Wirtschaft

Spät, aber doch: Zypern entgeht Staatspleite

Heute Redaktion
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Bild: Reuters

In einer nächtlichen Marathonsitzung wurde ein neuer Rettungsplan für Zypern ausgearbeitet. Aus dem Konzept gestrichen wird die generelle Abgabe auf Einlagen. Der Fokus liegt nun auf den zwei Problemkindern, der Laiki Bank und der Bank of Cyprus. Die Laiki Bank wird geschlossen, Gläubiger und Kunden beider Banken werden Geld verlieren.

In letzter Sekunde ist die drohende Staatspleite Zyperns noch abgewendet worden. Die Regierung des überschuldeten Euro-Landes einigte sich nach einer teilweise dramatischen Nachtsitzung mit ihren Geldgebern auf einen neuen Rettungsplan. Nicht mehr Sparer aller Banken, sondern die der beiden größten Banken des Landes sollen belastet werden.

Tausende Jobs fallen weg

Der neue Plan sieht vor, dass die Laiki Bank (Popular Bank) - die zweitgrößte des Landes - geschlossen wird und damit Tausende Jobs wegfallen. Die Konten mit Beträgen bis zu 100.000 Euro, die gesetzlich von der Einlagensicherung geschützt sind, werden auf die größte Bank, die Bank of Cyprus, übergehen. Einlagen der Laiki Bank oberhalb dieser Summe werden eingefroren und in eine Bad Bank übertragen. Insgesamt handelt es sich nach Dijsselbloems Angaben um 4,2 Milliarden Euro. Ob diese vollständig verloren sein werden, sei noch nicht absehbar, da bei der Abwicklung der Bad Bank noch Erträge anfallen könnten.

Auch die Bank of Cyprus muss drastisch verkleinert werden. Aktionäre, Anleihegläubiger und als letztes Kontoinhaber müssen mit Abschreibungen rechnen, bis die Bank eine gesunde Größe und eine Eigenkapitalquote von neun Prozent erreicht hat. Zypern wird mit zehn Milliarden Euro Kredit aus dem Euro-Rettungsmechanismus ESM und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gestützt. Das erste Geld soll im Mai fließen. Als Gegenleistung dafür sind auch harte Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben fällig.

Dramatisch: Zyperns Präsident drohte mit Rücktritt

Die Sitzung zeigte auch, wie sehr die Nerven der Verhandler angespannt waren. Zyperns Präsident Nikos Anastasiades hatte ab dem Nachmittag mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Währungskommissar Olli Rehn, EZB-Präsident Mario Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde verhandelt. Zwischenzeitlich hatte er nach Angaben von EU-Diplomaten mit Rücktritt gedroht, falls beide Banken dicht gemacht werden müssten. Nach der Einigung in den Morgenstunden verließ er das EU-Ratsgebäude kommentarlos und überließ seinem Finanzminister alle weiteren Erklärungen.

"Diese Lösung ist besser als die von vergangener Woche, weil wir uns jetzt auf die beiden Problembanken konzentrieren", sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem in der Nacht auf Montag in Brüssel. Im ersten Anlauf war eine Abgabe auf Bankeinlagen geplant, was in Zypern wie im Rest der Eurozone auf großen Protest gestoßen war.

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich erleichtert: "Ich bin froh, dass wir jetzt das erreicht haben, was immer unsere Position war", sagte Schäuble in der Nacht auf Montag nach einem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel. Eine Rettung Zyperns sei ohne ein Hinzuziehen der beiden größten Banken Zyperns nicht möglich.

Freude bei vielen Politikern, Volk skeptisch

"Wir haben eine ungeordnete Staatspleite abgewendet, die zu einem Abschied Zyperns von der Eurozone geführt hätte - mit unabsehbaren Folgen", sagte Regierungssprecher Christos Stylianides am Montag in Brüssel. "Das ist ein schlechtes Geschäft, doch wir haben mit einem Extremszenario kämpfen müssen, das noch viel schlechter war", so der stellvertretende Vorsitzende der konservativen Regierungspartei, Lefteris Christoforou. "Ein neuer Tag ist für Zypern angebrochen", sagte der frühere Notenbankchef Afxentis Afxentiou. "Ich glaube, dass es mit Zypern in zwei bis drei Jahren wieder bergauf gehen wird." 

In der Bevölkerung wird die Vereinbarung skeptisch aufgenommen. "Wie lange wird das dauern", fragte Georgia Xenophontos, eine 23-jährige Hotel-Rezeptionistin in Nikosia. "Warum sollte irgendjemand dieser Regierung glauben?" Im ersten Anlauf hatte sie eine Zwangsabgabe auf alle Bankeinlagen geplant, was in Zypern ebenso wie im Rest der Eurozone auf großen Protest gestoßen war.

Eurogruppen-Chef: "Sehr schwierige Gespräche"

Dijsselbloem sprach von sehr schwierigen Gesprächen. Die Verhandlungen standen nach einem Ultimatum der Europäischen Zentralbank (EZB) unter hohem Zeitdruck. Die EZB hatte gedroht, den beiden insolventen Großbanken ab Dienstag, wenn die Banken nach mehr als einer Woche Schließung erstmals wieder öffnen sollen, die Notkredite zu entziehen. Damit hätte der Kollaps des gesamten Finanzsektors gedroht, der acht Mal so groß ist wie die Wirtschaftsleistung des Landes und damit als überdimensioniert gilt. Er soll bis 2018 halbiert werden und so EU-Durchschnitt erreichen.

Ob die Banken am Dienstag öffnen, war noch nicht sicher. Dijsselbloem meinte jedenfalls, dass Eurogruppe eine rasche Wiederöffnung der Banken in Zypern befürworte. Die derzeitige Schließung sei eine einzigartige Ausnahmesituation des Finanzsektors der Mittelmeerinsel.

Mögliche Belastung der Sparer löste Nervenkrieg aus

Der Einigung war eine Woche mit einem wahren Nervenkrieg zwischen Zypern und seinen Rettern vorausgegangen. Der ursprüngliche Plan hatte eine Abgabe auf sämtliche Bankeinlagen vorgesehen. Das Parlament Zyperns hatte den ersten Plan abgelehnt. Auch im Rest der Eurozone herrschte Entsetzen, dass zur Rettung eines Staates erstmals die kleinen Sparer Geld verlieren sollten. Zypern hat den Ruf eines Geldwäscheparadieses, das mit hohen Zinsen und niedrigen Steuern Anleger lockt. Deshalb bestand vor allem Deutschland, aber auch der IWF, darauf, die Rettungskosten auch Bankkunden und nicht nur den Steuerzahlern in der Eurozone aufzubrummen.