Österreich

Sima: "Novelle hätte fatale Folgen für Rechtsstaat"

Heute Redaktion
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Die geplante Novelle sei ein massiver Eingriff in Länderrechte und hätte dramatische Folgen auf das Zusammenleben der Stadt, betont Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ).
Die geplante Novelle sei ein massiver Eingriff in Länderrechte und hätte dramatische Folgen auf das Zusammenleben der Stadt, betont Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ).
Bild: Sabine Hertel

Im Parlament steht am Mittwoch die Novelle zum Verwaltungsstrafgesetz auf dem Programm. Künftig soll erst beim zweiten Vergehen gestraft werden. Die Stadt Wien warnt vor dramatischen Folgen.

Verwaltungsübertretungen wie etwa das Liegenlassen von Hundekot und Zigarettenstummeln, Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz oder das Wiener Glücksspielgesetz sollen – so der Plan der Bundesregierung – künftig nicht mehr mit Strafen, sondern mit Beratungsleistungen "geahndet" werden.

Das sieht eine Novelle zum Verwaltungsstrafgesetz (VStG) vor, die am Mittwoch im Verfassungsausschuss im Parlament behandelt wird. Bereits am 13. Juni passierte die Novelle den Ministerrat.

Erst beim zweiten Vergehen innerhalb von drei Jahren wird gestraft

Für die Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) hätte dies fatale Folgen für den Rechtsstaat. "Die Auswirkungen dieser Regelung wären wirklich dramatisch: Erst wenn jemand zum zweiten Mal beim gleichen Delikt innerhalb von drei Jahren erwischt wird, darf sofort gestraft werden", warnt Sima vor den Konsequenzen.

Zudem würde dies für die Stadt Wien für einen enormen Bürokratieaufwand auf Kosten der Steuerzahler bedeuten. "Durchwachte Nächte, verschmutzte Gehsteige, illegale Spielhöllen – bald Alltag dank der schwarz-blauen Bundesregierung. Wir haben künftig nicht mehr die Möglichkeit, im Namen der Bürgerinnen und Bürger einzuschreiten und derartige Missstände rasch abzustellen", so Sima.

"Massive Behinderung der Behörden"

Die Novelle sei ein massiver Eingriff in die Länderrechte und drohe die Rechtsordnung auf den Kopf zustellen, betont Sima. "Die neue Regelung behindert die Behörden bei ihrer Kontrolltätigkeit massiv. Etwa bei Umweltschutz, Sauberkeit, Hygiene-und Sicherheitsstandards, Lebensmittelsicherheit sowie beim ArbeitnehmerInnenschutz und im Straßenverkehr. Nun sollen nur noch 'erhebliche' und mit 'Vorsatz begangene' Übertretungen von Regeln schon beim ersten Mal bestraft werden.

Wien werde dies nicht tatenlos hinnehmen, zeigt sich die Stadträtin kämpferisch. "Ich appelliere an die Mitglieder im Verfassungsausschuss, die Rechtsordnung in Österreich nicht völlig auf den Kopf zu stellen und Abänderungen vorzunehmen".

Ermahnt werden könne als Option wie bisher auch künftig, dies dürfe aber keinesfalls verpflichtend sein. "Gesetze und Spielregeln müssen kontrolliert und geahndet werden", unterstreicht Sima. Das würden sich zu Recht auch die Bürger zu Recht erwarten.

"Auswirkungen auf tägliches Zusammenleben"

Die geplante Novelle hätte auch enorme Auswirkungen auf das tägliche Zusammenleben in der Stadt, gerade was die Themen Sauberkeit, Hundekot und Lärmbelästigungen betreffe.

Die Stadt Wien habe in den letzten Jahren große und erfolgreiche Anstrengungen unternommen, um Missstände in Sachen Hundekot, illegal abgelagertem Sperrmüll etc. durch strenge Kontrollen und Strafen bei Vergehen dauerhaft zu beseitigen. Dadurch zähle Wien zu den saubersten Städten der Welt - "eine Tatsache, die es ohne Durchgriffsrecht der Behörden nicht gäbe", ist Sima überzeugt.

Das "Beraten statt Strafen" in Bezug auf Verstößen gegen das Rauchverbot in Lokalen habe auch negative Folgen auf die Gesundheit. Die Stadt habe in den letzten Monaten verstärkt Schwerpunktkontrollen durchgeführt. Dabei gab es bei rund Zweidrittel (62 %) aller überprüften Lokale Verstöße gegen den NichtraucherInnen-Schutz.

Keine Chance gegen notorische Lärm-Höllen

Auch in Sachen Lärmschutz werde es künftig schwieriger für Anrainer: "Bei Veranstaltungen im Freien und auch für Lokale gibt es strenge Lärmgrenzwerten und Sperrzeiten. Mit 'Beraten statt Strafen' sind bei Verstößen keine Strafen mehr möglich", so Sima. Die Folge sei, dass betroffene Bewohner dem Lärm hilflos ausgeliefert seien. Unmittelbar gestraft soll künftig nur werden, wenn jemand in den letzten drei Jahren zum selben Delikt schon einmal "beraten" wurde oder eine Verwaltungsstrafe offen sei.

"Fröhliche Urständ für illegales Glückspiel und Hütchenspieler"

Gerade im Kampf gegen das illegale Glücksspiel sei die Novelle ein Rückschritt. Wien habe das Wiener Wettengesetz verschärft, um Spielsucht einzudämmen und den Schutz der Jugend vor den negativen Auswirkungen von Sportwetten zu stärken.

"Verstöße dagegen werden streng geahndet, auch mit Mindeststrafen in Höhe von 2.200 Euro. 'Beraten statt Strafen' verschlechtert den Schutz von Jugendlichen und Spielsüchtigen enorm", so Sima.

Auch der Kampf gegen illegales Glückspiel sei von der neuen Regelung massiv betroffen. Dasselbe gilt für das betrügerische "Hütchenspiel", das in Wien verboten und durch intensive, gemeinsame Kontrollen der Stadt und der Polizei von den Straßen verschwunden sei. "Vor allem auch, weil regelmäßig streng gestraft wurde", stellt Sima klar. Dass künftig keine Strafen mehr zu befürchten seien, spreche sich in den Täterkreisen rasch herum. "Die Abschreckung ist damit gleich Null – das Hütchenspiel wird sich wieder ungehindert in den Einkaufsstraßen ausbreiten", so Sima.

Fehlendes Verwaltungsstrafregister als "Freibrief"

Wird die Novelle beschlossen, müsse künftig bei jedem Verwaltungsverstoss der Sachverhalt schriftlich dargestellt und der Verursacher zum Beenden des Rechtsbruchs aufgefordert werden, alles mit entsprechender Fristsetzung. Konkret heißt das, dass bei jeder Kontrolle fortan geprüft werden muss, ob bereits ein früheres Vergehen vorliegt. "Das ist mehr als absurd und in der Praxis nicht machbar", hält Sima fest.

Umso schwieriger sei die Prüfung bereits vorliegender Übertretungen, weil es in Österreich kein österreichweites Verwaltungsstrafregister gibt, wo derartige Vergehen registriert wären. "Wer auch immer sich etwas – auch in einem anderen Bundesland - zu Schulden kommen lässt, hat mangels entsprechender Dokumentationsmöglichkeiten der Behörde eigentlich nichts zu befürchten. Ein Freibrief", so Sima. (lok)