Österreich

So schlug sich "Heute"-Team im Polizei-Training

Heute Redaktion
13.09.2021, 18:49

"Heute"-Redakteure Louis Kraft und Maxim Zdziarski nahmen an einem polizeilichen Einsatztraining teil: Fixiergriffe, Schießübungen und ein Szenario mit Waffengebrauch.

Es heißt, die Feder ist mächtiger als das Schwert. Wenn es sich bei der "Feder" aber um eine 175cm große Journalistin handelt und das "Schwert" in Form eines etwa 190cm großen, top trainierten und ausgebildeten Polizisten daher kommt, sieht die Sache etwas anders aus. Gut, dass wir zu zweit sind, denn heute werden aus meinem Arbeitskollegen Maxim und mir echte Partner.

Am Donnerstag lud die Landespolizeidirektion Wien ein kleine Gruppe ausgewählter Journalisten zu einem "interaktiven Szenarientraining" in die Erdbergstraße 186 (Landstraße) ein. Das Gebäude aus den 1970er ist einer der Orte, an dem Nachwuchspolizisten ihre Grundausbildung absolvieren. Außerdem finden hier auch die Szenarientrainings statt, die heute auch wir absolvieren dürfen. Die erste Erleichterung kommt, als wir merken, dass das Training nicht, wie befürchtet, mit einem 10km-Lauf zum Aufwärmen beginnt, gefolgt von 100 "lockeren Liegestütz".

Einsatzübungen in vier Stufen

Stattdessen geht es mit einer Einführung durch Chefinspektor und Einsatzleiter Günter Pegrisch (48) los. Er ist einer von derzeit vier Bundeseinsatztrainern. "Das Einsatztraining hat vier Säulen: Technik, Taktik, Schießen und schließlich die Zusammenführung im Szenarientraining", erklärt Pegrisch. Was genau sich dahinter verbirgt, zeigt er uns gemeinsam mit Gruppeninspektor Christian Kassik (45) und Revierinspektor Andreas Feifar (36).

Video: "heute.at" beim Einsatztraining der Polizei

(Video: Georg Hitsch)

"Die größte Macht der Polizisten ist die Sprache", betont Pegrisch. Weil das in der Realität aber leider nicht immer ausreicht, um Situationen zu entschärfen und zu klären, lernen Polizisten auch verschiedene Techniken.

"Verhältnismäßigkeit ist in jeder Amtshandlung von zentraler Bedeutung"

"Jede Amtshandlung folgt dem 3D-Modell: Dialog, Deeskalation und Durchsetzen", erklärt der Einsatzleiter. Daran orientieren sich auch die drei Phasen: die Konfrontation, das Überwältigen und die Kontrolle. "Wenn man solche Szenen im Fernsehen oder in den Zeitung sieht, wirkt das immer unglaublich brutal", betont Pegrisch. Wie sich das wirklich anfühlt, ein Gegenüber zu überwältigen und auf dem Boden zu fixieren, dürfen wir nach einer kurzen Einleitung selbst ausprobieren.

Nach ein paar einfachen Aufwärm- und Lockerungsübungen, gilt es Günter und Andreas "aufs Kreuz zu legen". Dabei zeigt sich schnell, das hier hauptsächlich Technik und kaum Kraft zum Einsatz kommt. Denn obwohl hier mit vollem Körpergewicht gearbeitet wird, um Andreas auf dem Boden zu halten, wird auf seinen Körper selbst nur sehr wenig Druck ausgeübt.

Das Schienbein fixiert das Schultergelenk, mit beiden Händen wird der Arm des "Aggressors" mittels Armstrecktechnik auf den Boden gedrückt. "Wichtig dabei ist: Bei allen Einsätzen geht es um Verhältnismäßigkeit. Sobald wir jemanden fixieren, sind wir für ihn verantwortlich", so Pegrisch.

Im Bereich Taktik üben die Beamten etwa das Betreten und Sichern von Räumen. Dabei geht es um Fragen wie: wo ist mein Partner, Beobachtung der Umgebung und die Schaffung und Sicherung von Distanz.

Mit der Übungs-Glock auf den Schießstand

Nach einem Ortswechsel in das 3. Untergeschoss steht nun Schießtraining auf dem Programm. Während Polizisten im Einsatz auf dem Schießstand auch aus 25m Entfernung trainieren, müssen wir Journalisten nur fünf Meter überwinden. Bevor es aber los geht, erklärt uns Pegrisch die richtige Handhaltung der Glock-Übungswaffe: "Abzugsfinger entlang des Laufs, bei Rechtshändern stützt die linke Hand die rechte, beide Daumen zeigen nach oben".

