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Sie war 12, als sie an der Schule vergewaltigt wurde

An der christlichen Privatschule in Kaltbrunn SG wurden Kinder offenbar gezüchtigt und geschlagen. Jetzt spricht erstmals eine Betroffene.
12.10.2023, 13:08
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Ehemalige Schüler und Schülerinnen der evangelikalen Privatschule "Domino Servite" (übersetzt "Diene dem Herrn") in Kaltbrunn SG sollen jahrelang vom damaligen Schulleiter und Prediger der Schule, seiner Frau Helga sowie von anderen Mitgliedern der religiösen Gemeinschaft misshandelt worden sein. Die SRF-Dokumentation löste ein gewaltiges Echo aus.

Erinnerungen verdrängt

Jetzt berichtet erstmals eine Betroffene darüber, wie sie an der Schule nicht nur misshandelt, sogar vergewaltigt wurde. Kelly G. ging ab 1995 in die Schule. Gegenüber "10vor10" gibt sie an, dass ihre verdrängten Erinnerungen durch den SRF-Dok-Film wieder an die Oberfläche kamen.

Zum Zeitpunkt ihrer Vergewaltigung sei sie zwölf Jahre alt gewesen. Doch als sie es der Schulleitung gemeldet habe, sei sie als Lügnerin hingestellt worden. "Der Teufel sei in mir, ich hätte mir das alles nur ausgedacht", sagt Kelly G. Danach wird sie von "Domino Servite" ausgeschlossen und sie spricht jahrelang nicht mehr über das Erlebte. "Wenn man immer wieder sagt, welches Unrecht einem angetan wurde und es wird einem nicht geglaubt, dann schweigt man irgendwann", erklärt sie.

Weitere Täter und Opfer

Auch weitere mutmaßliche Täter und Opfer tauchen im Untersuchungsbericht auf. So berichtet eine Betroffene, sie sei von Missionaren vergewaltigt worden, eine andere gibt an, bei ihr sei ein Mitschüler der Täter gewesen. Laut Berichten schritt niemand ein, obwohl über Jahre hinweg auf sexuell grenzüberschreitendes Verhalten einer Lehrperson hingewiesen worden war.

Das legt laut dem Verfasser des Berichts nahe, dass dies "von verschiedenen Leitungspersonen gebilligt, toleriert, mitgetragen und jedenfalls nicht beseitigt wurde". Kelly G. gibt an, auch von ihrer Vergewaltigung habe das Leitungsteam gewusst – "auch Jürg Läderach" – doch sei nichts unternommen worden.

Läderach streitet ab

Von "10vor10" darauf angesprochen gibt Jürg Läderach an, von Kelly G.s Geschichte nichts zu wissen. Er betont erneut, "niemals Schülerinnen oder Schüler geschlagen oder misshandelt" zu haben. Im Vorfeld des SRF-Doks hatte er dies in einer eidesstattlichen Erklärung notariell festgehalten. Eine Strafrechtsprofessorin betont jedoch, das die Erklärung "rechtlich gesehen bedeutungslos" sei. Denn der Notar überprüfe bei der Beurkundung einzig die Unterschrift und nicht den Inhalt.

Die mutmaßliche Vergewaltigung liegt zwar über 20 Jahre zurück, doch ist der Fall unter Umständen noch nicht verjährt und es könnte entsprechend noch rechtliche Folgen geben. Derweil gibt der Beschuldigte von Kelly G. via Anwalt an, ihre Geschichte habe weder Glaubwürdigkeit noch gebe es Beweise. Heute unterrichtet der Mann nicht mehr an der evangelikalen Privatschule, besucht jedoch weiterhin regelmäßig die Gottesdienste auf dem Hof Oberkirch.

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