Österreich

30 Prozent sind betroffen – und finden es "normal"

Eine Umfrage zu sexueller Belästigung und Gewalt im Internet ergibt, dass fast 30 Prozent aller Kinder und Jugendlichen es schon erlebt haben.

Heute Redaktion
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Sexuelle Belästigung im Internet - fast 30 Prozent der 11- bis 18-Jährigen sind betroffen.
Sexuelle Belästigung im Internet - fast 30 Prozent der 11- bis 18-Jährigen sind betroffen.
Bild: iStock

"Die Ergebnisse sind alarmierend und zeigen dringenden Handlungsbedarf auf politischer Ebene", sagt SOS-Kinderdorf-Geschäftsführender Christian Moser am Donnerstag. 27 Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 18 Jahren haben demnach mindestens schon einmal sexuelle Belästigung im Netz erlebt. Besonders besorgniserregend sei, dass Mädchen mit 40 Prozent dreimal häufiger betroffen sind als Burschen, so Studienleiterin Raphaela Kohout vom Institut für Jugendkulturforschung.

Die Erlebnisse reichen von unangenehmen sexuellen Fragen bis hin zu eindeutigem sexuellen Missbrauch. Sehr häufig werden Nacktfotos oder -videos ungewünscht an Kinder und Jugendliche geschickt oder diese aufgefordert, solche von sich selbst zu senden. Knapp über 10 Prozent der Befragten wurden auch schon einmal erpresst, z.B. mit Nacktfotos. Erfahrungen mit Cyber-Grooming (die Online-Anbahnung von Sexualkontakten mit Kindern und Jugendlichen) haben bereits 14 Prozent aller 11 bis 18-Jährigen gemacht.

Sexuelle Belästigung wird als "normal" bewertet

Außerdem würden sexuelle Belästigung und Übergriffe im Netz von Jugendlichen als "normal" bewertet. "Viele Betroffene haben sich damit abgefunden", erklärt Kohout. "Sie fühlen sich ohnmächtig und glauben, dass nichts dagegen gemacht werden kann." Die Betroffenen würden sich oft gar nicht erst an Vertrauenspersonen wenden, weil sie es als sinnlos erachten.

Die Kinder und Jugendlichen würden häufig nicht den Tätern die Schuld geben, sondern sich selbst mitverantwortlich haben, weil sie beispielsweise freizügige Fotos posten. "Wir müssen den Kindern und Jugendlichen glaubhaft vermitteln, dass Übergriffe dieser Art niemals in Ordnung sind, egal wie man sich zeigt und es immer Sinn macht, sich Hilfe zu suchen", betont Elke Prochazka, Psychologin bei "Rat auf Draht".

Die Studie wurde von SOS-Kinderdorf und Rat auf Draht in Auftrag gegeben und vom Institut für Jugendkulturforschung durchgeführt. Es handelt sich um eine repräsentative Befragung unter 400 Kindern und Jugendlichen.

Hier geht es zu den detaillierten Ergebnissen >>>

Politik ist gefordert

Rechtlich ist die Lage in Österreich beispielsweise bei Cyber-Grooming eindeutig: Wer Kinder unter 14 Jahren dazu auffordert, pornografische Fotos von sich zu schicken, sich vor der Webcam auszuziehen, oder wer sie mit der Absicht des sexuellen Missbrauchs zu einem Treffen zu überreden versucht, dem drohen bis zu zwei Jahre Haft. Am Beispiel Cyber-Grooming sieht man jedoch, dass 56 Prozent der Befragten nicht wissen, dass es strafbar ist. Nur die wenigsten der Befragten (8 Prozent) gehen zur Polizei und zeigen die Person an.

"Leider gibt es auch bei der Polizei kein vollständiges Wissen über die Gesetzeslage, wie wir aus der Beratungstätigkeit bei Rat auf Draht wissen", so Moser. Immer wieder komme es vor, dass Betroffene bei der Polizei auf Unwissen oder Unverständnis stoßen. "Es braucht Maßnahmen von politischer Seite, um eine effektivere Strafverfolgung von Cyber-Grooming und anderen Formen sexueller Belästigung und Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Netz zu erreichen", so Moser. "Dafür braucht es dringend eine bessere Sensibilisierung und Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten."

Teenies wünschen sich mehr Aufklärung

Die Studie zeigt zudem, dass lediglich 32 Prozent der Befragten über die Gefahren sexueller Übergriffe informiert sind. Der Großteil wünsche sich aber, mehr über sexuelle Belästigung im Netz informiert und gewarnt zu werden. Diese Aufklärung sollte am besten in der Schule stattfinden und das schon möglichst am Ende der Volksschule.

Moser fordert zudem eine "modere Medienerziehung und umfassende Gewaltpräventionsmaßnahmen an Schulen, damit junge Menschen zu kritischen Usern heranwachsen". Als ersten Schritt müssten die PädagogInnen in digitalen Kompetenzen weitergebildet werden und Schulen verpflichtend Gewaltpräventionskonzepte implementieren.

(red)