Wien

So entkam Wienerin Sandra (53) der Gewaltspirale

Misshandelt von Pflegeeltern, Heim, prügelnder Vater: Sandras Leben war von Gewalt geprägt. Doch sie blieb stark und macht heute anderen Opfern Mut.

Yvonne Mresch
Sandra hat ein bewegtes Leben voller Gewalt hinter sich. Doch die starke Frau schaut nicht zurück und macht anderen Mut.
Sandra hat ein bewegtes Leben voller Gewalt hinter sich. Doch die starke Frau schaut nicht zurück und macht anderen Mut.
neunerhaus/Martin Stöbich

An eine glückliche Zeit in ihrer Kindheit kann sich Sandra nicht erinnern, ihre Geschichte gleicht einem Film. Mit nur einem Monat gab ihre Mutter das neugeborene Kind weg. "Ich lebte in einer Klinik", erinnert sich die Wienerin. Im zarten Alter von drei Jahren kam das Mädchen schließlich zu Pflegeeltern. "Wir Kinder waren reine Arbeitskräfte für sie und mussten am Hof helfen", weiß Sandra noch aus dieser Zeit. "Ständig gab es Prügel, wir mussten auf Holzscheiten knien, wurden im Nachtkasten eingesperrt oder gezwungen, beim Schlachten zuzusehen. Sie wusste, dass wir davor Angst hatten."

Gewalterfahrungen ließen 10-jährige auf die Straße fliehen

Nach drei Jahren schien das Martyrium für die kleine Sandra ein Ende zu haben, sie kam ins Kinderheim. Dass ihre schlimmste Zeit noch bevorstand, war dem Mädchen damals allerdings nicht bewusst. "Diese Zeit war das schrecklichste, was ich in meinem Leben je erfahren habe." Gewalt stand im Heim an der Tagesordnung, die Betreuerinnen schikanierten die Kinder: "Wir mussten so lange essen, bis wir erbrachen. Dann mussten wir das Erbrochene essen", schildert Sandra. "Es ist noch viel mehr passiert, aber darüber möchte ich gar nicht mehr sprechen."

Mit neun Jahren holte der Vater Sandra aus dem Heim. Wieder kam die Hoffnung auf eine bessere Zeit in ihr auf – und wurde schon bald zunichte gemacht. "Mein Vater war gewalttätig, prügelte mich", erzählt Sandra. Nach 10 Jahren Gewalt war für sie Schluss – das Mädchen lief von zuhause weg und lebte zwei Monate lang auf der Straße. Rausgeholt wurde Sandra – überraschenderweise – von ihrer Mutter, die sie als Baby weggegeben hatte. Bis zum Alter von 17 Jahren lebte sie bei ihr, entschied sich dann aber wieder für das Leben draußen. "Ich war ein Kind mit Zöpfen, ein bunter Vogel, zog mit Punks durch die Stadt. Geschlafen haben wir im Park, in der Venediger Au", erzählt sie. Dann kam die Wende: "Ich wollte etwas aus meinem Leben machen", erinnert sich Sandra. "Ich fing eine Lehre an, hatte später eine Beziehung und bekam zwei Kinder."

Neuanfang: "Will andere informieren und die Sichtweise über Obdachlose verändern"

2012 verstarb mit der Mutter eine wichtige familiäre Bezugsperson in Sandras Leben. Die Situation kippte und die Wienerin wurde wieder obdachlos. "Damals habe ich mir gesagt, es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich bringe mich um, oder ich kämpfe. Für meine Kinder habe ich mich schließlich für Letzteres entschieden."

Über die Organisation "neunerhaus" fand Sandra Hilfe, auf die sie ihr ganzes Leben lang gewartet hatte. Es war ein Rettungsanker, der den Stein für einen Neuanfang für die heute 53-jährige ins Rollen brachte. Seit Kurzem lebt Sandra in einer WG: "Ich fühle mich frei, es geht langsam wieder bergauf", strahlt sie. Beim Verein "Backstreet Guides" bietet sie heute ehrenamtlich Führungen durch Wien an, auf denen sie aus ihrem bewegten Leben erzählt und anderen Betroffenen Mut macht. Ein großes Anliegen ist ihr, die Sichtweise auf obdachlose Menschen in der Gesellschaft zu verändern: "Ich will zeigen, dass Obdachlose ganz normal aussehen können, weder dumm noch faul sind. Niemand geht freiwillig auf die Straße." Mehr Infos zum Projekt gibt es auf www.backstreet-guides.at

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