Ob das Ziel auch getroffen wurde, lässt sich leicht durch die verwendete Farbmunition ermitteln. Erfreuliche Bilanz für uns "Heute"-Redakteure: Wir beide haben relativ getroffen, was wir anvisiert hatten.

Von der Theorie in die Praxis

Mit frisch aufpoliertem Selbstvertrauen geht es dann ans große Finale: Das interaktive Szenarientraining wartet. Nun müssen wir unser neu gewonnenes Wissen anwenden. Die einzige Information, die wir bekommen bevor, wir – ausgerüstet mit Schutzkleidung und Helm der Polizei – in "den Einsatz gehen" ist: Verkehrsunfall mit Sachschaden.

Bei einem Auffahrunfall ist ein Auto einem anderen hineingefahren. Zu dem Zeitpunkt, an dem wir als "Polizisten" vor Ort eintreffen, ist bereits ein heftiger Streit zwischen den Lenkern ausgebrochen.

Mein eigener Partner hängt mich ab

Noch während sich Maxim wie ein Profi und dem Ton der Autorität nach vorne wirft, gehe ich in Gedanken die wichtigsten Handlungsanweisungen durch: Kommunikation halten, den Partner im Auge im behalten, Überblick über die Situation und alle Handelnden schaffen.

Dadurch bemerke ich fast zu spät, dass mein Partner schon viel weiter voraus ist, als gut wäre. Ich beschleunige meinen Schritt, bemerke erst dann, dass bereits beide Autofahrer Waffen gezogen haben. Ein Lenker bedroht den anderen mit einem Messer, der (selbst im Besitz eines Waffenscheins) zieht eine Pistole.

Maxim nimmt sofort den Messermann ins Visier, fordert ihn lautstark auf, die Waffe fallen zu lassen. Ich konzentriere mich auf den Lenker mit der Pistole, fordere, dass auch er die Waffe hinlegt. Sobald das passiert, ziehe ich ihn nach hinten und lasse ihn sich mit ausgestreckten Armen auf den Boden legen.

Der Aggressor mit dem Messer folgt der Aufforderung meines Kollegen, die Waffe fallen zu lassen jedoch nicht und geht auf ihn los. Maxim fackelt aber nicht lange herum und zückt seine "Dienstwaffe": "Auf den Boden, auf den Boden!", schreit er ihn an. Doch auch das überzeugt den Angreifer nicht. Dann höre ich einen Schuss!

Der Messermann geht ächzend zu Boden, lässt dabei das Messer fallen. Maxim geht sofort auf ihn zu, dreht ihn auf den Bauch und fixiert ihn. Dann höre ich eine laute Pfeife: "Einsatz AUS!", schreit Einsatzleiter Günter Pegrisch.

Videoanalyse zeigt, wie der Einsatz gelaufen ist

Im Anschluss an den Einsatz wird das Geschehen anhand eines Videos analysiert und besprochen. Während mir noch das Adrenalin durch die Adern schießt, lächelt uns unser Einsatzleiter freundlich an: "Für Journalisten gar nicht so schlecht".

"Bei der Analyse geht es vor allem auch darum, zu schauen, welche anderen Möglichkeiten es gegeben hätte, um die Situation in den Griff zu kriegen. Denn zu lernen gibt es immer etwas", erklärt Pegrisch.

Für mich hält die Videoanalyse zwei große Überraschungen bereit: erstens hat der Einsatz gerade einmal 25 Sekunden gedauert, für mich hat sich das deutlich länger angefühlt. Und zweitens: wie sehr sich die Wahrnehmung der Distanz alleine durch Aufregung und den Helm ändert. "Das geht auch erfahrenen Polizisten so", erklärt uns Pegrisch, "für jeden Beamten ist das eine Stresssituation". Zum anderen seien solche Ereignisse wie ein Magnet, "man ist immer näher dran, als man denkt".

Zurück in unserem eigentlichen Beruf, dem Journalismus, gleichen Maxim und ich unsere Erfahrungen ab. Fazit: Das Training hat nicht nur Spaß gemacht, sondern auch eine völlig neue Sichtweise auf den Polizei-Beruf ermöglicht. Die Beamten verdienen für ihr Können, ihre Voraussicht und den täglichen Einsatz vollsten Respekt. (lok)

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