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Scharfe Kritik an Walesa nach Attacke auf Schwule

Heute Redaktion
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Bild: Reuters

Das Denkmal, das sich Nobelpreisträger und Ex-Präsident Lech Walesa einst als polnischer Arbeiterführer gesetzt hat, beginnt nach seinen schwulenfeindlichen Aussagen vor wenigen Wochen zu bröckeln. Sogar sein eigener Sohn hat ihm eine Rüge erteilt.

zu bröckeln. Sogar sein eigener Sohn hat ihm eine Rüge erteilt.

Lech Walesa versteht die Welt nicht mehr. Von allen politischen Parteien schlägt ihm scharfe Kritik entgegen; der eigene Sohn rügt ihn wegen seiner Äußerungen über Homosexuelle. Obendrein seien ihm bisher 70.000 Dollar Vortragshonorar entgangen, sagt der Friedensnobelpreisträger.

Dabei glaubte der einstige Arbeiterführer nur zu sagen, was alle insgeheim denken über die Homosexuellen. Er will Kundgebungen von Schwulen und Lesben am liebsten an die Peripherie der Städte verbannen und riet den Homosexuellen, sie sollten sich lieber mit kleinen Errungenschaften zufrieden geben, statt große Dinge wie die Homo-Ehe zu fordern. Schwule Abgeordnete sollten im Parlament in der letzten Reihe sitzen, womöglich gar hinter einer Mauer, sagte Walesa in einem Interview.

Der einstige Gewerkschaftsführer und Präsident Polens galt schon immer als Freund markiger Worte. Er ist nicht gerade dafür bekannt, dass er vorher lang über die Wirkung seiner Worte nachdenkt. Dass ein Friedensnobelpreisträger einer Minderheit vorschreiben will, sich gefälligst mit dem zu bescheiden, was die Mehrheit zu geben bereit ist, hat auch im katholisch-traditionellen Polen bei vielen die Grenzen politischer Korrektheit überschritten.

Links-Politiker: "Sprache eines Höhlenmenschen"

Das sei "die Sprache eines Höhlenmenschen" protestierte der stellvertretende Parlamentspräsident Jerzy Wenderlich vom Linksbündnis SLD. "Man sollte sehr auf die eigenen Worte achten", meinte Regierungschef Donald Tusk. "Die neue Barbarei hat einen prominenten Führer gefunden", schrieb die bekannte Philosophin Magdalena Sroda in einem Kommentar.

Unter der Überschrift "Wir alle sind Schwule" erinnerte das Magazin "Polityka" daran, dass es sich bei Walesa nicht um einen Vertreter der extremen Rechten oder einen betrunkenen Skinhead handle, sondern um "einen Nobelpreisträger, eine Solidarnosc-Legende und ein Symbol des friedlichen Kampfes um Freiheit. Da muss man antworten."

Walesas Sohn Jaroslaw Walesa, der als einziges der acht Kinder des einstigen Werftarbeiters eine politische Karriere eingeschlagen hat und für Tusks liberale Bürgerplattform (PO) im Europaparlament sitzt, hatte für die Ansichten seines Vaters nur Kopfschütteln übrig. "Diese Worte hätten nicht fallen sollen", sagte er und kündigte ein ernstes Gespräch zwischen Vater und Sohn an: "Ich will ihm sagen, dass wir in einer anderen Welt leben."

Walesa nach Kritik trotzig

Walesa fühlt sich unverstanden, aber im Recht. Auch wenn sich laut einer in der konservativen Zeitung "Rzeczpospolita" veröffentlichten Umfrage 59 Prozent der Polen von seinen Äußerungen distanzieren, ist er überzeugt, dass "fast das ganze Volk" hinter ihm stehe. Nur die liberalen Meinungsmacher seien gegen ihn, versicherte er nach dem Hagel der Kritik trotzig. Die angeblichen Gegner seiner Worte trauten sich unter dem Diktat der politischen Korrektheit bloß nicht, ihre wahre Meinung auszudrücken.

"Ich soll irgendwem die Bürgerrechte absprechen? Quatsch!" schrieb der gescholtene Walesa in einem offenen Brief im konservativen Nachrichtenmagazin "Wprost". Dass die Einladungen zu zwei Vorträgen mit insgesamt 70.000 Dollar Honorar seit seinen Äußerungen abgesagt wurden, sieht Walesa nur als Bestätigung seiner Meinung: "Ich habe meine Verluste gezählt und werde die Rechnung vorstellen", sagte er jüngst dem Rundfunksender RMF. "Ich werde der Welt zeigen, wie eine sexuelle Minderheit die Mehrheit verfolgt."

APA/red