Österreich

Seisenbacher verstörte nicht nur mit Heldenpose

Heute Redaktion
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1.071 Tage mussten Kiebitze auf den Gerichtsauftritt von Peter Seisenbacher warten. So erlebte "Heute"-Reporter Clemens Oistric den ins Bodenlose gestürzten Olympioniken.

Der gefeierte Held – das ist noch immer die Rolle, in der sich Peter Seisenbacher am besten gefällt. Als er Montagvormittag, dieses Mal nur mit vier Minuten Verspätung, von Justizwachebeamten in den Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts geführt wird, applaudiert ihm ein älterer Fan. Seisenbacher dreht sich um, sucht den Blickkontakt, winkt dem Herren zu – und reckt den Daumen heroisch nach oben. Da ist er noch einmal ganz Olympiasieger, so wie 1984 und 1988.

Pulli in Unschuldsweiß, khaki-brauner Anzug

Die Geste wirkt so deplatziert wie nur irgend möglich. Und auch optisch ist von einstigen Heldenposen nur noch wenig übrig. Seisenbacher präsentiert sich nach drei Jahren Flucht optisch gealtert. Er hat den Rauschebart, den er sich bei seinem Leben im Untergrund wachsen hatte lassen, zwar wieder abrasiert. Das allerdings hat nur den Effekt, dass das eingefallene Gesicht noch markanter zur Geltung gelangt. Der 59-Jährige trägt einen Rollkragenpullover – in Unschuldsweiß. Das soll wohl ein Zeichen sein. Und tatsächlich, nur Minuten später bekennt er sich "nicht schuldig".

Zu dem Statement-Oberteil hat er einen khaki-braunen Anzug kombiniert, Knöpfe offen, dazu Lackschuhe. Doch nur Minuten später glänzt der Olympionike nicht mehr. Er wirkt arrogant und angewidert davon, öffentlich zu den Anschuldigungen Stellung nehmen zu müssen. Er spricht langsam und leise, ohne aber gewinnend zu wirken. Auszüge aus seiner schnoddrigen Einvernahme: "Stimmt sicher nicht", "Dafür habe ich einen Anwalt", "Ich fühle mich nicht zuständig, über die Psyche dieser Personen Mutmaßungen durchzuführen".

"Seisenbacher kann froh sein, dass man für einen unsympathischen Auftritt vor Gericht keine Strafverschärfung zu befürchten hat."

In einer Prozesspause sagt ein langjähriger Gerichtskiebitz treffend: "Seisenbacher kann froh sein, dass man für einen unsympathischen Auftritt vor Gericht keine Strafverschärfung zu befürchten hat." Kaum ausgesprochen, wird der ehemalige Sportler zurück in den Saal geführt – flankiert von Justizwachebeamten. Er, der es zeitlebens gewohnt war, die Massen zu begeistern, blickt im Raum suchend um sich. Schaut, wer seiner ehemaligen Weggefährten den Weg ins Landesgericht gefunden hat und wie gut die Galerie gefüllt ist. Doch diesmal applaudiert niemand. Seisenbacher verschränkt die Hände dann abwehrend vor der etwas schmaler wirkenden Leibesmitte.

Video-Analyse des Prozesses von Chefreporter Clemens Oistric:

"Er hat Sympathiepunkte liegen gelassen"

Was aber konnte er mit seinem Gerichtsauftritt heute in die Waagschale werfen? Nicht viel Positives. Selbstverständlich kann sich ein Angeklagter vor Gericht verantworten, wie er möchte. Und selbstredend gilt auch für Peter Seisenbacher vollumfänglich die Unschuldsvermutung. Doch Gefallen hat er sich mit dem arroganten Auftritt und seinen schnippischen Antworten wohl keinen getan. In einem öffentlichen Prozess, in dem Gesagtes und Gemeintes durch Optik und höfliche Manieren unterstrichen werden kann, hat er sich wohl selbst auf den Rücken gebracht.

Ein dringender Verdacht bleibt nämlich: Seisenbacher hat noch nicht erkannt, dass sein Ring jetzt das Strafgericht und der drohende K.O.-Schlag mit bis zu zehn Jahren Haft unglaublich heftig ausfallen kann...

Die Fotos der Verhaftung: