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Sozialpartner: Vorsichtiges Ja zur Gesamtschule

Heute Redaktion
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Die Sozialpartner haben am Montag anlässlich ihres mittlerweile achten "Bad Ischler Dialogs" ein Jugendpapier vorgelegt. Allzu scharfe Ansagen enthält es - angesichts des Zeitpunkts der Präsentation zwei Wochen vor der Wahl wenig überraschend - nicht. Allerdings findet sich darin immerhin ein klares Bekenntnis zu einem verpflichtenden zweiten Kindergartenjahr und, wenngleich verklausuliert, ein tendenzielles Ja zur Gesamtschule.

Die Sozialpartner haben am Montag anlässlich ihres mittlerweile achten "Bad Ischler Dialogs" ein Jugendpapier vorgelegt. Allzu scharfe Ansagen enthält es - angesichts des Zeitpunkts der Präsentation zwei Wochen vor der Wahl wenig überraschend - nicht. Allerdings findet sich darin immerhin ein klares Bekenntnis zu einem verpflichtenden zweiten Kindergartenjahr und, wenngleich verklausuliert, ein tendenzielles Ja zur Gesamtschule.

In der Langfassung des 32 Seiten starken Dokuments wird nämlich dafür geworben, die Potenziale der Kinder "durch eine individuelle Leistungsdifferenzierung ohne beschränkende Festlegung durch eine früher Bildungsentscheidung" zu entwickeln. Auf diese Weise würden die Potenziale der Kinder und Jugendlichen besser genutzt. Explizit finden sich die Begriffe "gemeinsame Schule" oder "Gesamtschule" in dem Papier freilich nicht.

Eingefordert wird von Gewerkschaft und Kammern ein Ausbau ganztägiger Schulformen, das allerdings "bedarfsorientiert". Das Angebot solle in zumutbarer Entfernung zum Wohnort in allen Regionen bedarfsorientiert und flächendeckend in allen Schulen der Primar-und Sekundarstufe I ganztägig geführt werden, lautet die Formulierung im Forderungskatalog an die Regierung.

Kein Absitzen von neun Jahren mehr

Abgegangen wird seitens der Sozialpartner vom Status quo, wonach die Schulpflicht bloß das Absitzen von neun Jahren verlangt. Diese solle künftig "als weitgehende Pflicht zur Erreichung der im Pflichtschulabschluss definierten Bildungsziele" neu gefasst werden. Reformbedarf sieht man auch beim Polytechnikum.

Größere finanzielle Ressourcen sollen nach Vorstellung der Sozialpartner Schulen mit mehr sozial benachteiligten Kindern zur Verfügung gestellt werden. Statt über Kopfzahlen soll die Schulfinanzierung – unter Einhaltung von Qualitätsstandards - nach Maßgabe der Absolventenzahlen ergebnisorientiert erfolgen.

Schwerpunktberufsschulen

Im Bereich der Lehre sticht unter anderem der Wunsch nach Schwerpunktberufsschulen vor. Diese sind vor allem für Berufsgruppen mit wenigen Lehrlingen angedacht. Das sogenannte Jugendcoaching, das sich vor allem schulabbruch-gefährdeter Jugendlicher annimmt, soll schon ein Jahr früher als derzeit, also mit der achten Schulstufe einsetzen. Zudem soll es bis zum 25. Lebensjahr in Anspruch genommen werden können.

Was die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht, setzen die Sozialpartner auf ein flächendeckendes ganztägiges Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen. Zudem wird explizit die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen beworben.

Universitäten werden ausgespart

Während der Uni-Bereich mit heiklen Fragen wie Zugangsregelungen oder Studiengebühren im dem Papier keine Erwähnung findet, sorgen sich die Sozialpartner darüber, wie jungen Menschen der Weg zu leistbarem Wohnen ermöglicht werden kann. Hier spricht man sich für eine Zweckwidmung von Wohnbauförderung und den Rückflüssen aus der Wohnbaudarlehensförderung aus und befürwortet eine "Präzisierung des Richtwertsystems" bei Altbaumieten für eine höhere Rechtssicherheit von Mieter und Vermieter.

"Reizbegriffe" vermieden

Die Sozialpartner gehen davon aus, dass die künftige Regierung ihr für den "Bad Ischler Dialog" ausgearbeitetes Papier umsetzt. Das machten die Spitzenvertreter von Kammern und Gewerkschaft bei einer gemeinsamen Pressekonferenz  klar. Dass Begriffe wie Gesamtschule in dem Forderungskatalog ausgelassen wurden, begründete Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl damit, dass man bewusst "Reizbegriffe" vermieden habe.

Der Kammer-Chef zeigte sich vor allem im Bildungsbereich ein wenig ungnädig mit der Regierung, habe man doch viele der heute präsentierten Vorschläge schon in früheren Sozialpartner-Papieren vorgelegt. Er sei daher schon etwas ungeduldig, was sich dann auch in einer vielleicht zu drastischen Wortwahl gezeigt habe, so Leitl offenbar in Anspielung auf seinen "Abgesandelt"-Sager im Rahmen des Forum Alpbach.

"Keinen Eintopf, sondern Eingehen auf Stärken & Schwächen"

Zeichnete der Wirtschaftsbund-Obmann - der ÖVP-Linie im Wahlkampf entsprechend - ein eher düsteres Bild vom Reformfortschritt in Österreich gerade im Bildungsbereich, schilderte ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser - gemäß der SPÖ-Kampagne - die Situation so schlecht nicht. Immerhin seien in der gerade endende Legislaturperiode schon einige Schritte gesetzt worden, etwa in Sachen "Neue Mittelschule". Dass die Bildung im Wahlkampf kein großes inhaltliches Thema ist, sieht die SP-Nationalratsabgeordnete mit der aufgeheizten Stimmung rund um das Lehrerdienstrecht begründet.

Wie die "Schule der Zukunft" aussehen soll, steht für die Sozialpartner zumindest in den Grundrissen fest. Es solle "keinen Eintopf, sondern ein differenziertes Eingehen auf Stärken und Schwächen" geben, erläuterte Leitl, ohne sich auf einen bestimmten Schultypus festzulegen. Diesen sollten Experten anhand von best-practice-Modellen herausfinden. Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski wandte sich gegen einen Hickhack in dieser Frage. Parteipolitik habe da nichts verloren.