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"Sie planen es!" Wirbel um neues Video vom WEF

Ein Clip aus einem WEF-Treffen wird auf Social Media dahingehend interpretiert, dass "Eliten" einen "katastrophalen weltweiten Cyberkrieg" planen.

Ein Ausschnitt einer WEF-Pressekonferenz wird auf Social Media aus dem Zusammenhang gerissen und das darin Gesagte falsch interpretiert.
Ein Ausschnitt einer WEF-Pressekonferenz wird auf Social Media aus dem Zusammenhang gerissen und das darin Gesagte falsch interpretiert.
Getty Images

Auch in diesem Jahr sind im Zusammenhang mit dem World Economic Forum (WEF) zahlreiche Verschwörungstheorien aufgetaucht. Zu den Top 5 der Falschbehauptungen 2023 zählt etwa, dass die Organisatoren der Konferenz Pädophilie guthießen. Falsch ist auch die Behauptung, die WEF-Prominenz verlange explizit nach ungeimpften Flugzeug-Crews. Genauso wie die, dass die Verantwortlichen in diesem Jahr mit "Ärger" rechneten.

Und auch am letzten Tag der diesjährigen WEF-Ausgabe kursiert in den sozialen Medien eine Falschbehauptung. Diese bezieht sich auf ein Panel am zweiten Konferenztag bezieht. In den entsprechenden Beiträgen wird behauptet, das WEF plane einen "katastrophalen weltweiten Cyberkrieg". Das stimmt aber nicht.

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    Salomé Balthus ist Prostituierte, Kolumnistin und Autorin.
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    20 Minuten / privat

    Aussagen von WEF-Mann werden umgedeutet

    Verbreitet wird die Falschbehauptung etwa in einem TikTok-Clip. Darin ist ein rund 30-sekündiger Ausschnitt aus der Pressekonferenz zum Global Cybersecurity Outlook 2023 zu sehen. Einer der verwendeten Hashtags ist #worldreset – damit nimmt der Ersteller des Posts Bezug auf eine gängige, aber haltlose Verschwörungstheorie. Laut dieser soll das WEF einen Umbruch im Interesse der WEF-Teilnehmenden planen und den Menschen die Freiheit nehmen wollen. Oft gilt die Pandemie in dieser Vorstellung als absichtlich erzeugt.

    Hinweise auf die vermeintlich bösen Absichten des WEF finden sich auch in der über das Video gelegten Schrift sowie in den Kommentaren unter dem Clip. Dort heißt es etwa: "Sie planen es!" Mit "es" ist ein "katastrophaler weltweiter Cyberkrieg" gemeint, von dem einer der Event-Teilnehmenden, Jeremy Jurgens, geschäftsführender Direktor des WEF, in dem Ausschnitt spricht. Ein anderer User orakelt: "Sie sagen dir immer, was sie vorhaben. Das ist Teil ihrer Spielregeln."

    Aussage aus dem Zusammenhang gerissen

    Der Videoausschnitt ist echt, wenn auch zusammengeschnitten, wie ein Vergleich mit dem Original-Video zeigt. Die Interpretation des darin Gesagten durch die Userinnen und User ist aber Quatsch. Jurgens kündigte keinen Cyberkrieg an, wie auf TikTok behauptet, sondern verkündete die Ergebnisse einer Umfrage unter 300 Geschäftsführern aus aller Welt. "Das auffälligste Ergebnis ist, dass 93 Prozent der Cybersicherheitsexperten und 86 Prozent der Cyberwirtschaftsführer glauben, dass die globale geopolitische Instabilität in den nächsten zwei Jahren wahrscheinlich zu einem katastrophalen Cyberangriff führen wird", sagt Jurgens wörtlich.

    Das Ergebnis übersteige "bei weitem alles, was wir in früheren Umfragen gesehen haben", so Jurgens weiter. Als Grund nennt er die immer größer werdende Komplexität von mit der Cybersicherheit zusammenhängenden Aspekten. Dieser Part ist jedoch nicht mehr Teil des auf Social Media verbreiteten Ausschnitts. Ebenfalls abgeschnitten wurden die Aussagen Jurgens über positive Entwicklungen, etwa dass Firmen immer mehr in Cybersicherheit investieren und dieser deutlich mehr Beachtung schenken als "je zuvor". Das widerspricht den Behauptungen in den sozialen Medien. Der ganze Report findet sich hier.

    Cyberangriffe sind kein neues Phänomen

    Bereits 2010 warnte Richard A. Clarke, der unter den US-Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush für Terrorismusabwehr zuständig und später Sonderberater für Cybersicherheit im Weißen Haus war, dass eine feindliche Cyberattacke sogar größeren Schaden als ein Nuklearschlag anrichten könnte. Denn ein erfolgreicher Hackerangriff eines feindlichen Staates könnte auf einen Schlag die Energie- und Wasserversorgung, das Telekommunikations- oder das Finanzsystem eines Landes ausschalten.

    Der Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigt, dass Cyberangriffe heute fester Bestandteil der modernen Kriegsführung sind. So berichteten ukrainische Quellen im Februar 2022 parallel zum Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine von "massiven Cyberangriffen". Gleichzeitig rief die Ukraine die internationale Hacker-Community dazu auf, dem Land zu Hilfe zu kommen. Die Ukraine ist seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 immer wieder Ziel russischer Cyberattacken. So stellten Ende Dezember 2015 russische Hacker 700’000 Menschen in der westukrainischen Region Iwano-Frankowsk den Strom ab. Aufgrund solcher Vorfälle hat die Ukraine eine starke Cyberabwehr aufgebaut, die im aktuellen Krieg mit Russland die meisten Cyberangriffe erfolgreich abwehren konnte.

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      Aus Sicherheitsgründen hat der jö Bonus Club nun Passwörter von potentiell gefährdeten Accounts zurückgesetzt.
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      https://www.joe-club.at/

      Auch Österreich ist immer wieder Ziel von Cyberangriffen. So wurden im Zuge der Corona-Pandemie etwa testlabore angegriffen. Bei den Angreifenden handelt es sich um Cyberkriminelle, die "mit möglichst wenig Aufwand an viel Geld kommen wollen", wie Pascal Lamia, Leiter Operative Cybersicherheit beim Schweizer Bund, gegenüber "20 Minuten" sagte. "Cyberangriffe sind das größte Sicherheitsrisiko für Unternehmen", sagte etwa Swissmem-Präsident Martin Hirzel vergangenen Sommer. Das hat auch der Bund erkannt. So nahm die Schweizer Armee zum Beispiel vergangenen April an der weltweit größten Cyberabwehr-Übung "Locked Shields" teil, um die Abwehr solcher Attacken zu trainieren.