An den Tag ihres Unfalls kann sich Charlotte Hewitt aus Egremont (England) nicht mehr erinnern. Erst als sie sechs Tage später im Krankenhaus aus dem Koma erwacht, erfährt sie, was passiert war. "Es war ein normaler Tag und ich freute mich darauf, zu Hause mit meinem Partner und meinem Sohn zu entspannen. Das war das letzte, woran ich mich im Juni erinnere: Ich stand da und wartete auf meinen Bus." Ab dann hat die 33-Jährige ein Blackout.
Laut ihrem Partner sei Hewitt in einen tranceartigen Zustand geraten. "Zu Hause schaute ich offenbar auf mein Telefon, ging in die Küche und nahm ein Messer in die Hand. Bevor mein Partner merkte, was los war, hatte ich mir in den Bauch gestochen." Die Ärzte müssen die Frau dreimal operieren, konnten aber ein Viertel des Darms retten. "Ich wurde vom Brustbein bis zum Schambein aufgeschnitten, so dass die Genesung ein langer, langsamer Prozess war. Ich war froh, dass ich noch lebte, hatte aber auch große Angst. So etwas hatte ich noch nie zuvor gemacht."
Die Mutter eines Kindes leidet an Chorea Huntington, einer sehr seltenen Erkrankung, bei der Teile des Gehirns mit der Zeit nicht mehr richtig funktionieren und die zu psychischen Problemen und Psychosen führen kann. Bei der Diagnose 2014 ist Hewitt gerade mal 23 Jahre alt. Weil die Krankheit vererbbar ist und ihr Vater, Großvater und ihre Tanten daran leiden, lässt sie sich testen und bekommt ein positives Ergebnis.
Bei der Chorea Huntington-Krankheit werden Zellen im Gehirn zerstört, wodurch die Fähigkeit, sich zu bewegen, zu denken und sich normal zu verhalten, beeinträchtigt wird. Zu den Symptomen gehören Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnislücken, Depressionen, Stolpern und Ungeschicklichkeit sowie unwillkürliche ruckartige oder zappelige Bewegungen der Gliedmaßen und des Körpers. Auch Stimmungsschwankungen und Persönlichkeitsveränderungen, Schluck-, Sprech- und Atemprobleme sowie Bewegungsschwierigkeiten können auftreten. Die Symptome beginnen in der Regel zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr und verschlimmern sich im Laufe der Zeit, wobei viele Menschen innerhalb von 20 Jahren nach ihrer Erkrankung sterben.
Zunächst verläuft das Leben der jungen Frau ganz normal, aber etwa vier oder fünf Jahre nach der Diagnose begannen die ersten Symptome aufzutreten. "Ich begann zu stolpern und unwillkürliche Bewegungen zu machen. Meine Arme zuckten, meine Beine gaben nach. Ich fing an, Dinge zu vergessen – wie Krankenhaustermine oder das Ausschalten der Heizung und des Ofens. Einmal hatte ich sogar unseren Hund im Park vergessen. Ich begann, wütend und depressiv zu werden. Vor etwa einem Jahr begann ich aus dem Nichts heraus Aggressionsausbrüche zu haben, manchmal in der Öffentlichkeit." Manche Leute dachten, sie sei betrunken oder würde sich daneben benehmen, wenn sie einen Ausbruch ihrer Krankheit erlebte.
Mit der Zeit schämte sie sich für ihre Krankheit, weil niemand verstand, was mit ihr geschah und dass ihr merkwürdiges Verhalten nicht ihre Schuld war. Inzwischen wurde bei der Frau eine Psychose diagnostiziert, die durch die Krankheit verursacht werden kann, und sie nimmt Medikamente ein, um die Schübe zu kontrollieren. Die Chance, dass ihr Sohn die Krankheit erbt, liegt bei 50 Prozent. Noch ist er zu jung, um es zu verstehen, "aber eines Tages werden wir darüber sprechen müssen. Ich habe schreckliche Angst, wenn ich an seine Zukunft denke", so die Mutter. Das traumatische Ereignis hat die Frau wachgerüttelt. Jetzt sammelt sie Spenden für eine Wanderung, um das Bewusstsein für die Huntington-Krankheit zu schärfen.