Szene

Schüchterne Lana Del Rey begeisterte Wien

Heute Redaktion
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Der Appeal lag eindeutig in der Stimme: An Bühnenpräsenz mag es Lana Del Rey noch mangeln, doch singen kann die New Yorkerin, wie das erste Österreich-Konzert der Pop-Senkrechtstarterin am Freitag im Wiener Gasometer bewies. Auch wenn die 26-Jährige speziell zu Beginn der Darbietung unsicher wirkte, zog sie doch ihr eigenes Ding konsequent durch - und musste nicht mit Effekten um Aufmerksamkeit haschen.

Die Videos von Lana Del Rey sind unglaublich cool, ebenso ihre von Melancholie durchwehten Lieder. Live versuchte die Amerikanerin diesem Bild gerecht zu werden. Was eigentlich kein leichtes Unterfangen ist, denn der Vamp vor der Kamera ist Del Rey in Fleisch und Blut überhaupt nicht. Bei den ersten Stücken - darunter immerhin das skandalträchtige "Cola" als Opener, in dem die Künstlerin über den Geschmack ihres Geschlechtsorgans sinniert - gab sich die Dame mehr fehl am Platz in der Kulisse als lasziv. Doch als dann bei der vierten Nummer "Blue Jeans" erstmals der freundliche Applaus zum tosenden mutierte, stieg auch das Selbstvertrauen.

Ausgerechnet eine Coverversion von Nirvana, nach einem enttäuschend verhalten interpretierten "Born To Die" platziert, entpuppte sich als Startschuss für eine sehr gediegene Performance. Das zornige "Heart-Shaped Box" dem Sound der "morbiden Mädchenhymnen" anzupassen, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" die Stücke der New Yorkerin treffend umschrieb, war mutig und eigentlich genauso gut wie das folgende feurige "Carmen" und das anschließende jazzige "Million Dollar Man". Hörte man dann "American", "Ride", "Summertime Sadness", "Video Games" und "National Anthem" im Block, wurde bewusst, wie viele Pop-Perlen Del Rey in ihrer jungen Karriere bereits im Repertoire hat.

Gesang stand im Vordergrund

Muss man Lana Del Rey die sich während der 90-minütigen Abendvorstellung dann und wann ausbreitende Monotonie übel nehmen? Nein, denn schließlich ist es die erste große Tournee der Künstlerin, die sich - welch' Wohltat! - nicht dem unsinnigen Ritual des mehrmaligen Umziehens oder des nervenden Herumtanzens unterzog, sondern einfach nur ganz großartig sang. Begleitet wurde sie von einer kompakten (wenn auch unspektakulären) Band und vier Streichern, die der Stimme einen Rückhalt gaben, sich ihr aber gleichzeitig dieser unterordneten.

Und natürlich: In einem Club mit Plüschsofas, kurz vor dem Morgengrauen, hätte das alles viel besser gewirkt, als in einer ausverkauften Halle voller Menschen, die glauben, ständig mit dem Handy filmen zu müssen. Umso schöner, dass Del Rey ihnen den Evergreen "Blue Velvet" ausdrucksstark entgegenschmachtete: Das Feeling ist halt immer noch wichtiger als eine verwackelte Erinnerung auf YouTube oder Facebook.