Österreich

Scheidungstrend – Männer treiben Frauen in den Wahnsinn

"Gaslighting" nennt sich ein neuer "Scheidungstrend", bei dem meist Frauen so lange manipuliert werden, bis sie an ihrem Verstand zweifeln. 

Christine Ziechert
Rechtsanwältin Susanna Perl-Lippitsch (r.) hat verstärkt mit "Gaslighting"-Fällen zu tun.
Rechtsanwältin Susanna Perl-Lippitsch (r.) hat verstärkt mit "Gaslighting"-Fällen zu tun.
Michaela Begsteiger, iStock

Oft fängt es mit kleinen Beschimpfungen, Abwertungen und unangemessenen Gesten an und mündet schließlich im "Gaslighting": "Vorwiegend Frauen werden dabei jahrelang von ihrem Partner manipuliert. Es werden Schlüssel oder Dokumente versteckt, das Auto umgeparkt oder heimlich zur Überraschung Kameras aufgestellt, die die Frauen dann finden und total verunsichern. Bei einer Klientin ging ständig ohne Grund das Licht aus, und sie konnte es auch nicht mehr einschalten. Das geht so lange, bis die Opfer glauben, den Verstand zu verlieren", erklärt die Wiener Anwältin Susanna Perl-Lippitsch (45) im "Heute"-Gespräch.

Laut der auf Scheidungsagenden spezialisierten Juristin von der Kanzlei Gärner - Perl nehmen diese Fälle der psychischen Gewalt drastisch zu. Bereits mehr als die Hälfte ihrer Klienten sind von "Gaslighting" (der Begriff geht auf ein Theaterstück zurück, in dem ein Mann seine Frau mittels flackernder Gaslaternen in den Wahnsinn treibt, Anm.) oder einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung des Ehepartners betroffen: "Viele Opfer werden bedroht oder unter Druck gesetzt. Oft haben sie das Gefühl, selbst schuld zu sein, weil sie etwa nicht gut genug gekocht haben. Es findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt. Wenn sie dann zu mir kommen, haben sie meistens ein schlechtes Gewissen", meint Perl-Lippitsch.

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    "Da sind auch sehr toughe Frauen dabei, die jahrelang von ihrem Partner manipuliert wurden" - Rechtsanwältin Susanna Perl-Lippitsch

    Betroffen sind hauptsächlich Frauen – aller Altersklassen und aus allen sozialen Schichten: "Da sind auch sehr toughe Frauen dabei, die jahrelang von ihrem Partner manipuliert wurden. Die Ehemänner sind meist sehr eloquent und können sich gut verkaufen, die Partnerin muss nach ihrer Pfeife tanzen. Den Frauen wird oft das Wort im Mund umgedreht, sodass sie das Gefühl haben, sich rechtfertigen zu müssen", so Perl-Lippitsch.

    Für die Betroffenen verschieben sich nach und nach die Grenzen, sie erdulden immer mehr. Im Gespräch mit Freunden oder Bekannten wird dann erst durch die Frage "Das hast du dir gefallen lassen?" klar, dass die Beziehung nicht in Ordnung ist: "Wichtig ist, die Situation zu objektivieren. Denn oft fehlt den Frauen ein klarer Blick von außen", meint Perl-Lippitsch.

    Vorfälle genau dokumentieren

    Haben die Frauen schließlich den Mut aufgebracht, einen Anwalt einzuschalten, ist es allerdings nicht so leicht, ein alleiniges Verschulden aufgrund der psychischen Gewalt vor Gericht zu beweisen: "Auch, wenn der Partner einen aufnimmt oder eine Spysoftware installiert hat und man dies mit eigenen Aufnahmen beweisen möchte: Es ist verboten, (Tonband-)Aufnahmen zu machen und weiterzugeben", warnt die Scheidungsexpertin.

    Sie rät hingegen zur genauen Dokumentation der Vorfälle in Form von Kalenderbuch-Einträgen: "Auch Screenshots von Nachrichten sind sinnvoll. Diese aber nicht bei sich aufheben, sondern zu Verwandten oder Freunden bringen. Denn diese Beweise verschwinden oft auf unerklärliche Weise. Immer gut sind auch Zeugen, die das Verhalten des Partners bestätigen können und vor Gericht aussagen", so die 45-Jährige.

    "Rund 80 % der Frauen machen bei der Scheidung dann doch einen Rückzieher. Sie bleiben in der Ehe – aus finanzieller oder emotionaler Abhängigkeit" - Susanna Perl-Lippitsch

    Doch meist kommt es gar nicht dazu: "Rund 80 % der Frauen machen bei der Scheidung dann doch einen Rückzieher. Sie bleiben in der Ehe – aus finanzieller oder emotionaler Abhängigkeit. Oft sind auch Drohungen wie 'Ich werde dein Leben vernichten!' oder 'Ich nehme dir die Kinder weg!' ausschlaggebend", erklärt Perl-Lippitsch.

    Trotz des massiven Drucks, dem die Frauen ausgesetzt sind, hat die Anwältin derzeit vermehrt Anfragen: "Während der Lockdowns haben viele abgewartet, auch das Fremdgehen ist weggefallen. Viele Beziehungen haben in dieser Zeit aber auch Veränderungen durchgemacht. Obwohl die Teuerungen ein bissl eine Bremse sind, geht es jetzt mit den Beratungen richtig los", zieht Perl-Lippitsch Bilanz.

    Hilfe für Gewalt-Betroffene
    Frauenhelpline (rund um die Uhr, kostenlos): 0800 222 555
    Männernotruf (rund um die Uhr, kostenlos): 0800 246 247
    Rat auf Draht: 147
    Autonome Frauenhäuser: 01 / 544 08 20