteller die Kunst des Schweigens beherrscht wie kaum ein Zweiter.



Karriere, Aufrichtigkeit und Korruption

Und so eröffnet auch kein Dialog dieses mitunter rauschhafte Filmerlebnis, sondern das rhythmische Auf- und Zuschnappen eines Messers. Der Stuntfahrer Luke Glanton (Ryan Gosling) lässt es in seinem Schausteller-Wohnwagen immer wieder klicken: auf und zu, auf und zu. Sein Körper ist drahtig, mit Muskeln bepackt und von schlecht gestochenen Tattoos übersät. Eine Wackelkamera folgt ihm, wenn er sich seinen Weg durch die bunten Lichter eines Jahrmarktes bahnt. Unter dem Johlen der Zuschauer steigt er, ohne ein Wort zu sagen, auf sein Motorrad - die Show beginnt.



) leitet die zweite Episode ein. Die Geschichte schwenkt dann recht konventionell auf die Widersprüche des Polizeiberufs: Karriere, Aufrichtigkeit und Korruption. Beide Teile münden in die dritte Episode, die fragwürdige Freundschaft zwischen zwei ungleichen Teenagern - mit Drogenexzessen, Enttäuschung und Tränen.



80er-Jahre-White-Trash-Ästhetik

Die Klammer um das mitunter etwas überladene Filmkonzept bildet ein Geflecht aus Vater-Sohn-Beziehungen. Es geht um Schuld, Sühne, Vergebung - die großen Themen. Daran verhebt sich Cianfrance im zweiten und dritten Teil ein wenig. Er arbeitet sich zu sehr daran ab, jede Geschichte einzeln für sich auszuerzählen, anstatt sie überzeugend zusammenzuführen.



Aber da ist ja noch der fulminante Ryan Gosling. Seine Episode ist unter den dreien mit Abstand die stärkste, nicht nur wegen ihrer wunderschön inszenierten 80er-Jahre-White-Trash-Ästhetik. Als der wasserstoffblonde Luke und sein Komplize Robin (Ben Mendelsohn) zu Bruce Springsteens "Dancing in the Dark" lachend die Beute aus ihrem Überfall zählen, sind die Zuschauer gerade Zeugen einer der grandiosesten Szenen des Films geworden.



Mit der Hand hatte sich Luke auf seinen schwarzen Motorradhelm geklopft, um sich Mut zu machen; mit der Pistole und der Krawatte eines Bankangestellten im Griff hat sich seine Stimme dann trotzdem überschlagen; und als alles vorbei ist und die Polizeisirenen vorbeigerauscht sind, übergibt sich Luke auf die Ladefläche des Fluchtlasters. Es ist einer der wohl intensivsten, authentischsten Banküberfälle der Filmgeschichte. Umso bedauerlicher, dass Ryan Goslings Auftritt in "The Place Beyond the Pines" nach einer knappen Stunde vorbei ist.



Kinostart in den heimischen Kinos ist am 14. Juni 2013