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"Shin Megami Tensei V" im Test: Switch-Rollenspieljuwel

Mit "Shin Megami Tensei V" erscheint nicht nur ein, sondern wohl das bisher grandioseste Rollenspiel auf der Nintendo Switch. Ein brandheißes Eisen.

Rene Findenig
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    In "Shin Megami Tensei V" trifft man zwar auf Götter, Dämonen, Monster, Giganten und alles Mögliche dazwischen, die Story beginnt aber ganz irdisch. 
    In "Shin Megami Tensei V" trifft man zwar auf Götter, Dämonen, Monster, Giganten und alles Mögliche dazwischen, die Story beginnt aber ganz irdisch.
    Nintendo

    Die Game-Reihe "Shin Megami Tensei" zählt zwar zum Allerbesten, das das JRPG-Genre zu bieten hat, in Europa hatte es die Reihe bisher aber immer schwer und den Durchbruch nie wirklich geschafft. Das ändert sich hoffentlich mit dem neuen Teil "Shin Megami Tensei V" für die Nintendo Switch, denn das Rollenspiel ist ein fantastischer Hit. Das Game kombiniert klassische rundenbasierte Kampf-Action mit komplexen Mechaniken und einer absolut kinoreifen Handlung.

    Im Spiel trifft man zwar auf Götter, Dämonen, Monster, Giganten und alles Mögliche dazwischen, die Story beginnt aber ganz irdisch. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Schülers einer Oberschule, der mit zwei weiteren Kameraden angebliche Dämonen-Sichtungen in einem U-Bahn-Tunnel untersucht. Dabei kommt es zu einem verheerenden Erdbeben, bei dem der Protagonist bewusstlos wird. Aufgewacht, findet er sich in einer alternativen Version Tokyos wieder.

    Beeindruckende Story, tolle Charaktere

    In Da'At, so der Name der neuen Umgebung, tobt ein Kampf zwischen Engeln und Dämonen um die Vorherrschaft. Und gerade als unser Protagonist Dämonenfutter werden soll, bietet eine mysteriöse Kreatur an, sich mit ihm zu einem Nahobino verschmelzen, einem verbotenen Wesen, das weder Mensch noch Dämon ist, aber über unglaubliche Kräfte verfügt. Wiedervereint mit den Kameraden, die nun Dämonen beschwören können, soll unser Held das "echte" Tokyo beschützen.

    Gut-Böse-Storys kennt man zwar zu Genüge, "Shin Megami Tensei V" vergisst dabei aber nicht, auch die Guten und Bösen mit zahlreichen Facetten zu versorgen und vor allem die vielen Charaktere detailliert vorkommen zu lassen. So baut sich schnell eine Bindung zu den Figuren auf, die bei anderen JRPGs oft schmerzlich vermisst wird. Was wirklich gut und böse ist, lässt das Abenteuer immer mehr verschwimmen und fokussiert dankenswerter Weise auf die Entscheidungen des Spielers.

    Kämpfe machen Lust auf immer mehr

    Zwar gibt es im Kern klassische, rundenbasierte Kämpfe im Spiel, doch auch sie wissen mit geschickten Kniffen zu überzeugen. In den Kampf gezogen wird man erst, wenn man in der riesigen und fast offenen Spielwelt aktiv auf ein Monster zugeht oder es direkt mit dem Schwert attackiert, jedoch nicht per Zufallsbegegnungen oder beim Vorbeilaufen. Das erspart viel an Nerven und Frust. Im Kampf selbst startet der Spieler mit einer kleinen Anzahl an Attacken, die sich nach der Zahl der gerade verfügbaren Begleiter richtet.

    Ab da wird es aber bereits komplex: Attacken können verschiedene Elemente wie Feuer oder Dunkelheit nutzen – und je nachdem, ob man einen Treffer oder einen Volltreffer landet, erhöht sich ihre Zahl. Immer weniger Angriffe sind dagegen nutzbar, wenn Angriffe ins Leere laufen oder geblockt werden. Nutzbar sind zudem Items wie Heilung oder aber man versucht sich in der Flucht. Ist die jeweilige Rundenkapazität aufgebraucht, darf der Feind seine Attacken starten.

    Auch Verhandlungen sind möglich

    Eine Besonderheit in den Kämpfen stellt dar, dass wir nicht unbedingt mit Schlagkraft gewinnen müssen. Spieler können mit den Feinden auch Verhandlungen beginnen, denn nicht alle Dämonen wollen uns einfach töten und fressen. Vielmehr zeigen sich manche an unseren Fähigkeiten oder an Belohnungen interessiert, um uns überleben zu lassen, oder versprechen sich selbst mehr Macht, wenn sie sich uns widerwillig anschließen. Das gilt es geschickt zu nutzen und immer wieder kürzer- oder längerfristige Pakte mit dem Teufel einzugehen.

