Österreich

Spenden werden nicht verteilt, Flüchtlinge hungern

Heute Redaktion
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"Heute"-Lokalaugenschein im neuen Flüchtlingshaus in Erdberg. Dort Zustände wie in Traiskirchen: Stundenlanges Warten auf Essen, die Spenden wurden nicht verteilt. Weil ein Flüchtling sich an "Heute" wandte, wurde er kurzerhand nach Tirol verlegt. Das Innenministerium bestreitet die Vorwürfe.

"Heute"-Lokalaugenschein im : Stundenlanges Warten auf Essen, die Spenden wurden nicht verteilt. Nachdem ein Flüchtling sich an "Heute" wandte, wurde er kurzerhand nach Tirol verlegt. Das Innenministerium bestreitet die Vorwürfe.

beschäftigt, die auch in Traiskirchen tätig ist. Der krasse Personalmangel führt zu schweren Versäumnissen und einem rauen Umgang – die Folge: Die Nerven liegen auf beiden Seiten blank.

Innenministerium bestreitet Vorwürfe

Das Innenministerium und die Asyl-Betreuungsfirma ORS haben am Donnerstag die Vorwürfe zurückgewiesen und bezeichnet den betreffenden Flüchtling als "aggressiv"- obwohl mit dem Mann nicht gesprochen wurde.

Knurrender Magen

"Essenszeit ist eigentlich um halb 12. Weil es aber so wenig Personal gibt, wird es oft später. Am Dienstag sind 350 Menschen etwa drei Stunden lang angestanden", erzählt ein Mann im Gespräch mit "Heute". "Wir Erwachsenen können ja warten, aber unter uns sind auch 15 Kinder – teilweise sehr kleine. Für die ist Warten schwierig."

Dazu sei das Essen auch immer zu wenig. "Viele hier haben Hunger, die Portionen sind so klein, Nachschlag gibt es keinen", erzählt ein anderer Mann. Er trägt trotz herbstlicher Temperaturen noch immer dieselben Sandalen, die er anhatte, als "Heute" ihn bei seiner Ankunft das erste Mal traf. Grund: "Die Menschen haben sehr viel für uns gespendet. Dafür sind wir sehr dankbar. Leider erreichen uns die Kleider nicht." Niemand hat Zeit, die Spenden auszuteilen. "Gestern hieß es endlich, es gibt Gewand, wir haben wieder stundenlang gewartet, dann kam ein Mann und sagte: 'Nein, heute geht sich das nicht mehr aus'", erzählt er.

 

"Wir werden wie Vieh behandelt"

Es gibt keine Dolmetscher, keine Deutschlehrer, keine Rechtsberatung, keine medizinische Versorgung. Für eine Mutter mit ihrem kranken Baby wurde kein Arzt gerufen. Wer Fragen hat, wird unsanft aus dem Raum geschubst – keine Zeit. "Wir wollen nicht undankbar erscheinen, aber es fehlt hier wirklich am nötigsten, wir werden hier wie Vieh behandelt", sagt der christliche Iraker Rimon J. (34).

Er ist seit fünf Jahren auf der Flucht und mit den Nerven völlig am Ende: "Ich will doch einfach nur irgendwann wieder ein Leben haben. Ich versuche hier jedem zu helfen, ich dolmetsche, ich organisiere, ich geh mit den Leuten zum Amt – bitte helfen Sie auch mir und tun Sie was", sagt er gegenüber "Heute" in gutem Deutsch. Er lernt jeden Tag, damit er eines Tages Arbeit findet.

 

Maulkorb

Am Vortrag suchte er ein Gespräch mit der Betreuerin, wurde nur unwirsch abgewiesen. "Sie hat mir gedroht, dass, wenn ich mit der Presse darüber rede, rausgeschmissen werde", sagt er. Aber es sei doch kein Verbrechen, über so etwas zu sprechen, ist er sicher.

Während des ganzen Gesprächs steht eine Frau am Eingang und schreibt jeden einzelnen auf, der mit "Heute" spricht. Angekündigt waren bis zu 100 Leuten, die mit ihrer Anwesenheit gegen die Zustände protestieren wollten. Eingeschüchtert wagten sich dann nur rund 15 Personen heraus, etliche schauten neugierig aus den Fenstern.

Pressefreiheit, ja klar!

"Wir haben die betreuende Firma ORS schon angewiesen, Personal aufzustocken. Es stimmt, für jene organisatorischen Herausforderungen, die uns hier zur Verfügung stehen, ist es zu wenig, dadurch ist die Situation sehr angespannt", heißt es aus dem Innenministerium zu den Mängeln.

Zu den Einschüchterungsversuchen gegenüber den Flüchtlingen seitens der Firma ORS und dem Versuch, die Pressefreiheit zu beschneiden, meint das Innenministerium: "Wir haben immer gesagt, wir vermitteln nicht, aber wir haben natürlich nichts dagegen, wenn Interviews mit Flüchtlingen geführt werden."

 

Raus aus der Gefahrenzone

Zynisch: Wenige Stunden, nachdem "Heute" in Erdberg war, erreichte die Redaktion ein verzweifelter Anruf. Rimon J. wurde nach dem Gespräch in das Zimmer jener Betreuerin zitiert, die ihm am Vorabend den Kontakt mit der Presse verwehrt und an der Tür notiert hatte, wer sich nicht daran hielt. "Sie hat gesagt, sie habe dem Innenministerium gemeldet, dass ich sie angegriffen habe und dass ich jetzt rausgeschmissen werde", sagt er verzweifelt. "Ich schwöre bei Gott, es ist eine Lüge".

Nun muss Rimon J. also umziehen. Verhört wurde er von niemandem. "Das ist eine Deeskalations-Maßnahme", heißt es aus dem Innenministerium. Zusammenhang mit Medienkontakten sieht man keine. Rimon J. wird nach Tirol verlegt. Weit genug, um keine Gefahr darzustellen...