Coronavirus

Spanien vor dem Kollaps: "Das ist unmenschlich"

Heute Redaktion
Teilen
Picture

In Spanien droht die Corona-Krise noch extremer als in Italien zu werden. Ärzte sind verzweifelt. Es droht der komplette Kollaps des Gesundheitssystems.

Patienten, die seit 30 Stunden auf Stühlen darauf warten, behandelt zu werden, andere die auf Notfallbetten im Gang liegen. Überall hört man Menschen husten. Die Aufnahmen stammen aus einem Spital in Leganés, einem Vorort südlich von Madrid.

Die Notaufnahme sei so überfüllt, dass Patienten in Armeespitäler überführt werden müssen, sagt ein Krankenpfleger zu "El Mundo".

"Wir brauchen Hilfe, das ist unmenschlich", klagt ein Arzt im naheliegenden Spital 12 de Octubre. Dort ist die Situation nicht anders. "Ich weiß nicht, ob die Behörden wirklich wissen, was in den Spitälern passiert. Wir befinden uns in einer Situation, in der die Nachfrage die Ressourcen übersteigt", sagt er.

Bereits 1.300 Tote

Die offiziellen Zahlen bestätigen die Einschätzung des Mediziners: Fast 25.000 Infizierte meldete das Gesundheitsministerium am Samstag – 5.000 mehr als am Vortag. Die Zahl der Toten kletterte um ein Drittel auf mehr als 1.300. Besonders heftig betroffen ist die Region Madrid.

"Spanien geht nun in die dunkelste Phase in der Coronavirus-Krise über", schreibt die spanische Zeitung "El Pais" am Samstag. "Die schlimmsten Tage liegen vor uns", sagte auch Gesundheitsminister Salvador Illa am Freitag. Noch sei allerdings nicht klar, ob die harten Maßnahmen, die die Regierung vor einer Woche beschlossen hatte, die Ausbreitung des Virus eindämmen können.

Experten warnen vor Kollaps des Systems

Spanische Experten haben nun vor einem vollständigen Kollaps der Gesundheitsversorgung gewarnt. Eine "totale" Isolierung der Menschen sei deshalb nun "unerlässlich", fordern 69 renommierte Epidemiologen, Molekularbiologen und Wissenschaftler anderer Fachbereiche in einem am Samstag veröffentlichten offenen Brief.

Es müsse eine noch stärkere Einschränkung der Bewegungsfreiheit angeordnet werden, hieß es.

Die Experten fordern konkret unter anderem, dass die Fahrt zur Arbeitsstelle nur noch bei Arbeitnehmern der Grundversorgungssektoren gestattet wird. Unter den gegebenen Bedingungen werde es sonst "um den 25. März herum" zu einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems kommen. Rund 18 Prozent der spanischen Bevölkerung seien älter als 65.

Ärzte-Leitfaden für Entscheidung über Leben und Tod

Einem "El Pais"-Bericht zufolge würde sich das medizinische Personal deshalb bereits darauf vorbereiten, im Falle eines Mangels an Intensivbetten Entscheidungen über Leben und Tod treffen zu müssen. So wurde etwa ein ethischer Leitfaden erarbeitet, um Ärztinnen und Ärzten bei der Entscheidungsfindung zu helfen.

Dem Bericht zufolge sollen jenen Patienten, deren Lebenserwartung wie auch Lebensqualität höher sei, bevorzugt werden. Das Alter der Patienten sei dabei aber nicht ausschlaggebend.

Spanien hatte am vergangenen Samstag eine Ausgangssperre beschlossen, die bereits tags darauf in Kraft getreten war. Gelten sollte die Ausgangssperre für mindestens 15 Tage, könnte aber vom Parlament verlängert werden. Die knapp 47 Millionen Spanier dürfen seither nur in Ausnahmefällen aus dem Haus und wenn, dann nur ohne Begleitung. Es gibt viele Polizeikontrollen, es drohen Geld- oder sogar Haftstrafen.