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    Um die Dämonen zu überzeugen, gilt es aber, in den Verhandlungen die richtigen Dialogoptionen zu wählen, von denen verschiedene zur Auswahl stehen. Nach und nach sammelt man so immer mehr Dämonen in der eigenen Party an, wobei man stets ein Auge auf die eigenen Werte und das Inventar haben muss, denn meist gilt: Je stärker ein Dämon an unserer Seite, umso mehr verlangt er auch dafür. Schon kompliziert genug? Bei weitem nicht! Schließlich wird es mit Fusionen verschiedener Monster erst so richtig interessant.

    Baue dir deine eigenen Dämonen zusammen

    In der Spielwelt lassen sich jede Menge Dämonen als Mitkämpfer anheuern, man kann sich aus ihnen aber auch ganz eigene, neue Monster bauen. Dazu betritt man das Spielareal namens Hort der Dämonen und kann mindestens zwei Monster zu einem neuen Wesen vereinen. Wie das abläuft, erklärt ein weiblicher NPC, – bei dem es auch Ratschläge und kaufbare Fähigkeiten zum Umgang mit Dämonen gibt – Experimentierfreude braucht es aber allemal, denn einfach zusammengeworfen werden die Dämonen nicht. Es läuft schon um einiges komplexer, aber lohnenswerter, ab.

    Der Spieler kann bei der Dämonen-Fusion selbst bestimmen, welche Skills der fertige Dämon von seinen "Zutaten" erben soll. So lassen sich unnötige Attacken schnell aussortieren und gezielt gewünschte Skills fördern. Auf Wunsch werden alle Dämonen zudem in einem eigenen System erfasst und lassen sich dort gegen Bezahlung neu beschwören. Das sorgt dafür, dass man besonders starke Wesen bei Verlust nicht komplett neu sammeln muss, sondern sie direkt für neue Fusionen parat hat. All das zeigt: "Shin Megami Tensei V" ist unglaublich komplex und verlangt Einarbeitung, ist aber umso genialer geraten.

    Tiefgehendes Skill-Management für Profis

    Für Tüftler zeigt sich auch das Skill- beziehungsweise Level-Management in "Shin Megami Tensei V". Mit den durch die Kämpfe gewonnenen  Erfahrungspunkten leveln sich die Werte des Protagonisten zwar selbstständig hoch, der Spieler darf mit jedem Aufstieg aber auch zusätzlich Punkte in seine Fähigkeiten setzen und dabei etwa gezielt Gesundheit, Stärke oder Magieanwendung erhöhen. Außerdem lassen sich in der Spielwelt die Ressourcen – so genannte Essenzen – sammeln, mit denen man bestimmte Skills und Statuswerte von Dämonen direkt für den eigenen Spielcharakter oder auf andere Dämonen übernehmen kann. 

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    Je weiter man im Game also vorankommt, umso mehr spezialisiert man sich mit seiner Figur auch. Wem das alles nicht zeigt, dass sich "Shin Megami Tensei V" an Hardcore-Rollenspieler richtet, dem seien noch andere Besonderheiten gezeigt. Von den vier Schwierigkeitsgraden, die sich nur zum Teil innerhalb des Spiels wechseln lassen, ist schon der leichteste manchmal ganz schön anspruchsvoll und ein simples Haudrauf-Spiel gibt es nie. Zudem lässt sich das Game nur manuell an den Drachenquelllinien, an denen man auch Fusionen durchführt und durch die Spielwelt reist, speichern. Eine Auto-Save-Funktion gibt es bisher nicht. Doch keine Angst: Mit etwas Geduld findet sich auch jeder Neuling früher oder später zurecht.

    Kaum ein anderes Game kann da mithalten

    Technisch gibt es viel Grund zu jubeln, denn die Grafik von "Shin Megami Tensei V" sieht auf der Nintendo Switch fantastisch aus. Die Spielwelt zeigt eine mysteriöse Version moderner Großstädte mit atemberaubenden Lichtern, bombastischen Zerstörungen und seltsamen Kreaturen. Besonders beeindruckend ist aber, dass jeder Einzelne der Dutzenden Dämonen nicht nur optisch anders aussieht, sondern auch über eigene Motive und Charaktere verfügt. Hier haben sich die Entwickler von Atlus ein wahres Denkmal gesetzt, damit kann auf der Nintendo Switch derzeit kaum ein anderes Spiel mithalten.

    Lob gibt es auch für die englische Vertonung, die wahlweise auch zu japanisch gewechselt werden kann und in beiden Versionen gefällt. Deutsch gibt es dagegen nur in Untertiteln, durch das Game begleitet außerdem ein fetzig-rockiger Soundtrack. "Shin Megami V" ist ein Switch-Rollenspieljuwel, das auf keiner Nintendo-Konsole fehlen sollte. Besonders Kampf-, Level- und Skill-Systeme überzeugen mit ihrer Komplexität, das Highlight sind und bleiben aber die detailliertest gestalteten Dämonen. Unser Fazit: Ein gigantischer Rollenspiel-Hit, der Profis so richtig fordert, aber auch Anfänger, die lernbereit sind, nicht ignoriert.

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