Politik

Weniger AMS-Geld – Minister enthüllt die neuen Pläne

Kürzungen bei Langzeit-Arbeitslosen, Zuverdienstmöglichkeiten und Reisen für AMS-Kunden – Minister Martin Kocher spricht im "Heute"-Talk Job-Klartext.

Heute Redaktion
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Bis zum Sommer will die Regierung ihre Arbeitsmarktreform präsentieren. Kernpunkt: ein neues Modell fürs AMS-Geld und neue Regelungen bei Zuverdienstmöglichkeiten und Job-Vermittlung. Bisher stieg man mit 55 Prozent vom letzten Netto-Gehalt ein. Der Wert soll künftig höher sein, im Laufe der Zeit aber absinken – "Heute" berichtete. Schon jetzt bleiben Menschen im Schnitt nicht viel mehr als 900 € "Arbeitslose". Wie soll man davon leben können? VP-Minister Martin Kocher (48) sprach im "Heute"-Citystudio (ganzes Video oben) über die Details.

"Wollen die Vermittlung beschleunigen"

"Wir haben uns entschlossen, in den nächsten Wochen einen konkreten Vorschlag zu erarbeiten und vor dem Sommer zu präsentieren", sagt Kocher über die neue Arbeitslosenversicherung für Österreich. Inkrafttreten? "Irgendwann 2023." Was die Regierung plant?

Kocher: "Eine stufenförmige Gestaltung des Arbeitslosengeldes – in der ersten Phase höher, nach einer Zeit wird es weniger."

Wie das genau ausgestaltet wird, sei noch Teil der Diskussion. Und das Ziel von alldem? "Die Vermittlung zu beschleunigen. Wir wollen, dass Menschen, die arbeitslos sind, rasch in Beschäftigung kommen. Beschäftigt zu sein, ist immer mehr als das Arbeitslosengeld – ganz egal, ob es nun 55 Prozent oder 60 Prozent des früheren Nettogehalts sind." 

Martin Kocher mit <em>"Heute"</em>-Herausgeberin Eva Dichand
Martin Kocher mit "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand
Sabine Hertel

"Nettoersatzrate anfangs höher als 55 Prozent"

Wo das AMS-Geld zu Beginn (bisher 55 Prozent des Letztbezugs) künftig liegen soll? "Das hängt vom Gesamtkontext ab. Wir haben noch nichts im Detail ausgearbeitet." Klar sei lediglich: "Am Anfang soll es höher sein. Wie hoch genau, kann man schwer sagen." 

Video: Sind 70 % Netto-Rate denkbar?

Gewerkschaftsboss Wolfgang Katzian hatte zuletzt 70 Prozent Netto-Ersatzrate gefordert. Für den türkisen Minister vorstellbar? "Wir sprechen über irgendeinen Prozentsatz, der höher ist als 55 Prozent. Wie hoch genau, werden wir uns ansehen. Das hängt auch sehr davon ab, wie die Regeln beim Zuverdienst sind." 

"Weit unter 55 Prozent kann es nicht fallen"

Für Langzeit-Arbeitslose soll der Bezug nach einer Zeit reduziert werden. Kann der Arbeitsminister ausschließen, dass das AMS-Geld jemals unter 55 Prozent vom Letzt-Nettobezug fällt? "Wir haben jetzt schon in der Notstandshilfe unter 55 Prozent. Es kann nicht weit unter 55 Prozent fallen, weil es natürlich nicht das Ziel einer Reform sein kann, dass die Armutsgefährdung steigt." 

"Sozialpartner einbinden"

Wie schnell soll das Geld gekürzt werden? "Wir reden von einigen Wochen oder Monaten – das hängt aber davon ab, wer davon erfasst ist und wie wir mit Saisonbranchen umgehen." Wer öfter arbeitslos ist, solle nicht durch den höheren Einstiegs-Betrag profitieren: "Das sollte nicht attraktiver sein." Die Sozialpartner will Kocher über das neue Gesetz informieren und einbinden, er stellt aber klar, dass vor allem in der türkis-grünen Bundesregierung Konsens herzustellen sei: "Wichtig ist, dass man eine Mehrheit im Parlament hat."

Angesichts der zuletzt stark gestiegenen Energiepreise sagt der Politiker, dass Arbeitslosigkeit "immer eine Armutsgefährdung" sei. Sie sollte daher "immer nur temporär, nicht auf Dauer sein." An der unbefristeten Notstandshilfe will er nicht rütteln.

