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Schülerin tot - Mafia oder Terrorgruppe am Werk?

Heute Redaktion
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Bild: Max Frigione/AP/dapd

Die Ermittler rätseln um die Motive des Anschlags auf eine Berufsschule in der süditalienischen Stadt Brindisi, bei dem am Samstag eine 16-jährige Schülerin getötet wurde. Weitere fünf Personen, darunter zwei Schwestern, erlitten schwere Verletzungen.

Zweifel tauchen auf, dass der Attentat auf die Mafia zurückzuführen sei, wie anfangs vermutet worden war. "Es handelt sich um einen komplexen und sonderbaren Fall, der große Sorge und natürlich großen Schmerz erregt, weil junge Menschen betroffen sind", kommentierte Innenministerin Anna Maria Cancellieri. Ex-Innenminister Virginio Rognoni schloß einen Mafia-Anschlag aus. "Die Mafia hat kein Interesse, Bomben zu legen. In diesen Zeiten wickelt sie ihre Geschäfte auf internationaler Ebene ab", kommentierte Rognoni.

Auch der Staatsanwalt der apulischen Stadt Lecce, Cataldo Motta, gab zu Bedenken, dass die Mafia möglicherweise für den Anschlag nicht verantwortlich sein könnte. Mehrere Ermittler hoben hervor, es sei für die Mafia untypisch, gezielt Minderjährige zu töten. Die Ermittler schließen nicht aus, dass terroristische Gruppen am Werk seien. Seit Tagen herrscht in Italien Terroralarm. Vergangene Woche war der Geschäftsführer der Atomfirma Ansaldo Nucleare, Roberto Adinolfi in Genua auf offener Straße angeschossen worden.

Bekennerschreiben aufgetaucht

Der Manager wurde am Bein operiert. Die italienische Untergrundorganisation "Informelle Anarchistische Föderation" (FAI) hatte sich zu dem Anschlag bekannt. Daraufhin waren die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden. Zwei süditalienische Tageszeitungen Calabria Ora und Gazzetta del Sud hatten am Mittwoch einen Brief mit Drohungen gegen Premier Mario Monti und die Steuereinzugsgesellschaft Equitalia erhalten. Das Schreiben wurde von der FAI-Gruppe unterzeichnet.

VORBERICHT

In der süditalienischen Stadt Brindisi sind am Samstagvormittag vor einer Schule zwei Sprengkörper explodiert. Dabei wurde eine Schülerin getötet, eine andere ringt im Krankenhaus mit dem Tod. Eine Verbindung der Tat zur Mafia scheint nicht ausgeschlossen. Der Schuldirektor und der Bürgermeister gehen davon aus, dass der Anschlag ein Werk der Mafia war.



Die Einwohner der Adria-Hafenstadt stehen nach dem Anschlag auf eine Schule unter Schock. Die vor der Schule platzierten Gasbomben explodierten um 07.45 Uhr, als die Schüler des Mode-und Tourismusinstituts - überwiegend Mädchen - zum Unterricht gingen. Dabei kam eine Schülerin ums Leben. Sieben weitere Menschen wurden verletzt. Ärzte kämpfen um das Leben eines zweiten Mädchens.



Schuldirektor: "Mit dem Anschlag wollte man töten"

"Es hätte zu einem Blutbad werden können. Wären die Gasbomben nur wenige Minuten später explodiert, wäre es zu einer noch größeren Tragödie gekommen", berichtete ein Augenzeuge. "Mit dem Anschlag wollte man töten, die Gasbomben sind gerade zum Zeitpunkt explodiert, als die meisten Schülerinnen die Schule erreichten", sagte Schuldirektor Angelo Rampino.



Nach den Detonationen, die über weite Teile der Adria-Hafenstadt gehört wurden, brach Panik unter den Schülern aus. Einige Lehrer, die sich unweit des Schuleingangs befanden, leisteten den Verletzten Erste Hilfe. "Die Schüler sind geschockt", berichteten die Rettungskräfte.



Innenministerin: "Grausamkeit ohne Gleichen"

Die Verletzten wurden sofort ins Spital eingeliefert. Das Gebäude der Schule "Francesca Morvillo Falcone" wurde geräumt und das Gelände um die Schule gesperrt. Auch alle anderen Schulen in Brindisi wurden evakuiert. Die italienische Innenministerin Annamaria Cancellieri bezeichnete den Anschlag einen Akt von "Grausamkeit ohne Gleichen". Man könne aber noch nicht feststellen, dass es sich um einen Mafia-Anschlag handle.



Bürgermeister Cosimo Consales macht die Mafia für den Anschlag verantwortlich: "Es handelt sich um einen Angriff der organisierten Kriminalität ohne Gleichen." In den letzten Wochen war es in Brindisi unter anderem zu einem Anschlag auf den Präsidenten einer Organisation gekommen, die das Phänomen der Mafia-Erpressungen bekämpft. In Palermo ist am Samstagnachmittag eine Solidaritätsdemonstration mit den Opfern des Anschlags geplant.



Namenspatronin der Schule Frau von Anti-Mafia-Richter

Die Schule ist nach der Ehefrau des bekannten Mafia-Jägers Giovanni Falcone, Francesca Morvillo Falcone, benannt. Der Jurist Falcone führte in den Achtzigerjahren einen erbitterten Kampf gegen die Mafia. Der Untersuchungsrichter, der zu diesem Zweck eine Sonderkommission eingeführt hatte, wurde 1992 bei einem Bombenattentat getötet, der Anschlag auf einer Autobahn riss auch seine Ehefrau und drei Leibwächter in den Tod.