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Schwarzer getasert, weil er die Straße überquerte

Heute Redaktion
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Weiße Polizisten traktierten in Asheville einen Afroamerikaner mit Fäusten und der Elektroschock-Waffe, nur weil er den Fußgängerstreifen nicht benutzte.

Johnnie Jermaine Rush war erschöpft nach seiner 13-Stunden-Schicht als Tellerwäscher im Restaurant Cracker Barrel in Asheville, North Carolina. Als er spätnachts nach Hause ging, sah er nirgends ein Auto, also überquerte er die Straße in der Mitte des Blocks. Wenige Minuten später lag Rush am Boden mit Prellungen von Schlägen am Kopf und schmerzhaften Verletzungen von den Elektroschocks einer Taser-Pistole.

Die Urheber dieser Gewaltanwendung an einem afroamerikanischen Bürger waren zwei weiße Polizisten, Offizier Chris Hickman und Rekrut Verino Ruggiero. Eine auf der Brust von Hickman montierte Kamera zeichnete das Aufeinandertreffen der Männer am 24. August 2017 lückenlos auf. Das Video ist diese Woche von der Zeitung "The Citizen Times" veröffentlicht worden.

Verhaftung oder Strafzettel

"Du hast den Fußgängerstreifen viermal nacheinander nicht benutzt", sagt Ruggiero im Video zu dem Schwarzen. "Ich versuche ja nur, nach Hause zu gehen, Mann", gibt Rush zurück. "Ich bin müde, komme gerade von der Arbeit."

Ruggiero sagt ihm: "Ich habe zwei Optionen: Entweder verhafte ich dich, oder ich stelle dir einen Strafzettel aus." – "Ist mir egal", antwortet Rush. "Mach, was du musst, neben dem, dass du mich belästigst, Mann."

Schläge mit Faust und Taser

Sekunden später eskaliert die Situation. Als Offizier Hickman befiehlt, Rush solle die Hände hinter den Rücken nehmen, rennt dieser davon. Die zwei Polizisten folgen ihm und ringen ihn nieder. Das Video zeigt, wie Hickman mit der Faust auf Rushs Kopf einschlägt. "Ich kann nicht atmen", wiederholt der Überwältigte mehrere Male. Dann sirrt die Taser-Waffe, und Rush schreit vor Schmerz auf.

Das Video hat Asheville in Aufruhr versetzt. "Die Stadt ist außer sich", sagte Stadträtin Sheneika Smith zur "New York Times". "Facebook ist aufgeflammt. Es brennt."

Polizeichefin entschuldigt sich

Nach der Verhaftung wurde Rush des unbefugten Überschreitens der Straße beschuldigt, der Verkehrsbehinderung und des Widerstands gegen einen Polizisten. Staatsanwalt Todd Williams wies aber schon im September sämtliche Anklagepunkte zurück, nachdem er das Video gesehen hatte.

Polizeichefin Tammy Hooper entschuldigte sich letzte Woche für den Zwischenfall. Sie bezeichnete das Verhalten der Polizisten als "inakzeptabel". An einem Bürgertreffen erklärte sie ihre Bereitschaft, im Bedarfsfall zurückzutreten.

Freiheitlich, aber rassengetrennt

Eine interne Untersuchung kam zum Schluss, dass Offizier Hickman bei der Verhaftung übertriebene Gewalt angewendet und sich dem Bürger gegenüber "grob und unhöflich" verhalten habe. Polizeichefin Hooper beschloss im Januar, ihn zu entlassen. Doch Hickman kam ihr zuvor, indem er zurücktrat.

Asheville ist eine Universitätsstadt im Appalachen-Gebirgszug. Sie hat einen freiheitlich-progressiven Ruf und gilt als attraktiv für Outdoor-Enthusiasten und Food-Reisende. Die 90.000 Menschen zählende Bevölkerung ist jedoch stark nach Rassen getrennt; der rund zwölf Prozent betragende Anteil der Afroamerikaner lebt gedrängt im Downtown-Quartier.

Deshalb konnte es auch in Asheville zu einem rassistischen Konflikt zwischen der Polizei und Bürgern kommen. Das Video sorgt dafür, dass die gewaltsame Verhaftung von Johnnie Rush so schnell nicht zu den Akten gelegt wird. Der Fall wird jetzt von der Bundespolizei FBI untersucht. (sut)

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