Martin Kocher: "Natürlich ist das Arbeitslosengeld nicht so, dass es besonders komfortabel ist."
Arbeitsminister Martin Kocher (VP) im <em>"Heute"</em>-Studio
Arbeitsminister Martin Kocher (VP) im "Heute"-Studio
Sabine Hertel

Und wer soll von den im Schnitt 900 Euro Arbeitslosengeld leben können? "Ein Gutteil dieser Bezüge funktioniert auf Basis von Teilzeitarbeit. Die Menschen, die das haben, sind oft eingebunden in einen Familienverbund. Da gibt es einen zweiten Verdiener und sie haben davor nicht so viel Versicherungsleistung beigetragen." Dazu komme laut Kocher, "dass fast alle Menschen, die arbeitslos werden, relativ kurz arbeitslos sind – glücklicherweise". Nachsatz: "Wer Vollzeit arbeitet, hat natürlich ein höheres Arbeitslosengeld – klar über 1.000 Euro. Aber natürlich ist das Arbeitslosengeld nicht so, dass es besonders komfortabel ist."

Video: Wie soll man davon leben können?

"Familienbonus sehen wir uns an"

Ein Thema wird auch der Familienzuschlag (derzeit rund 1 Euro pro Kind und Tag, SPÖ-Mandatar Muchitsch will das verdreifachen): "Den Familienzuschlag werden wir uns sicher anschauen. Er wurde sehr lange nicht valorisiert, auch nicht unter SPÖ-Arbeitsministern. Da ist eine Gruppe betroffen – nämlich die Kinder von arbeitssuchenden Menschen – die besonders armutsgefährdet sind. Da müssen wir genau draufschauen."  

Will er AMS-Kunden künftig Auslandsurlaube, etwa in Heimatländer am Balkan, gestatten? "Die Frage ist immer, wie das mit dem jeweiligen Berater abgestimmt ist. Aber natürlich ist es so, dass man – wenn man arbeitssuchend ist – dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muss. Mit einem Urlaub ist das nicht gut verknüpfbar. Das würde großen Schwierigkeiten bei der Vermittlung Tür und Tor öffnen. 

Video: Bleiben Auslandsreisen tabu?

Änderung bei Zuverdienst zu AMS-Geld

Änderungen soll es auch beim Zuverdienst (bisher sind rund 485 Euro monatlich erlaubt) geben, kündigt Kocher an: " Wir schauen uns das genau an. Ich glaube, dass wir eine Möglichkeit finden werden, dass wir diesen Zuverdienst einschränken, aber diejenigen, die ihn brauchen, die Möglichkeit haben, zum Arbeitslosengeld dazuzuverdienen."

"Natürlich können Arbeitgeber mit Arbeitnehmern gemeinsam vereinbaren, dass es strengere Regeln – zum Beispiel Maskenpflicht oder 3G – gibt."

Thema im Talk (in ganzer Länge oben) war auch das Aus der 3G-Regel im Job – trotz Rekordinfektionszahlen. "Die 3G-Regelung war das unterste Sicherheitsnetz", sagt Kocher. "Sie war am Arbeitsplatz nicht mehr generell aufrechtzuerhalten. Es gab keine rechtliche Grundlage mehr für eine generelle Regel über alle Branchen und Bereiche hinweg." Er gibt aber zu bedenken, dass "das generelle Arbeitsrecht auch unabhängig von Corona eine Fürsorgepflicht" vorsehe. Kocher: "Natürlich können Arbeitgeber mit Arbeitnehmern gemeinsam vereinbaren, dass es strengere Regeln – zum Beispiel Maskenpflicht oder 3G – gibt. Es muss nur immer sachgemäß und verhältnismäßig sein. Ich glaube schon, dass es ein großes Interesse gibt, dass das gut funktioniert und dass nicht zu viele Leute ausfallen." 

Video: Kocher zu Aus von 3G im Job und Impfpflicht

"Generelle Impfpflicht bessere Variante"

Nachdem am Mittwoch die generelle Impfpflicht bis auf weiteres ausgesetzt wurde, wollte "Heute" noch wissen, ob sie nicht für besonders schützenswerte Settings vorstellbar wäre? Der Minister legt Wert auf die Feststellung ,dass sie "nicht aufgehoben, sondern nur ausgesetzt" sei. Kocher: "Wenn es eine Gefahr gibt, ist eine generelle Impfpflicht die bessere Variante als eine sektorale, wo es immer große Schwierigkeiten beim Fairness-Empfinden gibt."