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Salzburger Festspiele: 'Golem' als Schund-Comic

Heute Redaktion
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Das unangefochtene Highlight der Salzburger Festspiele 2014 war "Il Trovatore" mit Anna Netrebko und Placido Domingo, inklusive Staraufmarsch und Enttäuschung als Domingo wegen Fieber weitere Vorstellungen absagen musste. Seit Freitag gibt es ein neues, schrilles Highlight, das ganz leise als Überraschung daherkam: Die Uraufführung des Stückes "Golem" nach Motiven von Gustav Meyrink vom Theater "1927" aus London wurde nach der Uraufführung im Landestheater bejubelt. Alle waren sich einig: Die Salzburger Festspiele haben damit einen späten Höhepunkt der Saison gesetzt.

weitere Vorstellungen absagen musste. Seit Freitag gibt es ein neues, schrilles Highlight, das ganz leise als Überraschung daherkam: Die Uraufführung des Stückes "Golem" nach Motiven von Gustav Meyrink vom Theater "1927" aus London wurde nach der Uraufführung im Landestheater bejubelt. Alle waren sich einig: Die Salzburger Festspiele haben damit einen späten Höhepunkt der Saison gesetzt.

Schundheft-Comic as much you can eat. Bis einem schlecht wird. Aber dann steckt das Lachen unverrückbar fest im Hals. Die letzte Premiere des Festspielsommers 2014 ist ein ungewöhnliches Format, das perfekt ins (abgeschaffte) "Young Directors Project" gepasst hätte. Aber auch so funktioniert diese bitterböse Gesellschaftssatire, in der die Schauspieler in einen Animationsfilm auf der Leinwand einsteigen und dabei die Texte rap-artig rhythmisch zur Livemusik von Klavier (und gelegentlich Schlagzeug) sprechen und singen.

Symbiose aus skurrilem Slapstick und apokalyptischem Horror

Paul Barritt hat den Film gezeichnet. Durchaus altmodisch, erinnert diese technisch brillant umgesetzte Animation an die Arbeiten von Max Ernst oder an Filme wie "Yellow Submarine" mit den Beatles und atmosphärisch auch an "Metropolis" von Fritz Lang. Die Texte und die Regie von "Golem" stammen von Suzanne Andrade, die zusammen mit Barritt, der Pianistin Lillian Henley und vier Schauspielern aus London eine geniale Symbiose aus skurrilem Slapstick und apokalyptischem Horror geschaffen hat.

Das Feuerwerk an krassen Gags, gnadenlosen Analysen und hemmungslos-direkten "Winks mit dem Zaunpfahl" würde - wie so oft in diesem Genre - schnell taub machen. Aber die Geschichte hält bei der Stange. Das Filmtheater "1927" erzählt eine moderne Version des Golems schnörkellos klar und beißender, als einem lieb sein kann.

Freiwillige Gehirnwäsche durch "Whats App" und "Facebook"

In einer unambitionierten Welt leben sympathische Verlierer, die stricken, im Job möglichst wenig tun, in einer herrlich schlechten Band spielen und sich sonst höchstens noch für schrullige Apparate interessieren. Einer davon ist ein Golem. Praktisch, denn der tut was sein Herr ihm sagt. Aber bald dreht Golem den Spieß um. Schritt für Schritt überzeugt und verführt er seinen Herrn und zieht ihn über den Tisch. Am Ende beherrscht der "Golem Version II" das gesamte soziale, berufliche und gesellschaftliche Leben. Sogar den Partner sucht Golem aus. Immer radikaler wird die freiwillige Gehirnwäsche einer Generation, die die Gefahr von "Whats App" und "Facebook" dramatisch unterschätzt.

Aber der Trott geht weiter. Die Geister, die gerufen, ziehen längst alle Fäden. Und niemand merkt es so richtig. Die Musik rappt dahin, der Groove des Lebens läuft, und endlich macht man nichts mehr falsch. Golem III schließlich ist ein Chip, der eingepflanzt wird. Garantiert schmerzfrei wird man frei für den Konsum, frei von eigenen Entscheidungen, frei von Verantwortung und frei vom Denken selbst - richtig frei eben. "Golem" macht Spaß und tut weh.

"Golem"

nach Motiven von Gustav Meyrink

Uraufführung des Theaters 1927 aus London bei den Salzburger Festspielen am 22. August im Landestheater.

"Golem" ist eine Koproduktion der Festspiele mit 1927, dem Young Vic aus London und dem Teatre de la Ville aus Paris.

Das Stück wird am 23., 24. und 26. August wiederholt.

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